Kalbsfrikassee

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

Kalbsfrikassee

Wichtig für ein perfektes Kalbsfrikassee ist neben der absoluten Frische und Qualität der Zutaten – wir nehmen hier fast ausschließlich Bioware – vor allem der Zuschnitt und die sorgfältige Temperaturwahl. Das Fleisch sollte auf jeden Fall deutlich kleiner als zum Beispiel für ein Gulasch geschnitten sein, die ideale Würfelgröße liegt bei 1,0 bis 1,5 Zentimeter, während die mit dem Fleisch in Butter angedünsteten Zwiebelwürfel nur maximal halb so groß sein sollten. Die Wurzeln müssen sogar in winzigste Brunoise geschnitten werden.

© 2011 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 45 Minuten
Zubereitungszeit: 60 Minuten
Level: chef de partie
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

Kalbsfrikassee
600 g Kalbfleisch
3 Stück Zwiebel, weiss
30 g Butter
2 TL Mehl
100 ml Sherry Manzanilla Pasada de Sanlucar
300 ml Kalbsfond
4 EL Pastinake
1 EL Fenchel-Brunoise
4 EL Knollenselleriebrunoise
2 EL Petersilienwurzel
1 EL Frühlingslauchröllchen
150 g Champignons. weiss
1 Stück Bouqet garni
1 Prise Pfeffer, weiss aus der Mühle
1 TL Meersalz, fein
250 g Crème fraîche
200 g Sahne
1 Stück Eigelb
2 EL Petersilie, kraus
Gemüsereis
150 g Basmatireis
4 EL Gelbe Rübe
1 EL Schnittlauchröllchen

Wein-Tipp

2011er Weedenbornhof Sauvignon Blanc trocken

 

Während der Weinmesse Prowein, der größten Weinmesse der Welt waren wir 3 Tage lang unterwegs und haben über 60 verschiedene Sauvignon Blanc aus aller Welt verkostet. Wir haben zwar in der Vergangenheit bereits große Deutsche Sauvignon Blanc Weißweine im Glas gehabt, aber bis dato dachten wir immer noch die besten Sauvignon Blanc kommen aus Übersee; wie Neuseeland oder Südafrika.

 

Mit dem "einfachen" Weedenbornhof Sauvignon Blanc hat sich dieses Bild gen Deutschland gerückt. Nachdem ja bereits landein landaus bekannt ist, dass die besten Rieslinge aus Deutschland kommen, sagen wir: „die besten Sauvignon Blanc Weine der Welt kommen auch aus Deutschland“! Dem hier genannten Weedenbornhof Sauvignon Blanc vergeben wir 95+ Punkte und dies ist wie bereits geschildert der "Einstiegs"-Sauvignon Blanc von Gesine und Markus Roll.

 

Der 2011er Sauvignon Blanc Weedenbornhof hat eine goldgelbe Farbe mit grünen und brillanten Reflexen. Er leuchtet klar und satt im Glas. Die Aromatik dieses Weines offenbart sich bereits beim Öffnen der Flasche - der Sauvignon Blanc gehört einfach nicht hinter Glas - er will in die Nase, auf die Zunge, in den Gaumen! Der erste Hauch welcher einem entgegenkommt packt Sie und nimmt Sie mit auf eine Südseeinsel gefüllt mit tropischen Früchten, mineralischen Aromen, einem Hauch Meersalz und überall um Sie herum wird getanzt. Die Nase umschmeichelt elegant und lässt Ihren Riechmuskel Samba, Walzer und Tango tanzen. Kokos, Papaya, Maracuja, Pampelmuse, einfach alle tropischen Früchte befinden sich im Glas - unmöglich das Alles zu beschreiben - Wahnsinn aus der Flasche. Am Gaumen dann tanzen die Aromen eine elegante Rumba. Dieser Sauvignon Blanc vom Weedenbornhof ist saftig, harmonisch ohne Vergleiche, cremig, würzig, weich mit mineralischen, schmelzigen Aromen. Der Abgang lässt uns unser Haupt vor Anmut und Hochachtung senken während wir immer noch einen Gegenstand suchen um uns von der ganzen Tanzerei festzuhalten. Betrachtet man alle Sauvignon Blanc in unserem Sortiment und stellt diese auf eine Treppe, wobei die Besten oben und die Schlechten unten stehen, so befinden sich eigentlich alle sehr weit oben und sind damit bereits absolute Spitzenweine. Der Sauvignon Blanc trocken vom Weedenbornhof jedoch schwebt über der Treppe. Chapeau! Gesine und Markus Roll!

