Sri Owen
Zu Indonesien gehören schätzungsweise 15.000 Inseln; nur auf vergleichsweise mickrigen 6.000 ist die bevölkerungsmässig viertgrösste Nation der Welt versprengt. Die indonesische Küche kann es also gar nicht geben, zumal hier nicht nur Moslems leben, sondern auch Chinesen und Hindus. Was dem einen kein Schweinefleisch, ist dem anderen sein Schweineschmalz, ist dem dritten sein Tempeh – eine javanische Erfindung aus fermentierten Sojabohnen, die es in die europäische Bioküche geschafft hat.
Fernab von Stereotypen, die Indonesien als Gewürzmühle der Welt und Schöpfer von Billigheimern wie Satay, Nasi Goreng und Rijstafel präsentieren, hat die gebürtige Indonesierin Sri Owen in ihrem neuen Buch nun die Bandbreite dieser Küche in einer appetitlichen Mischung aus Lebenserinnerungen und Rezeptsammlung dargestellt.
In ihrer Wahlheimat Grossbritannien, wohin die 1935 geborene Sri Owen Anfang der 1960er-Jahre ihrem Mann folgte, ist sie als Autorin, Caterin und Beraterin so bekannt, dass das Kochbuch dort den Namen „Sri Owen’s Indonesian Food“ erhielt. Es ist ein streckenweise fast zu persönliches Buch geworden, das aber doch immer den Weg zurück zu Küche und Genusstraditionen Indonesiens findet. Diese sind längst nicht so gut erkundet wie die der umliegenden Länder. Der englische Foodhistoriker Alan Davidson versteigt sch in seinem Standardwerk „The Oxford Companion of Food“ (Oxford University Press, 1999) gar zu der Einschätzung, die Geschichte der indonesischen Küche „sei grösstenteils ein leerer Raum“, was ihn angesichts der überaus verfeinerten höfischen Künste in der Literatur, Musik oder Malerei im 17. und 18. Jh. offensichtlich konsterniert.
Im völligen Gegensatz zum filigranen Charakter beispielsweise eines javanesischen Schattenspiels (man denke an Peter Weirs Filmklassiker „Ein Jahr in der Hölle“) oder eines balinesischen Tempeltanzes ist der Charakter der indonesischen Küche eher rustikal und einfach. Der nationale Fleischeintopf Rendang, dem auch Sri Owen mehrere Seiten und Verweise widmet, schmort beispielsweise aus Konservierungsgründen einfach stundenlang in aromatisierter Kokosmilch, bis er erst am Gaumen und später auf den Hüften klebt und somit in mehr als einer Weise haltbar geworden ist.
Auch die durch Tamarinde und Chili säure- und schärfebetonten Grundaromen der Küche sind nicht so fein ziseliert wie in anderen Küchen Südostasiens, sondern in der häufigen Kombination mit Kokosnuss oder Palmzucker eher Schmackes denn Gaumenkitzel. Die Grundzutaten variieren kaum. Tamarinde, Chili, Kokosmilch oder frische Kokosnuss, Zitronengras, Kurkuma, Limettensaft sind die üblichen Verdächtigen, was allerdings den unschätzbaren Vorteil hat, dass man nach einem Trip in einen gut ausgestatteten (Asia-)Supermarkt für die indonesische Küche schon gut bestückt ist.
Neben Reis ist Fisch, wen wundert’s bei der gigantischen Küstenlänge, ein Grundnahrungsmittel. Sri Owen wird hier en wenig europäisch (neben London zählt sie Venedig zu ihren Lieblingsstädten), löscht Kalmar mit frischem Weisswein ab, verfeinert eine Füllung mit Lardo oder ersetzt geräucherten Thunfisch, der in Europa selten zu bekommen ist, durch Räucheraal und –lachs. Letzteres klingt zunächst nach einem pseudo-kreativen Rezept aus einer deutschen Frauenzeitschrift, funktioniert aber in der Kombination mit Sambal Oelek, Limettensaft und Kokosraspel und beweist: wenn man nur lange genug für eine kritische Öffentlichkeit kocht (in ihrem Fall seit über vierzig Jahren), klappt das mit den Tauschbörsen.
Richtig interessant wird es bei den kniffligen Zutaten
Fazit: Für Indonesienfans und Liebhaber der asiatischen Küche ein Muss, obwohl dusselig nicht-eingedeutschte Mengenangaben (115 g Stinkbohnen, 675 g Klebreis, 115 ml Kokosmilch) Kopfschütteln verursachen und ein Minus bei der Rezeptgenauigkeit einfahren, was schade ist, denn Sri Owen schreibt für den Laien. Trotzdem dürften auch Anfängern viele Gerichte gelingen.

Gabriele Gugetzer
Gabriele Gugetzer
Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.
gugetzer@kochmonster.dewww.kochmonster.de
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