Neil Perry
"Asia Food: Balance und Harmonie"
400 Seiten für 75 Euro? Kein Schnäppchen. Aber das neue Kochbuch des Sydneysiders Neil Perry ist weit mehr als eine Ansammlung von Rezepten aus Japan, Korea, Vietnam, Thailand oder China. Es ist eines der besten Asia-Kochbücher unserer Zeit.
Schon als Kind sog Perry bei Streifzügen durch Sydneys Chinatown den Geruch von getrocknetem Kalmar und Seeohr ein. Später lernte er dann die Bedeutung der ausgewogenen Kombination von derart intensiv duftenden und schmeckenden Aromen. Heute ist Neil Perry erfolgreicher Restaurateur mit seinen Lokalen "Rockpool" in Sidney und Melbourne, und – eher selten in der Sterne-Gastronomie – ein hervorragender Büchermacher.
Optisch wechseln in diesem Buch schwülstiger Chinakitsch mit Perrys klassisch-kühler Food- und Grafiksprache; ein daumenbreites Lesebändchen erinnert an Weihnachten, der Einband ist wattiert und aus Stoff, das Papier dick. Schön. Wichtiger: Die Rezepte sind dank einer separaten Rezepte-Redaktion sauber ins Deutsche übersetzt, von Niggeligkeiten abgesehen – nachzuprüfen anhand der Originalausgabe. Noch wichtiger: Man will sofort loskochen.
Aus zwei Gründen: Neil Perry besitzt ein fundiertes, von tiefem Respekt geprägtes, Wissen über den asiatischen Koch-Raum und eine von großer Neugier geprägte Koch-Kunst. So kombiniert er das fette Aroma von chinesischer Ente mit Litschis, traut sich ausgerechnet bei Schweinefleisch an die berühmt-berüchtigte vietnamesische Karamellsauce, lässt für seinen marinierten Lachssalat den Lachs in Aromaten über Nacht antrocknen, bevor er ihn grillt, dämpft Lendensteak im Bambuskörbchen, bevor er es für interessantere Konsistenz mit gemahlenem gerösteten Reis gart und hat sieben leckere Tofu-Rezepte parat.
„Ich liebe Tofu“, sagt er, und als einer der besten Köche Australiens macht er das dann so: Tofubällchen mit Schweinebauch aus dem Fleischwolf und abgeriebenem Palmzucker, kein landestypisches Rezept, trotzdem authentisch. Perrys Dreh: Er wickelt die frittierten Bällchen mit etwas selbst gemachter Chilisauce in ein Salatblatt, und „das sorgt für das gleichzeitige Empfinden von heiß und kalt, was diesem Gericht den richtigen Pfiff verleiht.“
Eigentlich ist "Asia Food" zwei Bücher. Im ersten Teil stehen Zubereitungsarten und Grundtechniken, also Schmoren, Dampfgaren, Pfannenrühren, Frittieren, Teeräuchern. Ein Kapitel über empfohlene Weinpaarungen, geschrieben von seinen Sommeliers David Lawler und Nicole Reimers, betont den Einsatz von niedrigsprittigen Alkoholika, weil höherer Alkoholgehalt die Intensität von Chili und Gewürzen verstärkt, empfiehlt pfiffige Alternativen wie Cidre oder Sherry und hat kleine Geheimtipps wie leicht gekühlte, junge Rote zu teegeräuchertem Geflügel – was tatsächlich funktioniert.
Der zweite Teil des Buches befasst sich mit festlichen Menüs. Hier findet die klassische Rezeptbucheinteilung nach Zutaten Platz, also Tofu und Eier, Schweinefleisch, Rind und Lamm, Geflügel, Meeresfrüchte, Gemüse, Nudeln und Reis, Obst und Süssspeisen. Positive Überraschungen preislicher Art gibt’s viele, wie süßer Schweinebauch mit schwarzem Essig und eine chinesisch rotgeschmorte Schweinshaxe, über deren gallertartige Hautkonsistenz er ins Schwärmen gerät. Natürlich kann er auch edel und teuer, verwendet den Bluenose (Schwarzfisch), Hummer und Austern. Nur als Angeberessen will er solche Produkte nicht verwendet wissen: die Austern haut er ins Omelette.
Fazit: Es gibt kein Kochbuch von Neil Perry, das ich nicht mag. Auch "Rockpool" war schon ein sehr hochwertiges Werk. Aber dieses hier gehört in die S-Klasse und ins Regal aller Asia-Fans. Es bietet täglich machbare Rezepte mit überaus feiner Aromatisierung für Anfänger und Fortgeschrittene, zudem Inspirationen für Könner – und schließt damit eine echte Marktlücke.
Gabriele Gugetzer
Gabriele Gugetzer
Gabriele Gugetzer
Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.
gugetzer@kochmonster.dewww.kochmonster.de
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