Mark Jensen

Urban Cook: Anständig kochen

kochbuch

Urban Cook: Anständig kochen
Mark Jensen:
"Urban Cook: Anständig kochen"
Erscheinungsjahr: 2012
288 Seiten
96 Rezepte
35,00 EURO
ISBN: 978-3899105223

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Urban Cook: Anständig kochen Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Im Gegensatz zu vielen Profiköchen kam der Australier Mark Jensen erst relativ spät an den Herd – mit 27. Vorher war er tatsächlich Friseur. Und Surfer. Bei einem der angesehensten Köche des Landes, dem Sydneysider Matthew Moran („Aria“), lernte er das Profihandwerk. Vielleicht ist dieser ungewöhnliche Lebenslauf der Grund für dieses ungewöhnliche und sehr gelungene Buch über das Kochen mit Gewissen.

 

Wenn im Frühjahr und Herbst die Neuerscheinungen der Verlage auf dem Schreibtisch landen, fragt sich jeder Kochbuch-Rezensent, laut oder leise fluchend, ob diese Bücher denn wirklich alle sein müssen. Ob’s noch mal was wirklich Neues gibt. Mark Jensen, der im asiatisch geprägten „Red Lantern“ in Sydney kocht, hat das jetzt abgeliefert. Sein Buch enthält neben alltagstauglichen Rezepten mit einem Schuss Raffinesse viel Wissenswertes zum Thema Ernährung. „Anständig kochen“ ist bei ihm durchaus moralisch gemeint.

 

Die Rezepte für jeden Tag sind italienisch und erst recht asiatisch abgeschmeckt. Überdies hat Mark Jensen aber in vielen sauber recherchierten und trotzdem sehr lesbaren Kapiteln den Wissensstand zum Thema umweltbewusste Ernährung zusammengestellt. Von der Intensivmast auf Hühnerfarmen bis zu den zu langen Transportwegen für Lebensmittel, von der Vernachlässigung von Tieren, die wir zunehmend ausschließlich als billige Nahrungsquelle sehen, von Antibiotika, Wachstumshormonen und dem ganzen Irrsinn der immer verfügbaren Produktvielfalt.

 

Auch in Australien ist das Thema Herkunft mittlerweile ein Schlüsselreiz in der Küche, doch, sagt Mark Jensen, selbst ein engagierter guter Koch würde nicht automatisch wissen, wie Produkte angebaut werden: „Das Hauptaugenmerk lag zu lange auf dem Preis unserer Lebensmittel“. Und: „Wir haben zugelassen, dass die Produktion unserer Nahrungsmittel in den Händen großer Agrarunternehmen liegt.“ Gewiss, das sind keine neuen Erkenntnisse. Dass der Chefkoch eines der beliebtesten Restaurants von Sydney jedoch auf solchen Erkenntnissen aufbauend ein Kochbuch mit einfachen, guten Rezepten schreibt, das ist neu, das ist zeitgemäß und das ist einfach eine Bombenidee.

 

Nur ein kleiner Kritikpunkt: Die Übersetzerinnen verweisen darauf, dass sie Zutaten und Maßeinheiten bewusst nicht ins Deutsch übertragen hätten, weil das die Authentizität zerstört hätte. Das ist natürlich bestreitbar, bei Mengenangaben wie 45 g Zucker (bei einem Rezept für 6 Personen) und in der Sterne-Gastronomie bei Maßeinheiten wie ¼ Teelöffel dann dummes Zeug, denn im Angelsächsischen sind das  genormte Maßeinheiten. Und bei Produkten wie Kipfler oder Morwong hätte man mit einem Satz mehr erklären können, dass Kipfler kleine, längliche festkochende Fingerkartoffeln sind, die sich sehr gut für Salate eignen und Morwongs barschartige Fische, die ebenfalls durch hier heimische Fische ersetzt werden können.

 

Schade auch, dass Michael Pollans hervorragendes Buch „In Defense of Food“ aus der Bibliographie nicht mit dem deutschen Titel („Lebens-Mittel: Eine Verteidigung gegen die industrielle Nahrung und den Diätenwahn“) aufgeführt ist. Und wo die "Crème double" mit mehr als 45% Fettgehalt in Deutschland zu kaufen ist, würde ich gerne wissen; gemeint hat der Autor double cream, die hat 48% Fettgehalt, es gibt sie bei uns aber nur selten. Letztendlich sind das absolute Nigggeligkeiten, nur – ohne sie wäre es ein perfektes Buch geworden.

 

Fazit: Ein Buch, das zwar aus Australien kommt, aber eine Grundthematik anspricht, die international ist: Nachhaltiges und gewissenhaftes Kochen. Für Jungköche ein ideales Geschenk und ein wirklicher wichtiger Blick hinter die Fassade vom „Jeden Tag ein bißchen besser“-Gefasel der Großkonzerne. Die Rezepte sind größtenteils nicht wirklich völlig neu, dafür aber ideal für die tägliche Kocherei. Die Aufmachung des Buchs ist super, eine ungewöhnliche Mischung aus angefaßt und edel.

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Rezensent

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.

gugetzer@kochmonster.de
www.kochmonster.de

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