Rehkeule im Wacholderpfeffer mit Quittentatar

Hauptgericht für 4-6 Personen von Peter Wagner

Rehkeule im Wacholderpfeffer mit Quittentatar

Eine frische ganze Rehkeule am Knochen geschmort, so etwas gibt es in der Gastronomie inzwischen nur noch in wenigen, auf Wildgerichte spezialisierten, Restaurants – und leider selbst dort oft nur als ewig lang totgeschmortes, warmgehaltenes oder mehrfach aufgewärmtes Trockenfleisch. Schade, denn dieser Sonntagsbraten ist, wenn man keine Angst vor großen Fleischstücken hat, gar nicht so schwierig zuzubereiten. Die Hygienewarnung, Wildfleisch prinzipiell nicht bei weniger als 75 bis 80 Grad Kerntemperatur zu essen (Ausnahme: extrem frisches Filet aus sicherer Kühlkette), führt in diesem Fall wegen des für Reh-Verhältnisse hohen Anteils an Bindegewebe im Inneren der Keule und der generell hohen Wasserbindungsfähigkeit der Wildfleischfasern glücklicherweise nicht zu einer Übergarung, sondern zu saftstrotzenden Bratenscheiben.

 

Für das Wildgericht „Rehkeule im Wacholderpfeffer mit Quittentatar“ kommt ein möglichst frischer Oberschenkel zum Einsatz, der nicht länger als ein paar Tage beim Jäger oder Händler herumgelegen haben sollte. Im Idealfall ist der schaufelartige Hüftknochen an der oberen Seite (Schlossknochen), sowie der nur mit einer dünnen Fleischschicht gepolsterte Unterschenkel noch dran, denn mitgeschmorte Knochen, Karkassen und Parüren (Sehnen, Fett und abgeschnittenes Bindegewebe) sorgen für einen kräftigen Fleisch-Grundgeschmack in der Bratensauce. Es lohnt sich also, den Lieferanten nach weiteren dieser Zugaben zu fragen.

 

Wie in den meisten Fällen von großen Bratenstücken ist es auch bei der Rehkeule von Vorteil, wenn der innere Hauptknochen – in diesem Fall also der Oberschenkel – mitgeschmort wird, hier sogar in dreifacher Hinsicht: Der Knochen leitet die Brathitze zusätzlich direkt ins Innere des Fleisches, sorgt für einen kräftigen Geschmack und gibt den ansonsten nur durch etwas Bindegewebe verbundenen vier Hauptmuskelsträngen den nötigen Zusammenhalt beim Schmoren. Entbeinte Rehkeulen fallen beim Braten nach etwa 90 Minuten auseinander, weswegen sie fast immer mit Küchengarn gebunden werden müssen. Andererseits wäre das Ausbeinen eine gute Gelegenheit, das Keulen-Innere mit leckeren Füllungen wie zum Beispiel Maronen oder Backpflaumen zu stopfen.

 

Für dieses Rezept brauchen wir das nicht, schließlich sorgt allein die Beilage Apfelrotkohl für eine wunderbar herbstlich-winterliche mürbe Fruchtigkeit. Zusätzlich wird die Sauce nach dem finalen Passieren mit kräftigem Holundermark verfeinert, außerdem sorgen karamellisierte süß-saure Qutittenwürfelchen für einen Ausgleich zu dem mit Pfeffer, Piment und viel Wacholder angeschärften Bratensaft.

 

© 2014 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 45 Minuten
Zubereitungszeit: 2 Stunden, 30 Minuten
Level: commis de cuisine
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

Rehkeule & Sauce
1 Stück Rehkeule mit Knochen
1 EL Meersalz, fein
etwas Pflanzenöl
200 g Zwiebelwürfel
150 g Mirepoix
1 EL Tomatenmark
500 ml Rotwein, trocken
400 ml Wildfond
1 EL Wacholderbeeren
1 TL Pimentkörner
2 TL Pfefferkörner
10 Stück Lorbeerblätter
20 g Steinpilze, getrocknet
250 g Pilze, frisch, gemischt
200 g Holundermark, ungezuckert
150 g Creme Double
200 g Sahne
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle
Quittentatar
4 Stück Quitte, frisch
35 g Rohrzucker, braun
100 ml Weißwein, lieblich
4 EL Balsamicoessig, weiss
1 TL Meersalz, fein
0,5 TL Macis, gemahlen
1 Prise Pfeffer aus der Mühle
1 Prise Zucker

