Bœuf Stroganoff mit Erzgebirger Wickelklößen

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

Bœuf Stroganoff mit Erzgebirger Wickelklößen

In Moskau ist es als „Gowjadina Stroganov“ einer der absoluten Gastro-Hits des Landes, und auch in vielen „internationalen“ Speisekarten der Welt wird es angeboten, manchmal mit „w“, oft auch mit „ff“ am Ende. Dieser Rindfleischklassiker ist nach der Nowgoroder Kaufmannsfamilie Stroganoff benannt. Graf Grigorij Alexandrowitsch Stroganoff (1774-1857) und Graf Sergej Grigorjewitsch Stroganow, der 1923 im Pariser Exil starb, wurden für ihre Verdienste um die kommerzielle Erschließung Sibiriens in den Adelsstand erhoben und mit einem eigenen Speisenamen geehrt.

 

Die kulinarische Herkunft dieses Gerichts ist allerdings ungeklärt – angeblich wurde damit ein Kochwettbewerb Ende des 19. Jahrhunderts in Sankt Petersburg gewonnen. Erstmals schriftlich rezeptiert wurde es 1903 von Auguste Escoffier im „Guide Culinaire“. Für Bœuf Stroganoff gibt es inzwischen unzählige Rezepte, in denen aber zwei Dinge stets gleich sind: Erstens wird gut abgehangenes Rinderfilet benutzt, das heute aber bei Verfügbarkeit problemlos durch ein mehrere Wochen gereiftes Rückenfilet südamerikanischer Herkunft substituiert werden kann (kostet mal eben 20 Euro pro Kilo weniger), vor allem, wenn das Fleisch nach dem Aufschneiden – wie in unserem Rezept – über Nacht in Weißwein mariniert wird.

 

Zweitens gelingen alle Zubereitungsanleitungen, so sehr sie sich in anderen Details unterscheiden mögen, nur, wenn das Fleisch keine Sekunde zu lang gebraten wird. Und weil dieses Fleisch sofort zäh werden würde, wenn wir es nach dem Anbraten lange in der Soße vor sich hin köcheln lassen, bereiten wir nacheinander in der selben Pfanne die einzelnen Rezeptbestandteile zu und schütten diese erst nach dem Fleischbraten wieder zum endgültigen Gericht zusammen. Bœuf Stroganoff hat ähnlich wie fränkischer Sauerbraten (im Gegensatz zum deutlich süßer abgeschmeckten rheinischen) oder Linseneintopf mit geräuchertem Rindfleisch eine so klar hervorstechende, in ihrer Strenge fast schon ein wenig an Wild-Hautgout-Geschmack errindernde Grundsäure, die nicht jeder Feinschmecker mag.

 

Unser Rezept verzichtet komplett auf Zugabe jeglicher Süßungsmittel, selbst für die finale Bindung wird Sauerrahm statt Sahne eingesetzt. Da wir beim Marinieren aber einen trockenen, eher säurearmen Weißwein benutzen und weder Essig noch Zitronensaft zusetzen, muss kein Esser sauertöpfig die Schnute zusammenziehen. Wer sich nicht sicher ist, wie die Gäste auf diesen Geschmack reagieren, kann sie das Gericht kurz vor dem Servieren in der Küche kosten lassen und notfalls mit etwas Worcestershiresauce und Zucker nachjustieren.

© 2012 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 45 Minuten
Zubereitungszeit: 1 Stunde
Level: chef de partie
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

Bœuf Stroganoff
600 g Rinderfilet, pariert
1 Stück Karotte, sehr dick
2 Stück Zwiebel, weiss
3 Stück Schalotten
1 EL Pfefferkörner
1 EL Thymian-Blättchen, frisch
1 Stück Lorbeerblatt
750 ml Weißwein, trocken
50 ml Wodka
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle
250 g Saure Sahne
1 EL Senf, grobkörnig
1 Spritzer Worcestershire-Sauce
4 EL Pflanzenöl
300 g Champignons, braun
150 ml Kalbsfond
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle
3 Stück Cornichons
1 Stück Strauchtomaten, reife
3 Stück Schalotte, rot
Wickelklöße
500 g Kartoffeln, mehlig
2 Stück Eier
2 TL Speisestärke
1 EL Mehl
0,5 TL Muskatnuss, frisch gerieben
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle
150 g Bauchspeck, geräuchert, aus Tirol
4 EL Schalottenbrunoise
2 EL Petersilie, glatt, fein gehackt
2 EL Butter

