King beim SHGF

Fischversteher Johannes King und das Kochmonster

Jeden Winter bringt seit 29 Jahren das Schleswig-Holstein Gourmet Festival (SHGF) die Leckermäuler im Norden zum Vibrieren. In dieser Saison haben die prominenten Gastköche insgesamt 29 Michelin-Sterne im Gepäck. Doch nur einer kann der King sein – der Sylter Zweisterner Johannes King kochte bei seinem Kollegen Marc Schlürscheid im frisch renovierten Ringhotel Gardels in St. Michaelisdonn die nagelneue Küche ein – ein Traum in Edelstahl für 380.000 Euro. Da muss das Kochmonster hin!

 

Insgesamt 33 Veranstaltungen in 15 teilnehmenden Restaurants umfasst das diesjährige des 29. Schleswig-Holstein Gourmet Festivals (SHGF), das noch bis zum 6. März 2016 geht. Die Idee dahinter ist einfach wie genial: Gehobene Restaurants im Norden laden einen bekannten Gastkoch ein, um mit dem Chef des Hauses vier bis fünf Gänge (Preisspanne: 112 bis 185 Euro) zu zaubern. Dieses Jahr unter anderem auf Nord-Wanderschaft: Harald Wohlfahrt, Jörg Sackmann, Kenneth Hansen, Cornelia Poletto, Kolija Kleeberg, Thomas Martin, Michael Kempf, Patrick Spies, Achim Schwekendiek, Christopf Rüffer, Jacqueline Amirfallah und Rolf Fliegauf.

 

Und natürlich der Zweisterner und hauptamtliche Fischverstehen Johannes King vom Hotels Söl’ring Hof auf Sylt, der an zwei Abenden mit Marc Schlürscheid vom frisch renovierten Ringhotel Gardels in der Nähe der Nordseeküste fünf atemberaubende Gänge kochte – für nur 140 Euro pro Person inklusive Champagner, gut ein- und nachgeschenkte fünf begleitende Weine, Kaffee, Wasser und Ziegler-Bränden ein echtes Schnäppchen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass für einen 5-Gänger mit Wein (aber ohne Schampus, Wasser, Brände etc.) bei King auf Sylt 250 Euro fällig werden – bei teilweise gleichen oder zumindest vergleichbaren Gängen wie das Herbstgemüse mit Wachtelei und Topinambur, eine gefüllte Zwiebel mit Spanferkelbäckchen und Aal oder den Hirschrücken mit Mangold.

 

Dass bei der Kooperation der beiden FEINHEIMISCH-Köche Anfang November alles auf Anhieb so perfekt gelang, lag aber auch an dem kompletten Umbau der Gardels-Küche: Zwei Jahre lang plante und werkelte der Küchen-Guru Wolfgang Eibach  (Lafers Stromburg, Scherrer Hamburg, Rüssel St. Urban, Schwarzer Hahn Deidesheim, bis rauf zum Dreisterner Sonnora) bis schließlich die neue Kochwerkstatt losdampfte und von den Hotel-Eignern (Familie Peters; seit 133 Jahren in Familienbesitz) ) insgesamt 380.000 investiert waren – auch in feuchte Edelstahl-Kochträume wie Geräte von MKN, Convotherm oder Paco Jet.

 

 

Nach dem vom erwähnenswert liebevollen wie flinken Service verteilten Champagnerauftakt schießt King erst mal ein paar Dutzend Prunier-Kaviardosen raus. Gefüllt allerdings nicht mit Zuchtstör-Eiern, sonder mit dem Amuse Gueule

 

 

Tatar von der Meeräsche mit kandierter Gurke und getrocknetem Dill

Eine im typischen King-Stil kaum gesalzene Rohfischfreude, bei der die Gurkenstücke für klare Süßekante und die Sauerrahmklecks für die nötige Liquidität sorgen.

 

Ein erster Höhepunkt – und vom Kochmonster neben dem Dessert auch als Gang des Abends gewertet – die vegetarische Vorspeise

 

 

 

 

 

Herbstlicher Gemüsesalat mit Wachtelei und geeistem Meerrettischschnee.

