Portobellohamburger

Snack oder Hauptgericht für 4 Personen

Portobellohamburger

Nach all den Food-Truck-Festivals kehrt langsam Ernüchterung ein: Auch die Hamburger vom kunterbunten Hype-LKW stammen aus TK-Convenience. Fast alle Anbieter, die ihre Hack-Patties (gilt sogar für die meisten veganen Fladen) voller Enthusiasmus anfangs selbst gewolft haben, mussten auf Industrieware umstellen. Hygienevorschriften für Hackfleisch, Kosten und Handling machten Handarbeit konkurrenzunfähig. Na gut, dann sind es halt wir selbst, die mit dem Wolf tanzen.

 

Beim Burger sieht man immer häufiger Esser, die etwaige Pommesbeilagen gleich abbestellen und beim Servieren den oberen Brötchendeckel sofort zur Seite legen, um dann das Patty samt Belag und dünnem Unterbau mit Messer und Gabel zu verspeisen. Diese Strategie legen wir auch allen ans Herz, die sich an das Abenteuer wagen, unser heutiges, in jeder Hinsicht aufwändiges Grillrezept für „Portobellohamburger“ nachzukochen – für den wir frisches Hack vom durchwachsenen Rindernacken nehmen, mit Buns aus Riesenchampignons kohlenhydratreduzieren, die Zwiebeln in etwas Rohrzucker karamellisieren, den hauchdünnen Bacon ohne Fett im Ofen rösten. Als Beilage gibt es nur ein paar Salatblätter. Schließlich führt ein halbes Hackpfund zu einer gewissen Sättigung.

 

Als Sauce könnte man unser selbst gemachtes Tomatenketchup nehmen. Das braucht aber noch mehr Zeit, weshalb wir lieber zwei an sich schon recht gut gelungene Convenience-Produkte aufbohren: eine deutsche Steaksauce und ein süß-scharfes südafrikanisches Chutney. Die werden gepimpt mit Orange (Schalenabrieb und Saft), dem Umami-starken Tomatenmark von sonnengetrockneten Paradeisern und dem baskischen Hochküchen-Chilipulver Piment D’Espelette.

 

Dieses Tuning führt zu einer Begleitsauce, die alleine schon eine Hauptrolle ausfüllen könnte und deshalb von den Gästen auch schneller weggelöffelt wird, als der Gastgeber „Halt!“ rufen kann. Aber die rezeptierte, geringere Menge hat schon Ihre Richtigkeit: Gewinnt nicht jeder Hochgenuss an weiterer Größe durch das Bewusstsein seiner Endlichkeit? Nein, kein Witz, Sauce und das ultrafrisch schmeckende, unerhitzte Tomatenchutney ergänzen sich perfekt als würdige Begleitung dieses Großburgers.

 

Der größte Witz aber ist ohnehin ein ganz anderer: Neben den naturgemäß fleischlosen Dessertrezepten finden sich auf den „Burger Unser“-Seiten gerade mal sechs Rezepte ohne Fisch & Fleisch, dafür mit Käse, Avocado, Rohgemüse oder Süßkartoffel als Patty-Grundlage – von insgesamt 70 Burgern. Und trotzdem steht das Buch auf Platz 16 des Amazon-Rankings in der Kategorie „vegetarische & Vegane Küche“.

 

Jetzt mal Hand aufs Herz (und bitte dort lassen...), liebe Veggies – schaut Ihr Euch nachts heimlich unter der Bettdecke Fleischpornos an?

 

© 2016 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 1 Stunde
Wartezeit: 1 Stunde
Zubereitungszeit: 1 Stunde
Level: commis de cuisine
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

Patties
1 kg Rindernacken
1 EL Kräutersalz
1 EL Pfeffer, bunt, im Mörser grob zerstoßen
4 Scheiben Bergkäse
Portobello-Buns
8 Riesenchampignon
30 g Olivenöl
1 TL Kräutersalz
0,5 TL Bockshornkleesamen
1 Prise Pfeffer aus der Mühle
Chutney & Sauce
150 g Tomatenconcasse
75 g Schalottenbrunoise
1 TL Kräutersalz
1-2 Chili, rot, frisch gehackt
1 EL Ingwersirup
1 EL Balsamicoessig, 12 Jahre gereift
200 g Tomatenketchup
Karamellzwiebeln & Garnitur
1 Gemüsezwiebel
1 EL Zucker
2 EL Rohrzucker, braun
1 TL Meersalz, fein
1 Gelbe Bete-Wurzeln
100 ml Weißweinessig
25 ml Balsamicoessig, weiss
1 EL Meersalz
1 Prise Pfeffer, weiss
2 EL Zucker
1 Essiggurke, in Scheiben geschnitten
1 Fleischtomaten, frisch
100 g Tiroler Räucherspeck
1 handvoll Salatblätter, grüne

Wein-Tipp

Firestone Walker Union Jack IPA

 

 

Ein kräftiger südafrikanischer Shiraz würde gut zu diesem Highend-Hamburger passen, aber dieses Bier noch viel mehr: Das „Union Jack IPA“ des kalifornischen Brewmasters Matt Brynildson für die Mitbegründer der Westküsten-Craftbeerszene Firestone Walker. Allein schon das in vielfältigen zitrisch-ätherischen Noten changierende Bouqet zeigt den sich selbst zum Hype ausrufenden umtriebigen Craft-Novizen – vor allem in Berlin und Hamburg –  die Rücklichter: Die Cuvée aus sieben Aromahopfensorten (Magnum, Cascade, Centennial, Amarillo, Citra, Chinook, Simcoe) trägt die Grapefruit-Noten bis in den Schaum an den Gaumen, die doppelte Kalthopfung fängt die Fruchtsüße im Abgang herrlich herb ein.