 

Musik-Tipp

Mit zwölf veröffentlichten Alben ist der Singer/Songwriter Ryan Adams ein ähnlich unterschätzter Klassiker wie unser Kalbsfrikassee. Drei Songs auf seiner aktuellen CD "Ashes & Fire" (Sony) geben sogar die Möglichkeit, in der Küche gemeinsam mit Jazzpop-Superstar Norah Jones zu singen – die trällert nämlich bei Adams im Background-Chor mit.

Zubereitung

Kochkonzept & Theorie

 

Um ein „perfektes“ Kalbsfrikassee zuzubereiten, lohnt es sich, den Zutaten und der Zubereitung ein paar Gedanken angedeihen zu lassen. Zunächst könnte man ein Kochziel definieren: Das Frikassee sollte am Ende sehr hell, aber nicht unbedingt reinweiß aussehen, das Fleisch zart und die Bindegewebsanteile unflachsig, aber alles in allem nicht zerfallen sein. Der Gesamtgeschmack sollte ausgewogen fleischig mit nicht zu starker Süße wirken, begleitet von einem cremig-soften Mundgefühl der Sauce, die ihrerseits dennoch eine klare Frische und leichte Säure aufweisen sollte.

 

Das alles lässt sich kochen, und es ist gar nicht so kompliziert, wie unser heutiges Rezept zeigt. Wichtig ist neben der absoluten Frische und Qualität der Zutaten – wir nahmen hier fast ausschließlich Bioware – vor allem der Zuschnitt und die sorgfältige Temperaturwahl. Das Fleisch sollte auf jeden Fall deutlich kleiner als zum Beispiel für ein Gulasch (im Foto links) geschnitten sein, die ideale Würfelgröße liegt bei 1,0 bis 1,5 Zentimeter (r.), während die mit dem Fleisch in Butter angedünsteten Zwiebelwürfel nur maximal halb so groß sein sollten.

 

 

Die Vielfalt der Wurzeln (mit Fenchel, Sellerie, Petersilienwurzel, Pastinake und dem weißen Teil der Frühlingszwiebel allesamt weiße Sorten) hätte bei normalem Mirepoix-Zuschnitt in einem Frikassee nichts zu suchen, schließlich wollen wir keinen Pichelsteiner kochen. Weil das Gemüse bei unserem Konzept aber einerseits für leichte Süße und Wärme im Basisgeschmack des Gerichtes, zugleich aber auch für mehr Druck in der Sauce sorgt, bieten sie quasi Ersatz für die durch das zarte Dünsten statt des scharfen Anbratens des Fleisches nicht zur Verfügung stehenden Maillard-Aromen.

 

Hierfür aber muss man sich die Arbeit machen, die Wurzeln zunächst auf einem Hobel in feine Scheibchen zu schneiden, danach mit einem sehr scharfen Messer in hauchdünne Julienne-Streifen und am Ende in winzige Brunoise-Würfelchen. Dies verlängert die Vorbereitungszeit für das Gericht um etwa 15 bis 20 Minuten, ist aber Garant für ein so noch nie geschmecktes Frikasseevergnügen.

 

Gib dem Fleisch Saures!