Der Sylter King-Kollege und Vegan-Gott Jens Rittmeyer wäre sofort in dieses Martiniglas voller Gemüseorgansmen versunken: knackiger Knollenziest, cremiger Kürbis, krosse Topinamburchips, geniale süßsauer-Rüben, bizarrer Algensalat, Kren-Granitè aus dem flüssigen Stickstoff – und alles zusammengehalten von einem fast rohen Wachtelei.

 

 

Der Fischgang ist ohnehin die Domäne Kings, kein Wunder also, dass

 

 

 

Kabeljau mit Sylter Meeresfrüchte und Kresse

ein echter Fisch-Schlager ist: Wunderbar saftiges, ultradickes Filet in einem zart nach Meer schmeckenden Sud, oben drauf feines Muschelfleisch und Sylter Grünzeug von Queller über Kresse bis zum Meeresfenchel.

 

 

Das Zwischengericht dagegen, serviert in einer ausgebrannten Gemüsezwiebel auf einem Berg  Meersalz und buntem Herbstlaub (nicht mitessen das alles!), gerieten die

 

 

 

Spanferkelbäckchen mit Aal und Apfel-Zwiebelkompott

zu einem etwas eindimensionalen Vergnügen. Die Bäckchen sind (King ist Schwabe) gepökelt, der Aal zart geräuchert, aber von Äpfeln und Zwiebeln ist nur ein verkochter Allerwelts-Schmorgeschmack übrig – und am Ende blieb am Gaumen ein unangenehm langer Nachhall von Raucharoma.

 

 

Umso mehr freuen sich die Gäste, als der Fleischgang

 

 

 

 

Hirschrücken mit schwarzen Champignons und jungem Mangold

unter den vom Kellnerballett perfekt gleichzeitig gelupften Cloches sicht- und riechbar wird: Ultrazarter Highend-Hirsch, kontrastiert von der klaren und eckigen Säure des fast rohen Baby-Mangolds und untermalt von der fast schon fermentiert wirkenden Cremigkeit des Pilzmousse (eine King-Spezialität: Im Fleischwolf durchgedrehte weiße Champignons oxidieren bei Zimmertemperatur so lange auf einem Blech, bis sie schwarz sind – und werden anschließend ganz simpel mit Schalotten und Butter breiig gedünstet).

 

 

Das Dessert

 

 

Geeister Estragon mit Buttermilch und Luftschokolade

hatte King bereits bei seiner Eingangs-Ansprache angedroht mit den Worten: „Der Estragon ist in der Nachspeise aus zwei Gründen: Erstens schmeckt das toll. Und zweitens musste er weg.“ Auch auf dem Teller scheint diese gewagte Kombination mit dem Auge zu zwinkern: Auf der Buttermilchcreme dampft das im Stickstoff gekühlte Kräuter-Eis, die mit Hilfe von Sahnesiphon und Vakuumierer hergestellte weiße Luftschokolade spannt einen überraschend stimmigen Aroma-Bogen über die scheinbar unvereinbaren Gegensätze. Ein echtes Erwachsenendessert für fortgeschrittene Gaumen, das dem anschließend auflaufenden Team – King mit einem Beikoch aus Sylt, Marc Schlürscheid mit seinem Team und die versammelte Servicemannschaft – einen mehrminütigen tosenden Applaus der glücklich gezechten Gardels- und SHGF-Gäste beschert.

 

 

 

Doch damit ist das 29. Schleswig-Holstein Gourmet Festivals noch lange nicht zu Ende – es folgen weitere 28 hochkarätig besetzte Veranstaltungen, darunter die „9.Tour de Gourmet Jeunesse“ für Gäste zwischen 18 und 35 Jahren am 10. Januar 2016 sowie das neue Konzept „Tour de Gourmet Solitaire“ für Alleinreisende ab 40 Jahren zum Finale am 6. März 2016. Buchung nur über die jeweiligen Mitgliedshäuser. Preise, Infos und Termine unter www.gourmetfestival.de