Kaisersberger Klopse mit Kapernkartoffeln

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

Kaisersberger Klopse mit Kapernkartoffeln

Ob sie bundesweit auch Rouladen, Pizza und Currypommes abhängen können, ist noch unerforscht. Bei Deutschlands beliebtesten Regionalgerichten aber haben die Königsberger Klopse nachweislich die Nase vorn. Höchste Zeit, den Klops ein bisschen tiefer zu legen.

 

 

Zunächst einmal gilt es, den Wesenskern der Speise zu ergründen. Bei den Königsberger Klopsen ist dies: mageres, als Siedfleisch gegartes Hack vom Kalb; Kapern und Sardellen als prägende Würzmittel; cremig-weinige, leicht stückige weiße Sauce – dazu meist Salzkartoffeln und Rote Bete als Garnitur. Wir haben bei dem Versuch, aus diesen Wesensheiten mit Hilfe der klassischen Hochküchenmethodik das Beste herauszuholen, nur auf die Bete verzichtet, die etwas zu herbstlich erscheint für ein Sommergericht, und statt dessen die Gesamtaromatik ein bisschen mehr ins sonnig-säuerliche gezogen.

 

 

Das Klops-Tuning fängt natürlich beim Fleisch an. Am besten wäre es, magere, grobfasrige Stücke aus dem Hüftdeckel oder der Semerrolle zuhause selbst zu wolfen. Doch wer keinen Fleischwolf hat, oder keine Lust, das Gerät für gerade mal ein Pfund Hack hinterher komplett zu zerlegen und zu säubern, sollte sich entsprechendes Fleisch am Tag der Zubereitung beim Metzger frisch durchdrehen lassen. Unbedingt darauf achten, dass der Fleischer nicht heimlich irgendwelches Vorgewolftes aus dem Kühlraum holt. Und wer vor Innereien nicht zurückschreckt, kann sich an die Variante von Tim Raue, einer der preußischten Köche unserer Zeit, halten, der noch je 100 Gramm Bries und Zunge vom Kalb dazu gibt.

 

Neben den vier prägenden Geschmacksgebern Sardellen, Kapern, Zitronenschalenabrieb und Petersilie würzen wir ein bisschen feiner nach mit etwas Sommertrüffel (laffer als der Winterkollege, aber derart viel billiger, dass man ihn am Ende auch noch über die servierten Teller hobeln kann). Dazu kommt mikrofein gewürfelter, zusammen mit den Zwiebeln ausgelassener Tiroler Speck, der zusätzlich auch noch ein bisschen Lipidität in die ansonsten betont fettarme Fleischfarce einbringt. Die Klopse werden bei kontrollierten 85 Grad nur ein paar Minuten lang in Kalbsfond (statt in Salzwasser) gargezogen, weil sie bei höherer Temperatur zuviel Saftigkeit verlieren würden. Der solchermaßen angereicherte Fond dient auch als Basis für die Sauce.

 

Die wiederum entsteht im ersten Ansatz als klassische weiße Mehlschwitze, was den Vorteil hat, dass die Säure und Mineralität des verwendeten Rieslings besser erhalten bleibt als bei stärkefreien Reduktionssaucen. Im zweiten Ansatz kommen Pfifferlinge, grüner Spargel und Crème fraîche zu Ehren, und am Ende wird die Sauce noch klassisch mit einem in etwas frischem Riesling verquirlten Eigelb legiert, sowie mit Worcestershiresauce und reichlich Zitronensaft aufgefrischt.

 

Für die klassische Beilage kommen wieder Kapern als Hauptwürzmittel auf den Plan: Über Stunden trocken gedörrte Salzkapern werden im Blitzhacker zu Staub gemahlen, in dem die Mini-Kartoffeln direkt vor dem Servieren paniert werden, was für eine spannende Aromenkombination mit der Sauce sorgt, in der durch den langen Kochvorgang sonst die Kapern geschmacklich eher untergehen. Solchermaßen gepimpt, steigt der gemeine Fleischkloß in der Klopshierarchie mindestens eine Stufe hinauf.

 

Deshalb erlauben wir uns, das Gericht – Franz Beckenbauer möge gnädig sein – in „Kaisersberger Klopse“ umzutaufen.

 

© 2014 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 25 Minuten
Wartezeit: 6 Stunden
Zubereitungszeit: 1 Stunde
Level: chef de partie
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

Klopse
50 g Tiroler Räucherspeck
20 g Butter
100 g Zwiebel, geschält und in kleine Würfel geschnitten
2 EL Kapern Nonpareilles
30 ml Milch, heiße
2 Scheiben Toastbrot
10 g Sommertrüffel (tuber aestivum), frisch
2 EL Petersilie, fein gehackt
500 g Kalbshack
1 TL Meersalz, fein
1 Prise Pfeffer, weiss aus der Mühle
1 Prise Macis, gemahlen
2 TL Bio-Zitrone, Schalenabrieb
600 ml Kalbsfond
100 ml Portwein, weiss
4 Stück Lorbeerblätter
6 Stück Petersilienstängel
Sauce
150 g Zwiebelwürfel
100 g Champignons. weiss
100 g Spargelabschnitte
30 g Butter
50 g Mehl
300 ml Riesling, trocken
300 g Sahne
75 g Pfifferlinge
150 g Spargel, grün
100 g Crème fraîche
50 ml Riesling
1 Stück Eigelb
1 Prise Salz
1 Prise Pfeffer, weiss aus der Mühle
1 Spritzer Worcestershire-Sauce
1 Spritzer Zitronensaft, frisch gepresst
Kapernkartoffeln & Garnitur
100 g Kapern in Meersalz
400 g Drillinge
4 EL Petersilie, fein gehackt
15 g Sommertrüffel (tuber aestivum), frisch

Wein-Tipp

Dönnhoff Weissburgunder trocken 2013

 

Der Weissburgunder von Dönnhoff zeigt sich in hellem gelb mit grünem Schimmer und silbernen Reflexen am Rande des Glases. Die Nase ist frisch fruchtig dominiert von Papaya, Guave, grünen Mandeln, Maracuja und Honigmelone. Am Gaumen schmeckt der Dönnhoff Weissburgunder trocken saftig, weich, saftig, elegant mit einem feinem mineralischen Unterton der soft und geschmeidig mit gelben Fürchte und Birne aufwartet. Lecker Stoff - easy und unkompliziert.