Wein-Tipp

Markus Schneider Black Print trocken 2013

 

Die Rebbestandteile des Markus Schneider Black Print sind St. Laurent, Syrah, Merlot und Cabernet Sauvignon. Wie der Name schon verrät, ist die Farbe tief dunkel, wie schwarze Tinte. Die Nase des Markus Schneider Black Print ist total abgefahren mit komplexen Aromen von Cassis, Kirschen, Stachelbeere, Himbeere, Thymian und Wacholder. Am Gaumen konzentriert und vielschichtig wie kaum ein anderer. Der Markus Schneider Black Print ist ein ganz großer Wein aus der Pfalz. Martin Lambeck: "Der Klimawandel macht es möglich: In Deutschland werden immer mehr französische Rotwein-Rebsorten mit großem Erfolg angebaut. Eine besonders gelungene rote Cuvée ist Markus Schneiders Black Print aus Ellerstadt in der Pfalz. Der wuchtige, trockene Rotwein besteht aus Merlot, St. Laurent, Cabernet Sauvignon, Cabernet Dorsa und Cabernet Mitos. Das ergibt einen ernsthaften und dennoch sehr leckeren Rotwein mit strammen ­Tanninen. Im Aromenspektrum finden wir Zartbitter-Schokolade, Schlehe und Rote Paprika. Großer Vorteil: Dieser Wein muss nicht dekantiert werden. Dazu ­serviere ich gebratenes Kasseler auf ­karamellisiertem Rotkohl."

 

Bewertung & Awards

 

BELViNi.DE 2015: 92+ Punkte für 2013

Cellar Tracker: 91 Punkte für 2010

BELViNi.DE 2012: 88+ Punkte für 2010

Gault Millau 2013: 86 Punkte für 2010

Martin Lambeck 2012: "TOP" für 2010 "Ein ersthafter und dennoch sehr leckerer Rotwein mit strammen Tanninen. Eine besonders gelungene rote Cuvée."

 

Cellar Tracker: 89 Punkte für 2009

 

Gault Millau 2011: 86 Punkte für 2009

 

Weinerzeugung

 

Handlese von hochreifen Trauben. Anschließend traditionelle Maischegärung im Holzgärbottich und Rotweinfermenter, mit einer Standzeit von 14 Wochen. Schonende Pressung unter geringem Druck, anschließend ohne Eingriffe von außen (Schönung o.ä.) erfolgt beim Markus Schneider Black Print trocken eine Lagerung im Holzfass bis Oktober.

 

Musik-Tipp

Wenn ein so großes Bambi-Teil wie die Keule langsam im Ofen schmort, ist die würdigste Beschallung immer Musik, die Leben, Tod und Demut in sich vereint. Johann Sebastian Bach zum Beispiel, dessen „Cellosuiten 1-6“ (Berlin Classics) viel oft genug virtuos, aber zu technisch-ehrfürchtig eingespielt wurden – ganz im Gegensatz zu den erfrischend diesseitsbetonenden Versionen des jungen deutsch-koreanischen Cellisten Isang Enders. Klassik gibt es auch im Soul, und kaum einer croont eigene Kompositionen im Stil der Vorbilder von Otis Redding bis Bill Whithers so gefühlvoll original und zugleich superfunky wie der in Cambridge lebende Myles Sanko, der auf „Forever Dreaming“ (Legere) keinerlei alberne Kopfbedeckung braucht, um sich blitzschnell in die Tiefen unserer Seele zu singen.

Zubereitung

Rehkeule & Sauce

Das Fleisch sollte bei Zubereitungsbeginn Zimmertemperatur angenommen haben.