Musik-Tipp

Aufgeporschtes Fast Food ist je nach Blickwinkel himmlischer Sinnesschmaus oder totales Dada – ein Spannungsfeld, das auch das deutsche Avantgadejazztrio „Mockemalör“ mit ihrem zweiten Album „Riesen“ (Jazzhaus Records) beackert: Sängerin Magdalena Ganter referiert in ihrer alemannischen Muttersprache Alltägliches und Tiefgründiges zu der waghalsigen Musikmischung aus Klassik, Elektro, Punk, Progressive Pop und Rummelplatz.

Zubereitung

Patties

Rindernacken von Sehnen befreien (Fett belassen), grob zerkleinern und durch die mittlere Scheibe des Fleischwolfes drehen.

 

 

Hackfleisch mit den Gewürzen gut vermengen

 

 

und nach Belieben 4 Halbpfünder- oder 8 Patties á jeweils 125 g formen. Für die kleinen Patties das Hack auf einem mit Folie bezogenen Schneidebrett mit Nudelholz 1,5-2 cm dick auswalzen und mit Dessertringen ausstechen. Für die  Halbpfünder das Hack mit Hilfe eines Pressers oder Glasbodens in hohe Dessertringe einpressen. Vor dem Braten oder Grillen Raumtemperatur annehmen lassen.

 

 

Portobello-Buns

Pilze vom Strunk befreien und evtl. überhängende Haut an den Rändern abschneiden. Restliche Zutaten vermengen und die Pilze beidseitig damit einpinseln.

 

 

Auf einer Servierplatte im Backofen bei 180°C Umluft mit der Haut nach oben 8-10 Min. garen (bis Saft ausläuft), nach 4 Min. wenden.

 

 

Chutney & Sauce

Für das Chutney alle Zutaten vermischen und 60 Min. im Kühlschrank ziehen lassen. Flüssigkeit abseihen und in die Sauce rühren. Hier eignet sich entweder unser Hausmacher Tomatenketchup, oder (hier noch besser) eine aufgebohrte Saucenmischung:

100            g            Block House Steak Sauce

100            g            Mrs H.S.Balls Peach Chutney

2            EL            Tomatenmark von getrockneten Tomaten

0,5-1            TL            Piment D’Espelette (baskisches Chilipulver; alternativ: Cayennepfeffer)

3            EL            frisch gepresster Orangensaft

                        Schalenabrieb von einer halben Bio-Orange

Für die Sauce alle Zutaten vermischen. Falls sie zu flüssig wird, mit Kaltbinder andicken (z.B. Xanthan oder Guarkernmehl).

 

 

Karamellzwiebeln & Garnitur

Zwiebel schälen und in 5 mm dünne Scheiben hobeln. Einseitig mit dem weißen Zucker und dem Salz bestreuen und leicht einmassieren. 30 Min. ziehen lassen. In beschichteter Pfanne den Rohrzucker bei mittlerer Temperatur schmelzen,

 

 

Zwiebeln mit unbehandelter Seite nach unten hinein geben. Nach ca. 8-10 Min. mit Palette wenden. Die Zwiebeln sollten goldbraun, aber nicht schwarz werden. Auf Teller bereit halten.

 

Bete schälen und in sehr dünne Scheibchen hobeln. Marinade mit allen Zutaten aufkochen und Betescheiben übergießen. 60 Min. ziehen lassen.

 

 

Tomate (ideal: cœur de bœuf) waschen und (wie auch die Gurke) in dünne Scheiben schneiden. Backblech mit zwei Lagen Küchenkrepp auslegen, mit den Speckscheiben belegen

 

 

und bei 200 °C Umluft im Backofen 8-10 Min. rösten. Salatblätter waschen und trocknen.

Anrichten

Patties in wenig Öl in Pfanne oder (besser) auf Grill nach Wunsch garen. Wenn die Halbpfünder im Kern noch rosa sein sollen (nur mit taggleich frisch gewolftem Hack empfehlenswert) bei mittlerer Hitze grillen: zwei Mal je 2-3 Min. pro Seite, beim Wenden jeweils um 90 Grad drehen, um ein schönes Brandinggitter zu erhalten. Wenn dünnere Patties benutzt werden, bei höherer Temperatur grillen. Am Ende die Portobellopilze kurz mitgrillen.

 

Direkt nach dem letzten Wenden Käsescheiben auflegen und unter dem Grilldeckel schmelzen.

 

 


Selbst auf einem Gasgrill kann ein Höllenfeuer die Burger aromatisieren: Der herabtropfende Käse entzündet am Ende die glühenden Aromahoz-Chips, die auf Alufolie unter dem Fleisch für Lagerfeuer-Feeling sorgten.

 

Burger in dieser Reihenfolge aufbauen und am Ende mit einem Holzspieß fixieren: Portobello, Tomate, Chutney, Speck, Patty, Sauce, Zwiebeln, Gurke, Speck, Portobello.

 

 

Mit Messer & Gabel servieren, restliches Chutney und Sauce zu Nachnehmen anbieten.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
www.kochtext.de