 

 

 

Musik-Tipp

Wenn wie hier ein Nationalgericht zur Hochküche aufgeblasen wird, sollten bei der Zubereitung schon ein paar steile Hörner erklingen – wie die seit 20 Jahren an der stetigen Erneuerung zeitgemäß jazziger Blasmusik arbeitende Combo Beat’n Blow um die Sängerin Katie LaVoix, die auch auf dem aktuellen Album  „Über die Ufer“ (Herzog) wieder keinerlei polyphones Instrument benötigt, um eine scharfe Mischung aus groovigem Pop, Funk und New Orleans-Jazz zu blasen.

Zubereitung

Klopse

Speck auf der Aufschnittmaschine in dünne Scheiben, danach längs in feine Streifen und schließlich in möglichst kleine Würfelchen (Mikro-Brunoise) schneiden.

 

 

Zwiebeln in Brunoise schneiden.

 

 

In beschichteter Pfanne in der Butter bei mittlerer Hitze auslassen, Zwiebeln dazu geben und ohne Farbe anschwitzen.

 

 

Auf Teller streichen und abkühlen.

 

 

Toastbrot mit der heißen Milch einweichen.

 

Kapern und Sardellen

 

 

fein hacken.

 

 

Trüffel fein hacken.

 

 

Krause Petersilie fein hacken.

 

 

Speck-Zwiebel-Mischung mit den restlichen Zutaten vermengen, beherzt mit Pfeffer abschmecken.

 

 

Wer den Fleischteig der Klopse lieber sehr glatt und fein haben will, lässt die Masse nochmal durch die feine Scheibe des Fleischwolfes. Ohne diese Prozedur haben die Klopse etwas weniger Bindung, aber ein herzhafteres Beißgefühl.

 

Petersilienstiele klein hacken und zusammen mit Fond,  Lorbeer und Portwein in Topf 10 Minuten bei mittlerer Hitze köcheln lassen. In der Zwischenzeit aus der Fleischmasse mit Hilfe einer Bemaßungskelle

 

 

mit befeuchteten Händen möglichst gleich große Klöße von ca. 3 cm Durchmesser abdrehen

 

 

und in den Fond geben.

 

 

12 Minuten bei 85 Grad Fondtemperatur ziehen lassen, dadurch bleiben die Klopse schön saftig. Klopse entnehmen und mit Küchenfolie bedeckt bereit halten. Fond durch Feinsieb abseihen,

 

 

auffangen und für die Sauce bereit halten. 

 

 

Sauce

 

Champignons blättrig schneiden.

 

 

 

Zwiebel, Champignons und Spargel in der Butter in Kaserrolle oder Sauteuse anschwitzen, keine Farbe annehmen lassen.

 

 

Mehl unterheben,

 

 

 

nach 20 Sekunden mit dem Wein ablöschen.

 

 

 

Bei mittlerer Hitze 5 Min. köcheln lassen, Kochfond der Klopse zugeben

 

 

 

und 30 Min. ohne Deckel auf die Hälfte einkochen.

 

 

Durch Feinsieb passieren, beides auffangen.

 

 

 

Sauce mit Sahne aufkochen,

 

 

mit Mixer oder Zauberstab homogenisieren und 10 Min. bei mittlerer Hitze köcheln lassen.

 

 

Pfifferlinge putzen und ggf. zerkleinern,

 

 

Spargel putzen und in dünne Scheiben schneiden (Thai-Spargel vierteln).

 

 

Riesling erwärmen, Eigelb darin aufschlagen, mit Schneebesen in die Sauce einmixen, die nun nicht mehr kochen darf. Crème fraîche, Pilze, Spargel und den Siebinhalt in den Topf geben

 

 

und 10 Min. leise köcheln lassen. Mit Worcestershiresauce und nicht zu wenig Zitronensaft abschmecken – die Sauce sollte eine kräftige Säure haben. Vor dem Servieren die Klopse 5 Min. in der heißen, aber nicht mehr kochenden Sauce erhitzen.

 

 

Kapernkartoffeln & Garnitur

Kapern auf einen mit Backpapier ausgelegten Backrost verteilen

 

 

und bei 70 Grad Heißluft 6 Stunden dörren (oder im Dörrautomat). Es darf keinerlei Restfeuchte in den Kapern mehr sein.

 

 

Mit den Händen die Kapern aus den Salzkristallen sortieren (Salz aufheben) und im Blitzhacker

 

 

zu Staub mahlen.

 

 

Kartoffeln schälen und in 3 Liter Wasser mit dem Kapernsalz weich kochen.

 

 

Ausdampfen lassen und direkt vor dem Servieren im Kapernstaub panieren.

 

Anrichten

Kapernkartoffeln und die Klopse auf vier gut vorgeheizte Teller verteilen, Sauce angießen, mit Petersilie überstreuen und Servieren. Trüffel am Tisch über die Teller hobeln.

 

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
www.kochtext.de