Joanna Farrow

Fleisch

kochbuch

Fleisch
Joanna Farrow:
"Fleisch"
Erscheinungsjahr: 2009
144 Seiten
80 Rezepte
19,90 EURO
ISBN: 978-3865286673

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Fleisch Bewertung: 3 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Simpler als „Fleisch“ lässt sich ein Kochbuch kaum betiteln. Der britischen Autorin und Food-Slylistin Joanna Farrow aber ist dieser Schlichtheit zum Trotze eine recht schöne, weitgehend mediterran beeinflusste Rezeptsammlung rund um das Stück Lebenskraft gelungen. Wenn da bloß nicht all diese Fehler bezüglich der Garzeiten wären.

 

Als erstes gefallen bei einem Buch dieser moderaten Preisklasse natürlich die Fotos, die genau das leisten, was Fotos in einem Kochbuch können sollten: Sie machen Appetit. In einer umfangreichen Einführung erklärt die Autorin die später zubereiteten Fleischarten und –schnitte, die Benutzung des Fleischthermometers, das TranchierenDegraissieren und Dressieren: Alles vorbildlich. Und dann kommen sie, die Rezepte, denen man besser als ausgebildeter Koch begegnen sollte, will man Enttäuschungen vermeiden.

 

Zwar sehen sie alle echt lecker und verführerisch aus, die eher alltäglich bestückten und – eigentlich – für jeden nachkochbaren Gerichte, in die sich aber dummerweise turmhohe Fehler eingeschlichen haben. Wer zum Rinderfilet Teriyaki tatsächlich die feine Beilage aus enthäuteter Paprika, geviertelten Frühlingszwiebeln und geraspeltem Pak Choi 30 Minuten lang in sprudelndem Wasser blanchiert hat, kann sich hinterher das Abtropfen sparen. Das Gemüse dürfte so keinem noch so altersschwachen Pürierstab mehr nennenswerten Widerstand bieten und sollte lieber unter ständigem Rühren in den Ausguss gekippt werden. Schade drum.

 

Für ihr Ragout vom Reh wiederum empfiehlt Farrow „mageres Rehfleisch“, das garantiert nach 90 Minuten im Ofen bei 160 Grad das Prädikat „Extra trocken“ verdient. Ragout wird selbstverständlich aus durchwachsenem Fleisch hergestellt, das weiß jeder ungarische Dorfgastwirt.

 

Der Hase in Clementinensauce, grundsätzlich ein raffiniertes Rezept, dürfte nach gerade einmal 90 Minuten im Rohr nur dann genießbar sein, wenn das Tier noch weit entfernt von der Geschlechtsreife war oder man die Keulen bei anderer Gelegenheit verarbeiten will, wovon im Rezept aber keine Rede ist. Dort wird gar ein „großer Hase“ empfohlen, und so einer braucht schlicht viel länger im Ofen.

 

Ungenauigkeiten auch an anderer Stelle: Für ihre asiatischen Lammkeulen nennt Farrow eine Keule pro Person als ausreichend, solange es sich nicht um kleine Keulen handele, dann solle man lieber zwei je Esser nehmen. Das aber hätte selbst an der Tafel des Sheriffs von Nottingham zu Völlegefühl geführt, und ein Blick aufs Foto klärt den Lammkenner denn auch auf: Es handelt sich hier um Lammhaxen. Besser wäre es gewesen, wenn es dann auch so geheißen hätte. Und wenn ein paar Seiten weiter die 1,5 Kilogramm schwere Lammhaxe korrekterweise „Keule“ genannt worden wäre. Vielleicht hätte da vor der Drucklegung besser nochmal ein Lektor dem Übersetzer kurz auf die Finger geschaut.

 

Dieses Buch, das nach einem Modell für echte Einsteiger aussieht, ist also in Wahrheit nur für kritische Hobbyköche geeignet, die über Fehler vor dem Kochen stolpern und sich nicht hinterher über dieselben ärgern möchten. Ihnen allerdings hat „Fleisch“ dann durchaus einiges zu bieten.

 

Fazit: Farrows Ideen sind vielleicht nicht gerade verblüffend, aber doch immerhin von viel Phantasie und Lust am zumindest kleinen Experiment geprägt. Für mehr fehlt ihr offenbar der Mut. Ein „Fleisch“ betiteltes Kochbuch sollte eigentlich die Innereien und weniger populären, aber oft besonders schmackhaften Teile des Schlachtviehs nicht aussparen. Und: trotz des günstigen Preises müssen so viele Fehler nicht sein.

Rezensent

Stefan Krulle

Stefan Krulle

Der Journalist lebt ohne Mikrowelle und Tütensuppenschublade in Hamburg und gesellt sich in jeder Umfrage zum männlichen Koch- und Essverhalten gern zur Minderheit.