Feuer | Wasser | Luft | Erde

Warme Vorspeise oder Zwischengericht für 4 Personen von Peter Wagner

Feuer | Wasser | Luft | Erde

Die vier Elemente verteilen sich auf Grillglut, Jakobsmuscheln, Räucherqualm und den erdigen Grundton der hier benutzen Sommertrüffel (tuber aestivum), die von Juli bis Oktober gehandelt werden – womit sich in den Sommermonaten bei diesem Rezept der Trüffel-Wareneinsatz mit etwa sechs bis acht Euro pro Esser halbwegs in Grenzen halten lässt.

 

In diesem Kontext ist es sogar erwünscht, dass die Trüffelnote nicht so dominant hervorsticht wie beim winterlichen Alba oder Périgord: Das zarte, leicht pilzige Aroma umhüllt perfekt den feinen, zurückhaltenden Geschmack des Muschelfleisches, umrahmt von dem auf offenem Feuer leicht angeräucherten Risotto von sardischen gerösteten Nudelkügelchen („Fregola“).

 

© 2013 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 20 Minuten
Zubereitungszeit: 35 Minuten
Level: sous chef
Zubereitungsart: mise en place

Zutaten

Geräuchertes Fregola-Risotto
200 g Fregola
3 EL Olivenöl
4 EL Zwiebel, rot, fein gehackt
100 ml Weißwein, trocken
400 ml Geflügelfond
4 EL Karottenbrunoise
4 EL Selleriebrunoise (Knollensellerie)
2 EL Tomatenfilets, getrocknet
1 handvoll Räucherholzspäne
150 g Sahne
3 EL Kerbel, frisch
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle
Jakobsmuscheln
8 Stück Jakobsmuschelfleisch
1 EL Haselnussöl
0,5 TL Piment D' Espelette
0,5 TL Meersalz, fein
2 EL Pflanzenöl
1 EL Butter
1 Stück Knoblauchzehe
Sommertrüffelsauce & Garnitur
80 g Sommertrüffel (tuber aestivum), frisch
1 EL Trüffelbutter, weiss
1 EL Butter
50 ml Madeira
200 ml Geflügelfond
100 g Creme Double
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle
1 Spritzer Zitronensaft, frisch gepresst
12 Stück Kerbelspitzen

Wein-Tipp

Markus Molitor "Wehlener Klosterberg" Riesling Kabinett trocken 2011

 

Der Wehlener Klosterberg ist die Hauslage von Markus Molitor, oberhalb des Weingutes gelegen rechts und links davon steil aufsteigend. Ein leichter bis mittelschwerer steiniger Schieferverwitterungsboden mit beträchtlichem Eisenanteil zeichnet die Lage aus. Daher entstehen in der Lage Wehlener Klosterberg mineralische und langlebige Weine mit Frucht und lebhaften Säurespiel. Feine Aromen nach Grapefruit, grünem Apfel, Karambole und weissem Pfirsich begleiten den Markus Molitor Riesling Wehlener Klosterberg Kabinett trocken. Am Gaumen dann eine rassige Säure, Feuerstein, saftige Nuancen animierend aber dennoch leicht und elegant. Begeisternd am Markus Molitor Riesling Wehlener Klosterberg Kabinett der stark mineralgeprägte Nachhall.

 

Bewertung & Awards

Wine Spectator: 90 Punkte für 2011

Eichelmann 2013: 88 Punkte für 2011

Wine Enthusiast: 91 Punkte für 2010

Robert Parker: 89 Punkte für 2010

 

Weinerzeugung

Die Trauben des Markus Molitor Riesling Wehlener Klosterberg Kabinett trocken wurden Anfang November gelesen. Makelloses Traubengut wurde sanft gemahlen und mehrere Stunden auf den aroma- und mineralstoffreichen Beerenschalen mazeriert. Danach wurde der Most dieses Markus Molitor Riesling Wehlener Klosterber langsam und kühl spontan vergoren, so dass sich die facettenreichen, fruchtigen Aromen des Weins voll entwickeln konnten. Schonender Ausbau im großen Holzfass mit langem Hefelager folgte der Vergärung, so dass sich dieser perfekt ausbalancierte Markus Molitor Riesling Wehlener Klosterberg Kabinett entwickeln konnte.

 

 

Musik-Tipp

Jakobsmuscheln, Trüffel, mildes Räucheraroma: wer da „Mainstream“ ruft, hat völlig recht, weswegen wir beim Kochen einfach mal der zarten Stimme des Grammy-Mehrfachgewinners John Mayer lauschen, wie der Popstar unter den Singer/Songwritern Amerikas den von Don Was wunderschön geschmackvoll und nur selten ins Kitschige abgleitenden Liedern auf der neuen CD „Paradise Valley“ (Sony) Seele einhaucht. Dabeii darf es schon mal persönlich werden: Die Single „Paper Doll“ ist eine nicht unbedingt positive Abrechnung mit Mayers Ex Taylor Swift, das Liebeslied „Who You Love“ ein Duett mit seinem wieder aufgewärmten Schwarm Katy Perry.