 

 

Zunächst falls vorhanden den Schlossknochen (schalenförmiger Hüftknochen) entfernen: mit einem Ausbeinmesser das Fleisch rings um den Knochen ablösen und den Schlossknochen durch Drehung aus dem Gelenk ziehen. Evtl. vorhandenen Unterschenkelknochen entfernen (Sehnen durchtrennen, Knochen abdrehen). Einzig der lange Oberschenkelknochen verbleibt in der Keule. Fleisch parieren (alle sichtbaren Fett- Sehnen- und Bindehaut-Teile mit Messer entfernen). Die entfernten Knochen mit Küchenbeil zerkleinern und zusammen mit den Parüren bereit halten.

 

 

Keule ringsherum mit dem Meersalz einmassieren und im Pflanzenöl in großem Bräter auf allen Seiten kurz (max. 5 Min.) und nicht zu scharf anrösten. Bräter mit Deckel in den auf 140 Grad vorgeheizten Backofen stellen.

 

 

Karkassen und Parüren in wenig Fett in tiefer Pfanne scharf anrösten

 

 

und zu der Keule in den Bräter geben. Zwiebeln in dieser Pfanne goldgelb rösten, Wurzeln und Tomatenmark zugeben und 3 Min. rösten. Wacholder, Piment und Pfeffer fein mörsern (oder im Blitzhacker mixen).

 

 

Pfanne mit 300 ml Rotwein und dem Fond auffüllen, aufkochen und abschäumen.

 

 

Gewürzpulver einrühren. In den Bräter umfüllen, Lorbeerblätter zugeben.

 

 

Bei geschlossenem Deckel ca. 2,5 Stunden schmoren, alle 30 Min. das Fleisch mit weiterem Rotwein und später mit dem Bratensaft übergießen, Fleisch nach 1,5 Stunden wenden. 

 

30 Min. vor Gar-Ende Steinpilze ausdrücken, Einweichflüssigkeit durch Feinsieb auffangen. Pfifferlinge und Steinpilze in wenig Fett 5 Min. anbraten,

 

 

mit der Einweichflüssigkeit ablöschen und zum Braten geben.

 

Wenn die Rehkeule eine Kerntemperatur (nicht zu nah am Knochen messen) von ca. 72 – 75 Grad erreicht hat, Ofen ausschalten,

 

 

Fleisch aus dem Bräter nehmen,

 

 

in zwei Lagen Alufolie einschlagen und 15 Min. bei geöffneter Tür im Backofen ruhen lassen.

 

In der Zwischenzeit die Sauce herstellen: Bräterinhalt in ein sehr großes Sieb schütten, Flüssigkeit auffangen. Lorbeerblätter und die Knochen entfernen, Rest zur Flüssigkeit zurück geben und im Mixer oder mit dem Zauberstab sehr glatt pürieren. Durch Feinsieb passieren, Sauce mit Holundermark, Crème double und der Sahne aufkochen, dabei mit Schneebesen aufschlagen. Zur gewünschten Konsistenz reduzieren und erst direkt vor dem Servieren mit Salz, frisch gemahlenem Pfeffer und evtl. etwas Zucker abschmecken.

 

Quittentatar

die 2 kleinen Quitten mittig halbieren und im Dampfgarer weich dämpfen. Auskühlen lassen und einen Teil des Fruchtfleisches aushöhlen – die Hälften werden als „Schüsselchen“ für den Tatar gebraucht.

 

Die 2 großen Quitten schälen, in 1 cm dicke Scheiben schneiden, Kernhäuser und evtl. vorhandene Wurmstichigkeiten mit Apfelkernausstecher ausstechen. Scheiben in 1 cm breite Streifen und diese in 1 cm große Würfel schneiden.

 

 

 

 

Wein und Rohrzucker langsam zu einem noch flüssigen Karamell einkochen,

 

 

Quittenwürfel und die Gewürze einrühren

 

 

und bei mittlerer Hitze langsam garen bis die Quitten goldbraun, aber im Kern noch etwas bissfest sind. Dabei immer wieder einen EL Essig unterheben. Bis zum Servieren warm stellen.

 

Anrichten

 

Rehkeule auf Schneidebrett servieren und am Tisch mit Tranchierbesteck dünne Scheiben abschneiden. Sauce in Sauciere anbieten. Warmen Quittentatar auf die ausgehöhlten Quittenhälften verteilen und warm servieren.

 

 

Dazu passen in Butter ausgebratene Spätzle und unser perfekter Apfelrotkohl 

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
www.kochtext.de

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