Futuristische Luftspeise
Vegetarische Vorspeise für 2 Personen von Peter Wagner

Das „vollkommene futuristische Mahl“ des Futuristen-Begründer Filippo Tommaso Marinetti war 1930 die „Luftspeise“, eine Verbeugung vor den italienischen (Militär-)Transatlantikfliegern Francesco De Pinedo und Italo Balbo: ein Teller mit schwarzen Oliven, Fenchelherzen und Chinakohl, serviert mit Streifen von Glaspapier, roter Seide und schwarzem Samt, über die der Gast während des Essens mit der linken Hand streichen sollte. Gleichzeitig versprühten die Kellner Nelkenduft, dazu erschallte Musik von Bach und das Knattern eines Flugzeugmotors im Raum.
In unserer Version bleiben wir bei dem, was in der Veröffentlichungszeit des „Manifest der futuristischen Küche“ möglich und greifbar war, erfinden zeitgenössisch alberne Namen für unsere Komponenten („Olivenballons“, „Kohlzeppelin“, „Fenchelfedern“) und konzentrieren uns auf die beiden kulinarisch wie ökotrophologisch noch immer hochaktuellen Aspekte der „Luftspeise“ – Aromenkonzentration und fettarm-stärkefreie Zubereitung: Der intensive Geschmack der schwarzen Oliven wird durch in Rotwein eingeweichte Trockentomatenfilets mit deren natürlichen Glutenen intensiviert, Säure und Süße der Tomaten mildern zugleich die starken Bitternoten der Oliven, die wir vor dem Servieren mit einer Geleeschicht aus ihrer Einweichflüssigkeit und Nelkenaroma wie einen Ballon umhüllen.
Im „Kohlzeppelin“ bekommt der Chinakohl einerseits die nötige Süße vom mitgekochten Italo-Dessertwein Vin Santo, andererseits werden die Blätter für die Hülle des „Luftschiffes“ nur ganz kurz in Salzwasser blanchiert. Insgesamt kommt das Gericht komplett ohne dickmachende Kohlehydrate und mit eher diätischen Fettmengen aus.
Olivenballons
25 g | Tomatenfilets, getrocknet |
100 ml | Rotwein, trocken |
50 g | Oliven, schwarz |
1 Prise | Meersalz |
1 Prise | Pfeffer aus der Mühle |
150 ml | Einlegeflüssigkeit der schwarzen Oliven |
100 ml | Wasser |
5 Stück | Nelken |
8 g | Gelatine Sosa, vegetarisch |
Kohlzeppelin
4 EL | Fenchel-Brunoise |
2 Blätter | Chinakohl, Brunoise vom Mittelstrunk |
1 EL | Olivenöl |
50 ml | Süßwein |
2 Blätter | Chinakohl |
1 EL | Basilikumblätter, fein gehackt |
1 Prise | Salz und Pfeffer aus der Mühle |
6 Stück | Oliven, schwarz |
6 Stück | Haselnüsse, gehackt |
1 Stück | Knoblauch, gehackt |
1 Prise | Chiliflocken, getrocknet |
4 Blätter | Chinakohl |
Fenchelfedern & Garnitur
2 Stück | Fenchelknolle, jung (längliche Form) |
50 ml | Pinot Grigio |
50 ml | Pinot Grigio-Essig |
100 ml | Wasser |
1 Prise | Salz und Pfeffer aus der Mühle |
1 Prise | Zucker, fein |
1 handvoll | Fenchelgrün |
12 Stück | Oliven, schwarz |
12 Stück | Oliven, Taggiasca |
Visconti "Bianco di Custoza" DOC 2012
Der Visconti "Bianco di Custoza" DOC 2012 hat eine helle zart gelbe Farbe mit grünen Einschlüssen. Ein Aroma welches an grüne Limetten, Blüten, Kiwi, Stachelbeere und saftige grüne Äpfel erinnert begeistert in der Nase. Am Gaumen hat der Visconti "Bianco di Custoza" DOC eine erfrischende süßlich anmutende Fruchtsäure. Dieser Custoza ist kraftvoll mit viel Finesse und schönem Nachhall nach Aprikosen und Mirabellen.