Zubereitung

Geräuchertes Fregola-Risotto

Zunächst sämtliche Gemüse putzen und zuschneiden.

 

 

Zwiebeln

 

 

in flachem Topf oder Sauteuse kurz im Olivenöl anschwitzen,

 

 

Fregola zugeben und 2 Min. mitdünsten.

 

 

Mit dem Wein ablöschen, reduzieren lassen. Nach und nach den heißen Fond wie bei einem normalen Risotto unterrühren.

 

 

Nach 8 Min. Karotten und Sellerie

 

 

unterheben,

 

 

nach weiteren 6 Min. die fein geschnittenen Trocken-Tomaten.

 

 

Nach insgesamt ca. 15 Min. sollten die Nudelnkügelchen al dentegegart sein.

 

Mit einer Rouladennadel in eine Alu-Grillschale mehrere Dutzend Mal einstechen.

 

 

Grill vorheizen und in zweiter Schale die Räucherchips auf den Rost legen. Risotto in die gelochte Schale umfüllen und über die Holzchipschale stellen, sobald das Holz das Rauchen beginnt.

 

 

Evtl. aus zwei Backsteinen einen Abstandshalter bauen. Bei geschlossenem Grilldeckel 5 Min. räuchern,

 

 

Risotto entnehmen. In Topf umfüllen und direkt vor dem Servieren mit der Sahne kurz aufkochen,

 

 

 

Kerbel fein hacken

 

 

und unterheben und erst jetzt mit Pfeffer und Salz abschmecken.

 



Jakobsmuscheln

Muscheln abwaschen und trocknen. Mit scharfem Messer auf einer der flachen Seiten 3 mm tief ein Rautenmuster einschneiden.

 

 

Ringsherum mit dem Haselnussöl einpinseln und beherzt salzen. Auf der Rautenseite mit dem Piment D’Espelette bestreuen.

 

 

5 Min.vor dem Servieren die gehäutete und zweigeteilte Knoblauchzehe im Öl-Butter-Gemisch in beschichteter Pfanne kurz anziehen, Jakobsmuscheln auf die Rautenseite ins Öl legen und bei mittlerer Temperatur 1 Min. braten. Umdrehen und 4 Min. weiterbraten, dabei immer wieder mit dem Bratöl arosieren (mit Löffel begießen).

 

 

Direkt vor dem Anrichten die Rautenseite kurz mit einem Flambierbrenner abflämmen.




Sommertrüffelsauce & Garnitur

Ein Viertel des Trüffels auf scharfer Feinreibe zu feinem Schnee reiben,

 

 

den Rest auf dem Trüffelhobel in dünne Scheiben hobeln.

 

 

8 Scheiben und den Schnee für die Garnitur beiseite legen, den Rest in Trüffelbutter und Butter 1 Min. andünsten, Wein zugeben, leicht einreduzieren,

 

 

Fond zugeben und 15 Min. bei leiser Hitze im offenen Topf oder Sauteuse köcheln lassen. Creme Doubleeinrühren,

 

 

weitere 5 Min. leicht eindicken, erst jetzt mit Salz, Pfeffer und je einem Spritzer Zitronensaft und Madeira abschmecken.

 

 

Anrichten

 Risotto auf vier Teller oder – schöner – acht ausgewaschene Jakobsmuschelschalenhälften verteilen, Sauce angießen. Jakobsmuscheln aufsetzen und mit etwas von dem Trüffelschnee belegen. Rohe Trüffelscheiben anlegen, mit den Kerbelspitzen ausgarnieren und rasch servieren.

 

Warenkunde Trüffel

Am Trüffel scheiden sich die Geister. Manchen Besser-Essis schießen bei diesem Aroma Freudentränen in die Augen, andere wenden sich ab angesichts so einer Stinkmorchel. Chemisch gesehen sind die Thioether Bis(methylthio)methan und Dimethylsulfid Schuld an dem extrem intensiven Geruch von Trüffel, der von erdig-waldig-schokoladigen Noten über Weichkäseschimmel, Pilze und Knoblauch bis hin zu erotisch-sexuellen (wegen des enthaltenen Eber-Hormons Androstenon) Aroma-Assoziationen reicht – die wohl auch dafür sorgen, dass viele Menschen überhaupt kein Verständnis aufbringen, warum andere Zeitgenossen für so eine widerlich muffelnde Knolle einen halben Monatslohn zu zahlen bereit sind. Trotzdem hat der Unterwelt-Pilz eine bis in die Anfänge menschlicher Kulinarik reichende Küchengeschichte und ist bis heute aus der haute cuisine nicht wegzudenken.

 

Der unumstrittene „Trüffelpapst“ Deutschlands, der Meerbuscher Delikatessen-Onlinehändler Ralf Bos, sieht die Knolle denn auch als einen der wirkungsvollsten Aromabooster für alle möglichen Speisen: „Es bedarf nicht einmal eines übermäßig guten Geschmackssinnes“, schreibt Bos in seinem hochgradig (Waren-)kundigen, aber recht mühsam zu lesenden Buch „Mein kulinarisches ABC“*, um eine „30- bis 100-prozentige Geschmacksverstärkung“ festzustellen.

