Cettina Vicenzino

Mamma Maria! Familienrezepte aus Sizilien

kochbuch

Mamma Maria! Familienrezepte aus Sizilien
Cettina Vicenzino:
"Mamma Maria! Familienrezepte aus Sizilien"
Erscheinungsjahr: 2009
224 Seiten
84 Rezepte
24,95 EURO
ISBN: 978-3-88472-948-9

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Mamma Maria! Familienrezepte aus Sizilien Bewertung: 3 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Billige Sommerweine haben den Vorteil, dass sie im Ursprungsland schmecken. Mit den einfachen Länderküchen verhält es sich ähnlich. Auch Sizilien schmeckt auf Sizilien. Dort sogar am Besten. In Deutschland schmeckt diese Küche je langweiliger, desto authentischer, sprich: einfacher sie ist. Weil man Sonne einfach nicht als Zutat auf die Rezeptliste setzen kann. Aber das ist bei weitem nicht das einzige Problem von Cettinza Vicenzinos Nichtkochbuch.

 

 

Cettinza Vicenzino stammt aus Sizilien und kam als Kind mit den Eltern nach Köln. Von ihr stammen Idee, Fotos und optische Gestaltung des Buches, das den ländlich-rustikalen Charakter der sizilianischen Küche einfängt. Für den neuen Trend in der Kochbuchszene, Regionales, Persönliches, Authentisches, zum Anfassen gestaltet, eignet sich Sizilien tatsächlich sehr gut. Die Cuisine ist eine klassische Arme-Leute-Küche, wenig abwechslungsreich, sättigend. Brotlaibe zum Berühren, Pasta in Sepiatönen, frittierte SardellenKaninchen süßsauer, angerichtet auf Steingut mit Sprung, auf 2000 Jahre altem Vulkangestein oder noch aus einer der in Italien weiterhin omnipräsenten Plastiktüten hängend... so sieht die Gestaltung aus. Mit gutem Essen hat das wenig zu tun, mehr mit deutscher Über-Romantik gegenüber Hausmannskost und Folkroreplumpsküchen wie diese.

 

Die Fischausbeute vor Sizilien ist heute dank der Dynamitfischerei früherer Zeiten stark dezimiert. Auch beim Fleisch muss gespart werden. Wirklich wichtig sind auf Sizilien Gemüse und Süßes, Pasta natürlich auch. Ohne die Sarazener wäre neben Couscous und Sorbet wohl auch Pasta gar nicht hierher gekommen. Die erste offizielle Sichtung der Teigware in Europa erfolgte jedenfalls im frühen 12. Jahrhundert in Palermo.

 

Dieser Umstand fließt in das Kochbuch ein, das in die Kapitel Gemüse, Pasta & Brot, Fisch, Fleisch und Süßspeisen eingeteilt ist und dem Gemüse mit zwanzig Rezepten den größten Raum im Buch freischaufelt. Doch leider wird gleich im Auftaktkapitel klar, wieso Franzosen und viele Asiaten Gemüsekönner sind und die Sizilianer kreative Faulpelze, die sich auf die Sonne verlassen, um ihren Rezepten den Geschmack zu entlocken. Zubereitet wird’s mit KnoblauchOlivenöl, mal Peperoncino, mal SemmelbröselPecorino oder harter Ricotta, hier ein bißchen Minze, dort Basilikum. Gähn. Gähn. Gähn.

 

Als Arte Povera-Tableaux hat die heute auch als Künstlerin arbeitende Cettina Vicenzino viele Gerichte arrangiert. Zwischendrin gibt’s Familienerinnerungen, viel zu viele Frauen in viel zu altmodischer Spitzenunterwäsche, Fischverkäufer, Couscousmantscherei, süße kleine Kinder und – hallo? – Frikadellen von Jungfischen. Nicht alles, was Omi macht, ist gut und längst nicht alles ist zeitgemäß.

 

Die Rezepte sind einfach, häufiger überdies ungenau. Mal wird wilder Fenchel, den es in Deutschland nicht gibt, durch Fenchelgrün, mal durch Basilikum ersetzt, Prinzessbohnen im Rezept sind eindeutig keine im Bild, dafür werden Artischocken gezeigt, die nur in Norditalien wachsen. Für den anfängeruntauglichen Thunfisch wird keine Garzeit angegeben, was den Schritt von frischem Fisch zu Dosenqualität unvermeidlich macht. Selbst bei den Süßspeisen, wo Sizilien punktet, geht’s ungenau zu. Klassische sizilianische Cassata mit einer halben Flasche Marsala und viel zu viel Kartoffelmehl, ein Kornkuchen mit einem Pfund ganzem Weizen und Kirschlikör,  und ein Quittenbrot, für das Quitten und Zucker im Verhältnis 1:1 verwendet werden sollen oder auch nicht, ne, das Buch ist was für’s Auge, nichts für den Mund.

 

Fazit: Blätterbuch der neuen Generation, auf dickem Papier, mit gedämpften Farben und vielen Gemütsfotos von Frauen beim Hoffen auf einen dritten Lebensfrühling. Kein ordentliches Register. Kein Kochbuch.

 

 

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Rezensent

Jo Limmer

Jo Limmer

Jo Limmer sucht noch immer nach einem aufgelassenen Pfarrhaus. Die Pussycat Dolls hat er zugunsten von Mareille aufgegeben. Aktuell verdient er sein Geld in München als Versicherer von Versicherern. 

limmer@kochmonster.de
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