Bewertung & Awards
BELViNi.DE 2013: 88 Punkte für 2012 "richtig lecker und erfrischend"
No Future hatte irgendwann auch die DDR. Grund genug also, bei der Herstellung der Futuristenspeise den evergreenigen Chansons zu lauschen, mit der die große Gesamt-Deutsche Schauspielerin Katrin Sass auf ihrer CD „Königskinder“ (edel) künstlerisch auch die Tiefen ihrer Alkoholkrankheit verarbeitet: Reinhard Meys „Über den Wolken“, die unvermeidlichen „Sieben Brücken“, aber auch der DDR-Pioniergesang „Unsere Heimat“ und das dreigroschige „Mack The Knife“ – Letzteres mit Hilfe des Filmorchesters Babelsberg.
Olivenballons
Tomatenfilets bei mittlerer Hitze in Topf in dem Rotwein kochen,
bis die Flüssigkeit verdampft ist. Klein schneiden.
Zusammen mit den Oliven und Salz/Pfeffer im Mixer
zu einer glatten Creme mixen.
In kleine Silikon-Halbkugelformen streichen,
2 Stunden lang einfrieren. Je zwei Semisphären zu einer Kugel zusammenkleben, Ränder mit etwas warmen Wasser verstreichen, erneut einfrieren.
Einlegeflüssigkeit mit Wasser und den Nelken aufkochen, nach 5 Min. Nelken entfernen und Geliermittel klumpfrei einrühren.
Gelierprobe machen: Ein Löffel mit der Flüssigkeit auf einen Teller geben, er muss binnen weniger Sekunden gelieren. Falls nicht, noch etwas Geliermittel zugeben. Die gefrorenen Kogeln nacheinander auf einen Holzspieß stecken, kurz in die Flüssigkeit tauchen, herausziehen und mehrfach drehen. Vorgang sechs Mal wiederholen, bis eine dicke, glatte Geleeschicht entstanden ist.
Kohlzeppelin
Die Fenchel-
und Kohl-Brunoise
im Olivenöl anschwitzen,
mit dem Weißwein ablöschen. Grüne Kohlblätter ohne Strunk und Basilikum fein hacken
und zugeben, 3-4 Min. dünsten, bis der Wein verdunstet ist. Abkühlen lassen. Haselnusskerne hacken und
ohne Fett in Stahlpfanne kurz anbraten, nicht schwarz werden lassen.
Mit der Fenchelmischung, dem Knoblauch, Chili und den gehackten Oliven
mischen, mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Kohlblätter in reichlich siedendem Salzwasser kurz (weniger als 1 Min.) blanchieren,
in Eiswasser abschrecken. Den herausstehenden Strunk abschneiden. Je 2 Blätter zu zwei Drittel überlappend auflegen, an einem Ende ca. 2 EL der Füllung auftragen,
seitlich einklappen und zu einer festen Rolle aufrollen.
Direkt vor dem Servieren 8 Min. bei 80 Grad im Dampfgarer dünsten (oder in Siebeinsatz auf Wassertopf).
Fenchelfedern
Fenchel waschen, längs halbieren, von den Anschnitten Scheiben so dünn wie möglich hobeln.
Von den äußeren Enden etwas dickere Streifen hobeln. Die beiden Sorten
in dem aus den restlichen Zutaten angerührten Sud kurz aufkochen, vom Herd ziehen und 30 Min. marinieren.


Garnituren
Fenchelgrün abschneiden und bereit halten.
Aus den äußeren Fenchelteilen kleine, längliche Schiffchen schneiden und mit den grünen Oliven füllen. Schwarze Oliven auf eine Rouladennadel stecken.
Die Komponenten so wild wie möglich auf großen Tellern anrichten, z.B. unterstützt von Schnipseln oder Faltkunst aus Bildern des Futurismus.
Wer es ganz original haben will: kein Besteck aufdecken, links neben dem Teller je einen Streifen Schleifpapier, rote Seide und schwarzen Samt legen, über den der Gast mit der linken Hand streichelt, während die rechte Hand das Essen zum Mund führt. Die Szenerie mit Bach-Sonaten und Propellerflugzeuglärm beschallen, dazu den Raum mit Nelkenaroma beduften.