Nicole Stich

Delicious Days

kochbuch

Delicious Days
Nicole Stich:
"Delicious Days"
Erscheinungsjahr: 2008
215 Seiten
66 Rezepte
19,90 EURO
ISBN: 13: 978-3-8838-1538-6

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Delicious Days Bewertung: 3 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

„Ich habe die Zukunft des Kochbuchs gesehen und sie heißt Blog“... das berühmte Zitat der Rockmusik, einst bezogen auf einen noch unbekannten Bruce Springsteen und die Zukunft des Rock’n’Roll, könnten die Verantwortlichen im Kochhaus Gräfe und Unzer im Hinterkopf gehabt haben, als sie Delicious Days konzipierten. Gräfe und Unzer ist für solide Handwerksarbeit und vielfach getestete, verlässliche Rezepte bekannt.

 

Und jetzt haben sie ein Kochbuch basierend auf einem erfolgreichen Blog am Start, um mich mal szenig auszudrücken. Delicious Days ist jung, flippig, ichbezogen – mit einem Wort: bloggig. Geschrieben hat das Kochbuch keine Köchin, die haben natürlich keine Zeit zum Bloggen. Geschrieben hat es eine Designerin namens Nicole Stich, die sich als „immer hungrig“ beschreibt, in München lebt, unter deliciousdays bloggt und dieses Kochbuch deshalb gleich auch auf Englisch veröffentlichen ließ (dazu unten mehr).

 

Braucht das die Welt? Kann eine Nicole Stich die schwächelnden Auflagenzahlen traditioneller Kochbuchverlage nach oben schieben? Hält Delicious Days den Vergleich mit den Greetings from Asbury Park NJ, Bruce Springsteens legendärem ersten Album? Und wie viel will der Leser von Dagi, Eri, Ulrike & Co. wissen– allesamt Freundinnen von Nicole Stich und dauerpräsent in diesem Kochbuch? Wenn Nicole Stich statt Dagi Nicole Scherzinger kennen würde, wäre ich dann neugieriger auf bloggige Platitüden? Bin ich einfach nur zu alt? Do I just not get it?

 

Ja und nein lautet die Antwort auf alle Fragen. Nicole Stich muss wirklich immer hungrig sein, denn die Bandbreite ihrer Rezepte ist beeindruckend. Safranbrioche, Hühnerleberpâté mit Pistazien, Fladenbrot mit Dukkah, Tamales, Ceviche mit Mango, Wontons: Da hat sich jemand tatsächlich die leckeren (englisch: delicious) Sachen zwischen Frankreich, Italien, Fernost und Mexiko herausgesucht. Nicole Stich kennt viele kluge alte Menschen, die sie mit wirklich guten deutschen Klassikern zwischen Kaiserschmarrn, Kirchweihkuchen und Käsespätzle versorgt haben. Auch das ist schön. Nicole Stich kann kochen – das sieht man an Rezepten wie Brot mit Bier und einem Sorbet auf Cocktail-Basis.

 

Ein echter Blogger lässt nie locker

 

Sie guckt über den Tellerrand, bezieht sich schon mal auf die italienische Armenhausküche cucina povera, liefert ein einleuchtendes Rezept für knifflige Tuiles mit Earl Grey, wagt Neuinterpretationen wie einen Indischen Brotsalat mit Ghee, Garam Masala und Koriandergrün und traut sich an Mozartkugeln.

 

Knipsen kann die Dame sogar richtig gut. Knipsen meine ich nicht abwertend. Geknipst ist das, was Blogfotos sind. Sie sehen handgemacht aus, sind es auch, und wirken im besten und seltensten Fall so appetitlich, dass man sich auf der Stelle in das Geknipste reinsetzen möchte. Das ist hier der Fall.

 

Vielleicht sind solche unterhaltsame, lecker und frisch geschriebene Kochbücher, die Hintergrundwissen und Genauigkeit durch Atmosphäre und Leichtigkeit ersetzen, tatsächlich die Zukunft des Kochbuchs. Schließlich soll uns ein Kochbuch (auch) zum Kochen verführen und zum Genießen animieren. Es soll nicht die Welt retten.

 

Ein Meilenstein oder eines der 500 besten Rock-Alben aller Zeiten auf Kochbuchebene ist Delicious Days aus diesem Grunde nicht – findet jedenfalls der 42-jährige Kritiker, der diese Zeilen hier verfasst hat. Dafür steht einfach zu wenig Neues und Interessantes drin in dem Bloggerbüchlein.

 

Die englische Übersetzung liest sich leider wirklich wie eine Übersetzung und ist ein Thema für sich. Für Stilblüten wie friendship goes through the stomach landet man schon mal im „Hohl-Spiegel“ und sich beim Recherchieren auf wikipedia zu verlassen, hat im Fall der Mozartkugeln ernste Folgen. Die heißen auf Englisch richtig Mozart chocolate balls. Bei Stich heißen sie Mozart balls und werden jeden HipHopper, der sein Salz wert ist, zu einem beherzten Griff ans dicht gedrängte Gemächt auffordern. 

 

Fazit: Ein Kochbuch für Einsteiger, die schon ein bisschen in der Welt herumgekommen sind oder davon träumen. Nix für ambitionierte Köche. Nix für die meisten Männer; die sind mit Sebastian Dickhauts Büchern aus dem gleichen Verlag besser bedient, denn der ist gelernter Koch und quatscht nicht lange rum. Immerhin: jede Frau dürfte sich über dieses Buch als Geschenk freuen. Außer Mutti.

 

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Rezensent

Jo Limmer

Jo Limmer

Jo Limmer sucht noch immer nach einem aufgelassenen Pfarrhaus. Die Pussycat Dolls hat er zugunsten von Mareille aufgegeben. Aktuell verdient er sein Geld in München als Versicherer von Versicherern. 

limmer@kochmonster.de
www.kochmonster.de