Calamarata All’Amatriciana

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

Calamarata All’Amatriciana

Kochen für den Weltfrieden? Ganz so hoch wollen wir nicht greifen, unterstützen aber gern die Aktion des Slow Food-Gründers Carlo Petrini: Hobbyköche im Ganzen Land – bringt zugunsten der italienischen Erdbebenopfer einen Teller Pasta All'Amatriciana auf den Tisch!

 

 

Was tun, wenn Emmerich-Katastrophenfilmszenarien tragische Wirklichkeit werden? Wenn halb Frankfurt vom Main weggerissen wird, Kassel in einem Erdloch verschwindet, Nürnberg unter den Trümmern seiner Burg begraben oder der Spreewald umgeknickt ist? Wenn nach Wochen der Ersthilfe dann wieder neue Themen in den Schlagzeilen stehen, die Opfer aber weiter leiden? Ganz einfach: Essen und spenden.

 

Zum Beispiel, indem Hunderte Gaststätten im ganzen Land Frankfurter Würstchen, Kasseler Rippchen, Nürnberger Bratwürste und Spreewaldgurken auf die Speisekarte nehmen und ein Jahr lang pro verkauftem Teller zwei Euro für den Wiederaufbau spenden. Gewagter Ansatz? Nicht in Italien: Schon zwei Wochen nach dem verheerenden Beben in Amatrice bieten Hunderte Restaurants auf der ganzen Welt den nach dem Ort benannten Pasta-Klassiker „All'Amatriciana“ als Solidaritätsspeise an.

 

Die Globalität und Geschwindigkeit dieser Aktion kann nur den überraschen, der die fortgeschrittene Internationalisierung der ursprünglich in Italien gegründeten Besseresserorganisation Slow Food nicht registriert hat. Noch am Tage de Bebens startete Slow Food-Gründer Carlo Petrini die Initiative „Eine Zukunft für Amatrice“ (#unfuturoperamatrice) und forderte „die Restaurantbetreiber der ganzen Welt auf, das Gericht der Pasta All’Amatriciana mindestens ein Jahr lang in ihre Speisekarten aufzunehmen und einen kleinen Teil des Erlöses an die vom Erdbeben betroffene Stadt zu spenden.“

 

Petrini und seine Organisation möchten „mittels dieses Gerichts, das gastronomisches Wahrzeichen von Amatrice ist, die Werte der Solidarität und Gemeinschaftlichkeit verbreiten, die prägend für die bäuerliche Kultur dieser Gemeinde sind. Wir hoffen, dadurch eine längerfristige Wirkung zu schaffen, die über die erste emotionale Anteilnahme hinausgeht. Überwinden wir die Notsituation und beginnen wir bereits heute mit dem Wiederaufbau! Wer diese Tragödie miterlebt hat, muss die Möglichkeit bekommen, so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukehren; die Hilfe muss konstant und dauerhaft sein.“

 

Das Netzwerk reagierte schnell: Keine zwei Wochen nach dem Aufruf haben sich bereits Hunderte Restaurants auf der Slow Food-Liste eingetragen – die meisten naturgemäß aus Italien, aber auch Lokale in Argentinien, Spanien, China, Australien, Thailand, USA, England, Taiwan, Chile oder Tschechien. Deutschland mit seinen unzähligen italienischen Restaurants stellt aber erst beschämende fünf Einträge (aus Gmund, Westerburg, Hamburg, Düsseldorf und Heidelberg) – da ist noch viel Luft nach oben. Also, liebe Gastronomen zwischen „Casa di Roma“ und „Restaurante Adria“: Nehmt dieses einfache Nudelgericht auf die Karte, meldet Euch bei unfuturoperamatrice@slowfood.it an und überweist pro verkauftem Gericht einen kleinen Betrag zum Wiederaufbau des mittelitalienischen Dorfes auf das Spendenkonto*.

 

Für den Fall, dass Euer Koch das Rezept gerade nicht parat hat, haben wir es einfach mal gekocht. Und nachgerechnet: Selbst wenn Ihr für die Zutaten jeweils das Beste hernehmt, was es auf dem Markt gibt, hat Ihr pro Couvert einen Wareneinsatz von deutlich unter drei Euro – genug kalkulatorischer Spielraum für einen Tellerpreis von 8,50 Euro inklusive zwei Taler an die Opfer.

