Hugo Arnold

das wagamama kochbuch

kochbuch

das wagamama kochbuch
Hugo Arnold:
"das wagamama kochbuch"
Erscheinungsjahr: 2008
192 Seiten
140 Rezepte
19,95 EURO
ISBN: 978-3-88473-902-1

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
das wagamama kochbuch Bewertung: 4 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Irgendwann machte die Konzept-Kunst einen konzeptionellen Kopfsprung und landete im Restaurant-Gewerbe. Dort kochten früher Köche. Jetzt kocht schon mal ein Konzept. Gäbe es den Kommunismus noch, hieße dieses Konzept im Fall des „wagamama“: "Unser Plansoll: Bis zur Sonnenröte vor dem letzten Gefecht ist der Imperialismus eingesalzen und verkocht!"

Im post-Mauer-Klima heißt dieses Konzept positive eating + positive thinking.

Wobei man im Öffnet externen Link in neuem Fensterwagamama, einer UK-weiten Restaurantkette nach Vorbild der rummeligen Tokioter Nudelbars, tatsächlich gut isst. Und auch das vom britischen Foodjournalisten und -berater Hugo Arnold geschriebene Begleitkochbuch ist gut. Sollte man gar nicht annehmen bei so viel Konzept-Quargel!

 

 

Die Wiege des „wagamama“ stand im praktisch denkenden Köpfchen von Alan Yau. Er emigrierte als Kind mit seinen Eltern aus Hongkong in den sturmumtosten Nordosten Englands. Der nächste Kulturschock: Sein Vater musste dort in einer Chop-Suey-Bude das zusammenkochen, was man in den 1970er-Jahren in Europa für "echt chinesisch" hielt.

Der Sohn ging zur Uni, guckte als Azubi McDonald’s und KFC auf die geschäftstüchtigen Finger und eröffnete mit diesem Know-How 1992 das erste „Wagamama“. Und zwar nicht etwa bescheiden irgendwo in einer Londoner Klitsche. Sondern gegenüber vom British Museum. Der Rest ist Geschichte.

Alan Yau ist geschäftstüchtig. Mittlerweile trägt er für seine Verdienste um die britische Industrie den Königinnen-Orden. Längst hat er sich mit den Londoner Edelchinesen „Hakkasan“ und „Yauatcha“ in beständige Michelin-Höhen hoch gearbeitet und sich aktuell mit dem Armani der italienischen Bäcker eingelassen, wie sich Rocco Princi gerne bezeichnen lässt – mit ihm eröffnet er Ende Oktober eine Bäckerei in Soho.

Mag Alan Yau auch nicht immer authentisch sein, gelingt es ihm doch, ohne Geschmacksverdummung ein breites Publikum zu beglücken. Daran ist erstens nichts verwerflich und damit lässt sich zweitens gutes Geld verdienen. Denn Alan Yau ist nicht nur geschäftstüchtig, sondern auch clever.

Mit dem „wagamama“, mittlerweile zwischen Brisbane und Bath angesiedelt und peinlicherweise auch in Winterthur, aber nicht in Deutschland, knöpfte sich Alan Yau das Konzept der ramen bar vor, der japanischen Nudelküche. Wie Fastfood überall in der Welt, soll diese Küche sättigen und das schnell und erschwinglich.

Angenehmerweise beginnt Öffnet externen Link in neuem FensterHugo Arnold in seinem Kochbuch nicht mit Nudelrezepten, sondern mit den Grundbausteinen dieser Küche, den aromatischen Saucen und Dips. Die sind sehr ordentlich abgeschmeckt und machen Sinn, auch wenn sich englisches Senfpulver und Kokosmilch dazwischen mogeln. Auch mehrere Seiten zu selbst gemachten Fonds fehlen nicht. Löblich! Schmecken tun sie auch.

Die Kapitel sind klassisch in „Hähnchen“, „Fisch und Meeresfrüchte“, „Fleisch“, „Gemüse“, „Salate“ und „Desserts“ unterteilt. Knapp vierzig Rezeptseiten zu Gemüse und Salate erklären ohne Worte, warum Asiaten im Gegensatz zu uns kaum Probleme mit den Röllchen zwischen Brust und Po haben. 

 

 

Das interessanteste Kapitel des Buch sind „Beilagen und Fingerfood“, denn auch diese leckeren Teilchen gelingen zu Hause, was ja sein muss, weil der gemeine Deutsche selten nach Winterthur reist... Nur Minuten dauern die erst gebratenen, dann gedämpften Teigteilchen namens gyoza, die klassische Misosuppe mit eingelegtem Gemüse, unenthülste Sojabohnen, die edamame, mit denen sich das Gegenüber überaus anregend anfüttern lässt, der simpelste marinierte Lachssalat und Sashimi von kurz angebratenem Rinderfilet. Im Englischen wird dazu Gemüsesalat serviert, in der ansonsten bekömmlichen Übersetzung leider die teutsche Variante "Rohkost". Kein Asiate, der von Ernährung Ahnung hat, isst so ein unbekömmliches Raspelzeug. Hauchfein aufgeschnittenes Gemüse, das in Eiswasser knackig gemacht wird und etwas ruhen darf, natürlich schon.

Es wird mit Sake und Tofu hantiert, mit Sojasprossen, Algen, Makrele und Entenbrust, aber auch mit Bambus aus der Dose, Hähnchenbrust und Schweinefleisch. Die Rezepte orientieren sich an unserem Alltag  und netterweise auch an unserem mittlerweile weniger prall gefüllten Geldbeutel. Sie gehen fix und setzen keine riesige Logistik voraus. Selbst ein Wok, so findet Hugo Arnold, ist zwar nett, aber nicht Voraussetzung – und mit Messer und Gabel stat Stäbchen schmeckt es auch.

Fazit: Ein Kochbuch für viele. Wer abnehmen oder nicht mehr zunehmen will – mit diesen Gerichten klappt es. Wer Abwechslung sucht – hier gegeben. Wer schnell mal was kochen will – auf dem Heimweg nach einem Stresstag im Job im Supermarkt einkaufen gehen, das sollte klappen. Wer nörgelnde Teenager zu bedienen hat – einfach mit den vielen coolen Fotos und Reportagen im Kochbuch locken.

Die hohe japanische Kochkunst ist dieses Kochbuch nicht, will es nicht sein. Und auch für diese korrekte Selbsteinschätzung gibt es Punkte.

Nur eine Sache stört: Die Mengenangaben. Irgendwann begannen englische Kochbuchautoren damit, ihre nicht-metrischen Einheiten umzurechnen mit dem Ergebnis, dass beispielsweise aus 4 ounces Babyspinat für 4 Personen 110 g Babyspinat werden. Das ist zwar rechnerisch korrekt, jedoch nur im elBulli wirklich wichtig, erst recht, wenn im gleichen Rezept „eine große Hand voll“ als weitere Maßeinheit steht. Liebe Verlage: Bitte erklären Sie den englischen Kollegen, wie albern so etwas aussieht, das verstehen die auch. 

 

Dieses Buch in der englischen Originalausgabe kaufen

 

Rezensent

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.

gugetzer@kochmonster.de
www.kochmonster.de