 

Von Sorten wie dem billigen, fast Aroma-freien chinesischen, aber auch den Sommer-, Burgunder-, Brumale- oder Bianchetti-Trüffeln hält Bos wenig bis nichts. Als einer der umsatzstärksten Trüffelhändler des Landes gibt es an der Spitze seiner bis zehn reichenden Skala nur die mit Gold kaum aufzuwiegenden Wintersorten aus dem italienischen Piemont (der weiße „Alba“ ­– Tuber magnatum pico) und dem französischen Périgord (Tuber melanosporum). Und seit zwei Jahren die im europäischen Sommer importierten hervorragenden australischen Manjimup-Trüffel, für die er seine Rangliste eigens auf 10,5 aufbohrte.

 

Dieser „Tuber melanosporum Extra“ überschneidet sich in der Saison von Mai bis September mit dem in stattlicher Menge geernteten italienischen („Scorzone“) und provencialischen („Truffe d'été“) Sommertrüffel, weil in Down Under die Jahreszeiten gegenläufig zu den europäischen sind. Die Hiesigen gibt es von Mai bis November, sie kosten dem Endverbraucher 300 bis 350 Euro pro Kilogramm.

 

 

 

 

In ganz anderen Regionen des Genießergeldbeutels bewegen sich die drei Spitzenprodukte. Preislich liegt der auch bei kritischen Sterneköchen hochgeschätzte Aussie mit rund 1.500 Euro das Kilo deutlich unter den europäischen Highendern. Die Winter-Ware aus dem Périgord (die besten wachsen in der Region Vaucluse) schlägt mit einem Kilopreis von 1800 bis etwa 2500 Euro zu Buche. Ganz oben auf der Preisliste dieser Superdelikatessen stehen die weißen Trüffel aus dem Piemont, dem Norden Liguriens und der Toskana, der westlichen Emilia Romagna, der südlichen Lombardei und (noch Geheimtipp) Teilen des ehemaligen Jugoslawiens. Für Spitzenknollen aus Alba und Umgebung werden dem Endverbraucher mindestens 5.000 Euro das Kilo abgeknöpft, wir haben aber auch schon „8.000!“ rufen hören auf einschlägigen Trüffeldealermärkten.

 

Das ist natürlich je nach Parteibuch entweder völlige Gaga-Dekadenz (Die Linke) oder schlichte Marktwirtschaft (FDP), aber – um hier mal eine Brücke zu schlagen zwischen Supernasen wie Gysi und Rösler – immerhin nur ein Viertel von dem, was man für halbwegs brauchbares Kokain hinlegen muss.

 

Ein Preis, der sofort verfallen würde, wäre halb Europa derart mit Cocasträuchern bewaldet wie Frankreich im 19. Jahrhundert mit den damals überall wuchernden Trüfffeln. Nachdem im Süden des Landes die Reblaus einen Großteil der Rebstöcke zerstört hatte, wuchsen in deren Wurzeln die aromatischen Knollen tonnenweise und gehörten bis zum Ersten Weltkrieg zu den billigen Grundnahrungsmitteln der Bauern, in deren Kochrezepten ohne Wimpernzucken von drei Kilo Trüffel pro Truthahn die Rede war.

 

Was bis heute einen leisen Nachhall bei Frankreichs Top-Köchen findet: Noch immer hat Paul Haeberlin in seiner seit 1967 ununterbrochen mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten „Auberge de l'Ill“ den Millionärsklassiker „Truffes sous la cendre“ auf der Karte. Das ist pro Person ein ganzer in Portwein gekochter und mit Gänsestopfleber umhüllter Périgord-Trüffel von mindestens 30 Gramm, dazu nochmal ein paar Würfel in der als Beilage gereichten „Sauce Périgord“.

 

Von den 151 Euro, die Haeberlin pro Gast für diese Vorspeise aufruft, kochen wir locker ein Dutzend Portionen unserer heutigen kleinen Zwischengerichtsleckerei „Feuer | Wasser | Luft | Erde“. Die vier Elemente verteilen sich auf Grillglut, Jakobsmuscheln, Räucherqualm und den erdigen Grundton der hier benutzen Sommertrüffel (tuber aestivum), die noch bis in den Herbst zu haben sein sollten – womit sich in unserem Rezept der Trüffel-Wareneinsatz mit etwa sechs bis acht Euro pro Esser halbwegs in Grenzen halten lässt.

 

In diesem Kontext ist es sogar erwünscht, dass die Trüffelnote nicht so dominant hervorsticht wie beim Alba oder Périgord: Das zarte, leicht pilzige Aroma umhüllt perfekt den feinen, zurückhaltenden Geschmack des Muschelfleisches, umrahmt von dem auf offenem Feuer leicht angeräucherten Risotto von sardischen gerösteten Nudelkügelchen („Fregola“).

 

Und schon ist das kleine Trüffelschwein in uns voll in seinem Element.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
www.kochtext.de

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