Wein-Tipp

Château Belá Riesling by Egon Müller 2012

 

Den Château Belá Riesling vinifiziert Egon Müller in der Slowakei nahe der ungarischen Grenze mit der gleichen Kompromisslosigkeit wie seine Rieslinge an Mosel und Saar. Mit zartem Zitrusgelb und feinen grünen Reflexen kommt der Wein ins Glas. Die Nase zeigt sich zuerst einmal mit klassisch aristokratischer Rieslingfrucht. Kühl und ungemein mineralisch flutet der Château Belá Riesling by Egon Müller an. Zitrusaromen, frischer Pfirsich und etwas Aprikosen dominieren. Durchaus anfangs noch etwas verschlossen, öffnet sich der Wein mit jeder Minute mehr und mehr. Am Gaumen ist der Château Belá Riesling by Egon Müller erst einmal absolut trocken. Keine zarte Mosel-Restsüße findet sich hier. Kraftvoll und mineralisch springt er auf der Zunge umher. Die Fruchtsäure ist jung und vital. Eine zartbittere Note sorgt für noch mehr Tiefe. Die Frucht hält sich immer vornehm im Hintergrund. Ein toller Riesling, der in den nächsten Jahren eine spannende Entwicklung vollziehen wird. Erstklassiger Essensbegleiter.

 

Musik-Tipp

Klassiker modern interpretiert – das ist auch das Markenzeichen der Hamburger Formation Spherical, die einst als Trip-Hopper begann, mit der soluigen, an Jill Scott erinnernden Stimme ihrer Sängerin Claudia Valtierra auf dem aktuellen Album „Diggin Deeper“ (wavemusic) aber längst als stilsichere Grenzgänger zwischen Jazzpop, Funk und Electro unterwegs ist.

Zubereitung

Bœuf Stroganoff

Am besten mit den Vorbereitungen am Vortag beginnen. Filet längs teilen

 

 

und in sehr dünne Halbmond-Scheiben schneiden.

 

 

Möhre, Zwiebeln und Schalotten schälen, in feine Ringe schneiden. Zusammen mit dem Fleisch, Pfeffer, Thymian und dem zerbröselten Lorbeerblatt

 

 

mit dem Wein vermischen,

 

 

zugedeckt an kaltem Ort mindestens 12 Stunden marinieren.

 

Fleisch aus dem Sud sortieren und auf Krepp abtrocknen (es dürfen ein paar Zwiebelreste am Fleisch bleiben, aber keine Pfefferkörner)

 

 

und bereit halten.

 

 

Gemüse durch ein Sieb abseihen, bereit halten.

 

 

Marinade langsam aufkochen und das aufsteigende Eiweiß mit Schaumlöffel (oder kleinem Sieb) entfernen. Marinade bereit halten.

 

 

Gemüse in 1 El Öl in Pfanne anschwitzen,

 

 

nach 5 Min. Marinade zugeben und weitere 3 Min dünsten.

 

 

Erneut passieren (Gemüse wird nun nicht mehr benötigt), Flüssigkeit auffangen.

 

 

Champignons blättrig schneiden

 

 

und in dem Fond bei geschlossenem Deckel und mittlerer Hitze in Pfanne 10 Min. dünsten,

 

 

würzen, bereit halten.

 

Cornichons  in Julienne schneiden. Tomate häuten (aber nicht entkernen) und in feine Würfelchen schneiden. Schalotten häuten und in dünne Scheibchen schneiden.

 

 

Alles in 1 El Öl kurz in der Pfanne anbraten,

 

 

mit der Marinadenflüssigkeit vermischen und neben dem Herd bereithalten.

 

 

Restliches Öl in einer sehr großen Pfanne bis kurz vor dem Rauchpunkt erhitzen und das Fleisch in 2 Portionen nacheinander anrösten. Das sollte pro Portion nicht länger als 45 Sekunden dauern. Wodka erhitzen, alles Fleisch in die Pfanne geben, Wodka anzünden und das Fleisch damit flambieren.

