Giorgio Locatelli

Made in Italy: Das Kochbuch

kochbuch

Made in Italy: Das Kochbuch
Giorgio Locatelli:
"Made in Italy: Das Kochbuch"
Erscheinungsjahr: 2008
624 Seiten
174 Rezepte
39,95 EURO
ISBN: 13: 978-3-88472-7997

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Made in Italy: Das Kochbuch Bewertung: 6 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Auszeichnungen pflastern den Weg dieses Kochbuchs wie blaue Bohnen den Weg des Clint Eastwood durch Spaghettiwestern. Mehr noch: Jeder Starkoch schwärmt von diesem Buch, als hätte er gerade neue Ringe am Saturn oder wenigstens eine Bezugsquelle für Trüffelöl ohne künstliches Aroma gefunden. Über 600 Seiten, Hardcover, Lesebändchen: Mit diesem Klotz ließe sich problemlos der Ehemann von Monica Bellucci erschlagen.

Aber es ist nur ein Kochbuch. Außerdem eins über italienische Küche. Und italienische Küche, seien Sie bitte ehrlich mit sich, ist selten so gut wie man möchte.

Nun, ich schlage vor, Sie fangen das Sparen an. Dann können Sie erstens in Giorgio Locatellis kostspieligem Londoner Restaurant Öffnet externen Link in neuem FensterLocanda Locatelli dinieren:

 

Sie könnten sich zweitens einen teuren Ausflug in die Lombardei gönnen, wo der propere Giorgio aufgewachsen ist und drittens die sich das halbwegs erschwingliche „Made in Italy“ als neues Standardwerk zur italienischen Küche leisten. Denn es ist tatsächlich das beste Italo-Kochbuch des Jahres. Mindestens.

Aber wieso? Eigentlich müsste es gähnend langweilig sein. Seitenweise Porträts von ihm, seiner Brigade seinen Zulieferern... das hat doch Jamie erfunden. Banale Unterteilung in die Standards der italienischen Küche: Vorspeisen. Suppen. Risotti. Pasta. Fisch. Fleisch. Süßes. Zwischendrin erzählt Giorgio ein bißchen was zum Thema Gastfreundschaft, wie das so war während der Ausbildung in Paris, natürlich grauenhaft und so gemein, und dass er früh und immer wieder gehört habe, in ihm stecke nicht das Zeug  zum Koch.

Aber dann schreibt er Dinge wie „Die Seele der Pasta“ und es klingt, als würde San Giorgio persönlich den Mix aus Wasser  und Mehl und manchmal ein paar Eiern beseelen. 100 g Pasta, 10 g Salz, Sauce nicht zu dickflüssig. Kneten. Wiederhören.

Und so geht es weiter. Bei ihm wird alles simpel, und ständig sitzt man da, wiegt diesen kiloschweren Wälzer in den Armen und fragt sich: „Wieso ist mir das nicht eingefallen?“ Beispielsweise Ravioli mit Kartoffelfüllung, frischer Minze und gelben und roten Paprikaschoten. Oder eine Fischsauce mit Walnüssen, Mangold und süßsäuerlichem Aroma, intensiviert durch Kapernäpfel. Zwei kundige Seiten zu Polenta. Edelklassiker wie Kalbsleber, hier mit Pinienkernen und Sultaninen oder Entenbrust mit Graupen und Brokkoli (Brokkoli gehört nun mal zu den zwanzig lebensverlängernden Lebensmitteln, Giorgio ist ja nicht blöd). Da schmeißt er Worcestersauce dran, das hatte ich noch nie gehört, aber es klappt.

Irgendwann fiel mir der Film „Knocking on Heaven’s door“ mit Till Schweiger ein, über den mir mehrere Männer erzählten, würden sie je einen Film machen, wäre er so. „Made in Italy“ ist das Kochbuch-Pendant dazu. Das ist das Kochbuch, das Männer machen würden. Lasagne mit Erdbeeren und Mango – so ein Quatsch kann auch nur einem Mann einfallen. Obstsalat mit Blutorangen und Loquats zu Veilchengelee und Joghurtschaum – der hat doch eine Schraube locker! Als nächstes kommt eine Kirschtorte und gleich danach ein hinreißendes Törtchen mit Pfirsich und Amaretto, für das ich beim vorhin beim Nachkochen den Zucker halbiert habe. Aber wenn ich ehrlich bin, nur aus Neid und Missgunst.

Denn irgendwas muss an diesem Buch doch blöd sein! Vielleicht Tiramisu mit Banane und selbst gemachtem Lakritzeis? Die schmeckt bestimmt grauenvoll. Die Parmesangrissini schmecken jedenfalls gut. Seine Focaccia heißt nicht nur klassische Focaccia, sondern das Rezept ist auch so wie das meiner Nenntante, die in einem Trullidorf geboren wurde und in Genua lebt. Das reichte bislang aus, um als echte Kennerin italienischer Küche zu gelten. Scusa, Rosa... ich glaube, der weiß mehr. 

Es fehlen auch die echten Klassiker nicht wie das Arme-Leute-Dinkelbrot, Fischsuppe und die Scallopine. Das Kapitel zu Risotti liest sich ausführlicher als Manzonis Wälzer „ I Promessi Sposi“. Bei Pappardelle mit Hühnerleber  und frischem Salbei hebe ich voller Ingrimm den Zeigefinger und sage: Giorgio! Setzen! Sechs!

An langen Winterwochenenden kann man sich mit diesem Kochbuch in die Küche zurückziehen und hinterher der Welt oder sich selbst Großes und ein kleines Stück Italien präsentieren. Im Frühling, wenn das Kochbuch tüchtig bekleckert ist, setzt man sich damit in ein nettes Café, bestellt einen Capuccino und wartet darauf, was das Leben als kleines Dankeschön vorhat.

Fazit: Freundinnen und Ehefrauen: Kaufen für Ihren Mann. Männer: Kaufen für sich selbst. Anfänger oder Profi, völlig egal, Hauptsache Italien, um Andy Möllers bahnbrechenden Ausspruch auf neue Abwege zu bringen.

 

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Rezensent

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.

gugetzer@kochmonster.de
www.kochmonster.de