 

Das funktioniert sogar, wenn man eine richtig hochwertige Nudelsorte benutzt. Wir verwenden als Pasta zu dieser leckeren Armeleute-Sauce die eher im Süden Italiens verbreitete Form „Calamarata“, die wegen ihrer optischen Ähnlichkeit zu Calamari-Ringen (daher auch der Name) gern mit Tintenfisch-Oliven-Petersilie-Begleitung serviert wird, aber auch oft die Sättigungsbasis von fruchtbetonte Sugos wie Melanzane, Basilico, Funghi, Arrabbiata oder Puttanesca bildet.

 

Aber auch andere Hartweizen-Nudelformen wie Penne, Bucantini, Paccheri oder Tortiglioni passen sehr gut zur Amatriciana – solange es sich nicht um Industrie-Pasta mit glatter Oberfläche handelt. Gerade die einfacheren Sugos brauchen Pasta mit möglichst porösen Flächen, um von der Nudel gut aufgenommen zu werden. Angesichts der preiswerten Saucenzutaten lohnt es sich hier also, auf Pasta zurückzugreifen, die in kleinen (oft apulischen) Manufakturen aus Hartweizen und Quellwasser mit Hilfe grober Pressformen aus Bronze hergestellt werden.

 

Das kann dann schon mal vier Euro pro Pfund kosten – aber davon werden ja auch vier Menschen satt. Und es bleiben sicher noch zwei Euro pro Esser als Spende für die Erdbebenopfer, oder?

 

* Spendenkonto: IT 28 M 08327 73470 000000006000; Verwendungszweck: Eine Zukunft für Amatrice

 

© 2016 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 5 Minuten
Zubereitungszeit: 15 Minuten
Level: apprenti cuisine
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

6 EL Olivenöl , kaltgepresstes, natives
300 g Guanciale
1 Peperoncini, rot, fein geschnitten
200 g Zwiebel
800 g Tomaten, geschälte (aus der Dose)
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle
1 Prise Zucker
1 handvoll Petersilie, geschnitten
100 g Pecorino, gereift
500 g Calamarata-Hartweizennudeln

Wein-Tipp

Ziggurat Montefalco Rosso DOC 2011

 

 

In Ermangelung auch nur halbwegs trinkbarer Rotweine aus der Region, in der Amatrice liegt (Latium), griffen wir zu einem Roten aus der direkten Nachbarschaft Umbrien: Der Ziggurat Montefalco Rosso DOC 2011 von der Tenuta Castelbuono schafft mit der Cuvée aus 70% Sangiovese, 15% Cabernet Sauvignon und Merlot, 15% Sagrantino eine ausgewogene, frische Eleganz, die das doch recht einfach gestrickte Nudelgericht umarmt, aber nicht dominiert.

Musik-Tipp

Angesichts des traurigen Themas, zu dem wir in der Küche stehen, wollen wir dort auch keine Unterhaltungsmusik beim Kochen hören, sondern lauschen den Assoziationen des in München lebenden Komponisten Arash Safaian über das Werk von Johann Sebastian Bach, eingespielt in der ungewöhnlichen Besetzung mit Sebastian Knauer am Klavier, dem Zürcher Kammerorchester und dem Luxemburger Vibraphonisten Pascal Schumacher. Auf „Überbach“ (Berlin Classics) erklingt also Bach, ohne von Bach selbst zu stammen – modernisiert auch ganz unten: Der bei J.S. von den tiefen Orgelregistern übernommene Basso Continuo wird nun von einem Synthesizer generiert.

Zubereitung

Schweinebacke oder Pancetta in dünne Scheiben und dann in feine Streifchen schneiden.

 

 

Zwiebel in dünne Scheiben schneiden, Peperoni fein würfeln.

 

 

Alles in großer Pfanne mit 4 EL Öl anschwitzen und dünsten, bis Speck und Zwiebeln goldgelb sind. Tomatenfilets aus der Dose nehmen und grob hacken. In die Pfanne geben und 5 Min. leise simmern. Restlichen Doseninhalt einrühren, 10 Min. köcheln lassen, evtl. noch etwas Wasser in die Dose schütten und zugeben.

 

 

Am Ende mit Salz, Pfeffer und Zucker abschmecken.

Anrichten

Pasta

 

 

al dente kochen, in Sieb abtropfen lassen, auf vier tiefe vorgeheizte Teller verteilen. Sugo verteilen, restliches Olivenöl auftröpfeln. Pecorino hauchdünn hobeln

 

 

und zusammen mit der Petersilie verteilen. Nach Belieben noch etwas frischen Pfeffer über die Teller mahlen und sofort servieren.

 

 

Info Slow Food

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
www.kochtext.de