 

Für einen satten Fleischgeschmack im Endprodukt greifen wir auf einen anderen Hochküchentrick zurück. Statt des sonst eingesetzten Weißweines konterkarieren wir die Süße der mitgegarten Wurzeln mit einem sehr speziellen Sherry, der bereits im Ansatz zu Fleisch und Zwiebeln kommt. Der brutal trockene, leicht salzige und pur kaum trinkbare Manzanilla Pasada Sherry ist nicht nur eine seltene Sorte, die ausschließlich aus den Trauben der Reben rings um das Dorf Sanlúcar de Barrameda in der Jerez-Gegend hergestellt und durch einen gesteuerten Oxidationsprozess geschmacklich zugespitzt wird – in der Vielschichtigkeit seines Säurespiels erspart er sogar das Zugeben der sonst dafür benutzten Worcestershire Sauce.

 

Und das mit gleich dreifacher Wirkung: Die starke Säure des Sherrys setzt einen Teil der in dem Fleisch enthaltenen gebundenen natürlichen Glutamine frei, was jegliche Zugabe von künstlichen Geschmacksverstärkern erübrigt. Als Komponente des Ansatzes verankert er zweitens einen schönen Weinton der Palomino Fino-Traubensorte in der Tiefe des Saucengeschmackes. Und drittens erspart er durch seine Mineralität das Zugeben von Salz im gesamten Kochvorgang bis kurz vor dem finalen Abschmecken, ohne dabei das Fleisch durch das osmotische Gefälle des normalerweise früher eingesetzten Salzes an der Abgabe von Aromastoffen in die Sauce zu hindern – Fleischbrühen werden deswegen ja auch zunächst komplett salzfrei angesetzt.

 

Die Bindung schließlich geschieht mit Sahne und französischer Crème fraîche, die deutlich viskoser auskocht als deutsche Produkte, sowie klassisch mit einem am Ende eingerührten Eigelb.

Praxis: Kalbsfikassee

 

Fleisch parieren und in maximal 1 cm kleine Würfelchen schneiden. Zwiebeln schälen und in feine Würfelchen schneiden.

 

 

Fleisch und Zwiebeln in großer Kasserolle oder Fleischtopf 5 Min. bei mittlerer Hitze leicht andünsten, ohne Farbe anzunehmen.

 

 

Die Hälfte des Mehls unterheben, Bouquet garni  dazu geben, mit dem Sherry ablöschen. Zur Hälfte reduzieren. Fond zugießen, bei niedriger Temperatur 10 Min. simmern lassen.

 

 

Alle Wurzeln in Brunoise (wichtig: so klein wie möglich ) schneiden...

 

 

...unterheben, Temperatur leicht erhöhen, weitere 30 Min. simmern lassen, dabei öfter umrühren.

 

 

Bouquet garni entfernen. Champignons bättrig schneiden...

 

 

...und zusammen mit der Crème fraîcheund Sahne unterheben.

 

 

Restliches Mehl einsieben und weitere 10 Min. bei stetigem Rühren köcheln.

 

 

4 El Flüssigkeit abnehmen, leicht abkühlen lassen. Eigelb mit Schneebesen unterrühren.

 

 

Diese Mischung unter das Frikassee rühren. Ab jetzt nicht mehr aufkochen, sondern bei mittlerer Temperatur auf die gewünschte Sämigkeit reduzieren.

 

 

Am Ende mit weißem Pfeffer, Salz (evtl. etwas mehr als 1 Tl) und einem Spritzer Manzanilla Pasada Sherry abschmecken.

Gemüsereis

Basmati so lange in Sieb abbrausen, bis unten klares Wasser herausläuft. In Salzwasser bissfest garen, mit den rohen Karottenbrunoise

 

 

und dem Schnittlauch vermengen.

 

 

 

 

Anrichten

Reis in 4 Halbkugelformen pressen, auf gut vorgeheizte Teller stürzen, mit den Schnittlauchröllchen garnieren.

 

 

Restlichen Reis a partservieren. Je Teller 2-3 Schöpfkellen Frikassee auflegen, mit der sehr fein gehackten krausen Petersilie garnieren, sofort servieren.

 

 

Restliches Frikassee getrennt anbieten.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
www.kochtext.de