 

 

Champignons samt Flüssigkeit und die Sauce mit den Cornichons zugeben, 10 Sek. unter Rühren aufkochen (nicht länger, sonst wird das Fleisch zäh!), Hitze verringern, Senf und Sauerrahm einrühren (darf nun nicht mehr aufkochen, rasch servieren!).

 

 

Erst jetzt mit Salz, Pfeffer, Worcestershiresauce und evtl. etwas Zucker abschmecken – das Gericht sollte eine straffe Säurenote aufweisen.




Wickelklöße

 

Wickelklöße sind eine Spezialität im Erzgebirge und in Thüringen, wo allerdings in einigen Regionen der Basisteig nicht wie sonst aus in der Schale gebackenen, ausgehöhlten und gepressten Kartoffeln hergestellt wird, sondern eine Art Nudelteig zum Einsatz kommt. Wir haben das Kartoffelwickelkonzept noch ein bisschen verfeinert, indem wir nicht die Klöße von der Rolle schneiden und nackig ins kochende Salzwasser geben, sondern die Rolle in Folie verpackt ähnlich wie bei böhmischen Knödeln ohne direkten Wasserkontakt garziehen und vor dem Servieren aufgeschnitten in Butter goldgelb ausbraten.

 

Wenn die Wickelklöße nicht Beilage sind und statt dessen als Haupt-Komponente nur mit einem Grünen Salat begleitet werden, kann der Kartoffelteig (wie in Thüringen üblich) mit zerlassener Butter bestrichen und mit Semmelbröseln zusätzlich zu Speck, Zwiebeln und Petersilie bestreut werden.

 

Kartoffeln waschen und auf Grillrost im Backofen bei 200 Grad (keine Umluft) 40 Minuten garen.

 

 

In dieser Zeit den Speck in feine Scheiben und danach in dünne Stifte schneiden, Schalotten häuten und in Brunoise schneiden. Speck bei mittlerer Hitze langsam in beschichteter Pfanne auslassen, Schalotten zugeben und hellbraun anbraten. Bereit halten.

 

 

Kartoffeln etwas abkühlen lassen. Mittig durchschneiden und Inneres mit Löffel herauskratzen.

 

 

Diese Masse durch eine Kartoffelpresse in eine Rührschüssel drücken.

 

 

Mit Eiern, Salz und Pfeffer, Muskat, Stärke und Mehl

 

 

zu einem glatten Teig kneten (Tipp: Hände anfeuchten).

 

 

Auf der Arbeitsfläche erst einen großen Bogen Alufolie, darüber zwei an den Rändern überlappende Rechtecke Küchenfolie glatt streichen. Teig auflegen und mit den Händen zu einem ca. 1 cm dicken Rechteck drücken. Mit befeuchteten Händen (oder Nudelholz) glatt streichen.

 

 

Speck-Zwiebel-Mischung und Petersilie gleichmäßig verteilen.

 

 

Am vorderen Rand den Teig mit Hilfe der Plastikfolie anheben und einrollen,

 

 

bis eine feste Rolle entsteht.

 

 

Sollte dieser Zylinder zu breit für den Kochtopf sein, einfach mittig teilen. Zuerst in Küchenfolie straff einwickeln und die Ränder wie bei einem Bonbon zudrehen. Danach straff in Alufolie einwickeln und ebenfalls die Ränder verschließen.

 

 

In einen Topf mit leicht siedendem (aber nicht kochendem) Wasser geben und 20 Min. ziehen lassen.

 

 

Rollen auspacken, in ca. 4 cm dicke Teile schneiden (Tipp: Messer mit dünner Klinge verwenden, vor dem Schneiden immer wieder anfeuchten)

 

 

und in der Butter in Pfanne bei mittlerer Hitze auf beiden Seiten goldbraun braten.

 

Anrichten

Bœuf Stroganoff in tiefe, gut vorgeheizte Teller verteilen (z.B. große Pastateller) je 2-3 Wickelklöße aufsetzen und evtl. vor dem Servieren mit etwas Petersilie garnieren.

 

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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