Flower Sprouts-Salat mit Birnen, Pilzen und Speck

Vorspeise für 4 Personen von Peter Wagner

Flower Sprouts-Salat mit Birnen, Pilzen und Speck

Wer bei dem Stichwort „Kohl“ reflexhaft die Nasenklammer aus der Hosentasche holt, ist bei diesen Sprösslingen im falschen Film. Alle anderen sollten ruhig mal abbeißen von der neuen Minikreuzung aus Rosen- und Grünkohl – die Flower Sprouts.

 

Angeblich eineinhalb Jahrzehnte Forschung musste das britische Gemüsesaatgut-Biolab „Tozer Seeds“ im südlichen Speckgürtel Londons investieren, um 2015 endlich eine gleichermaßen hübsch anzusehende, einfach anzubauende und oben drein auch noch halbwegs wohlschmeckende Kreuzung aus Rosenkohl und Grünkohl als Prototyp pflanzfähig anbieten zu können. Inzwischen sind die wenige Zentimeter kleinen, rot-grünen Köhlchen auch in einigen gut sortierten deutschen Gemüseabteilungen und -fachgeschäften aufgetaucht – und prompt zum Liebling der „Superfood“-Szene avanciert.

 

In den anglo-amerikanischen Medien stritt man sich dagegen zunächst darüber, ob die kleinen grünen Dinger noch „Sprouts“ (Sprossen) oder doch schon kleine Kohlröschen sind. Der „Telegraph“ deutschtelte zu diesem Thema gar: „Their Sproutlichkeit has gone“. Tja, da müssen auch wir mit einer kleinen Träne im Kochschürzenkopfloch beistimmen: „Good bye you tiny Sprossiness“.

 

Das kommt davon, wenn man den Unwissenden jenseits der Brexitgrenzen einen neuen Produktbegriff hinwirft, ohne zu erklären, dass sich dieser auf das britische Wort für Rosenkohl („Brussels Sprouts“) bezieht und die Neuzüchtung mit viel Fantasie ein bisschen wie eine Blüte aussieht. Leider wird damit auch die zweite Bedeutungsebene verschüttet, denn mit der Sprosslichkeit der Flower Sprouts war ja primär gemeint, dass sie mit ihren sich willig öffnenden Blättern die knospige Verschlossenheit des Rosenkohls verhöhnen.

 

Geschmacklich liegen sie allerdings genau dort, wo sie ihre Zuchtväter haben wollen: Die Sprouts verbinden die nussige Frische roher Grünkohlblätter – in den USA noch immer „Kale-Superfood“ (die kleinen Neuen heißen dort liebevoll „Kalettes“) –¬ mit dem milden, süßlichen Aroma junger Röschen, von denen sie auch die ultrakurzen Garzeiten haben. Flower Sprouts sind ähnlich wie die von Sterneköchen gerne einzeln abgefummelten Rosenkohlblättchen ratzfatz gekocht: In der Pfanne mit wenig Öl oder der Mikrowelle bei 600 Watt zwei bis drei Minuten, im Salzwasser maximal fünf Minuten.

 

Darin sollten sie aber wie alle anderen Kohlsorten eigentlich nicht gegart werden. Warum sollte man auch die schönen und in den Flower Sprouts reichlich gespeicherten Mengen an Eisen und Calcium, sowie den Vitaminen K, C und B6 mit dem Kochwasser in den Ausguss schütten. Zumal dieses Gemüse im Winter recht gut auch im Gewächshaus gedeiht und uns zum Ende der kalten Monate mit frisch geernteten Vitalstoffen versorgt, ohne gleich einen schweren Magen zu hinterlassen: Die Sprouts haben gerade mal 45 Kalorien pro 100 Gramm.

 

In der Alltagsküche sind die Blümchenspröttchen ganz entgegen des immer stärker schollenbetonenden Regionalkochmainstreams echtes Kulinarik-Multikulti: Sie schmecken hervorragend kalt als Salat (siehe unten), blanchiert als Beilage zu Fischfilets oder im Schinkenmantel gebratenen Hühnerbrustfilets, im mediterranen Pasta-Kontext mit Pilzen, Parmesan und Fleisch (Tomaten oder Paprika passen weniger gut),. Ebenfalls sehr fein kurz angebraten mit ofengeschmorten Kürbisspalten und krossem Speck, aus dem WOK mit Ingwer, Chili und Teriyakisoße, und natürlich in jede beliebigen zeitgemäßen „Superfood“-Begleitung von Haferwurz bis schwarzem Quinoa.

 

Wir haben uns nach ein paar Tests mit den Röschen für die Zubereitung als „Flowersprouts-Salat mit Birnen, Pilzen und Speck“ entschieden, weil die kohlig-senfig-bitteren Noten der Sprouts in Verbindung mit einer umamistarken Vinaigrette einen herrlichen Kontrast aufbauen können zu der mürben Süße der Birnen und der krossen Salzigkeit der hauchdünnen Speckscheiben.

 

Die Brücke zwischen beiden Lagern bilden die zunächst zur Aromenkonzentration trocken in der Pfanne gerösteten Mini-Saitlinge. Die kommen als einzige Komponente direkt vor dem Servieren noch pfannenheiß in den kalten Salat und erzeugen damit eine letzte, wohlige Erinnerung an die lange dunkle Jahreszeit.

 

© 2017 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 20 Minuten
Zubereitungszeit: 10 Minuten
Level: commis de cuisine
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

Salat
500 g Flower Sprouts
300 ml Geflügelfond
1 Prise Pfeffer aus der Mühle
1 Birne, feste Sorte
50 g Butter
1 EL Rohrzucker
100 ml Weißwein
150 g Saitlinge, frisch
1 Prise Salz
25 g Butter
100 ml Geflügelfond
1 Prise Pfeffer aus der Mühle
12 Scheiben Tiroler Räucherspeck
8 Radieschen
1 TL Meersalz, fein
Vinaigrette
1 Limette, der Saft davon
5 EL Haselnussöl
1 Prise Salz und Pfeffer

Wein-Tipp

Marchesi di Barolo Grignolino DOC 2014

Ein mineralischer Riesling wäre naheliegend, doch wir fanden einen frischen hellroten Piemonteser, der noch besser passt: Der Marchesi di Barolo Grignolino DOC 2014 besteht zu 85 Prozent aus der Rebsorte Grignolino, die helle und jung zu trinkende Weine erzeugt und hier mit genau der richtigen Dosis Nebbiolo zu einem tollen Salatbegleiter verschnitten wurde – unbedingt leicht gekühlt servieren (14°C) und beim Abgang darauf achten, wie schön die feinen, leicht bitteren Tannine mit dem Kohl harmonieren.

Musik-Tipp

Erdverbunden und luftig zugleich, das war auch die Stimme des 2014 verstorbenen Jazz- und Soulstars Jimmy Scott, dessen musikalisches Vermächtnis nun sein deutscher Produzent mit „I Go Back Home“ (Rough Trade) vollendet – Jimmys Lieblingssongs, eingespielt mit illustren Gästen wie Till Brönner, Arturo Sandoval oder Dee Dee Bridgewater.

Zubereitung

Salat

Flower Sprouts unter fließendem kalten Wasser gut abwaschen, in Salatschleuder oder mit Küchenkrepp abtrocknen, am Strunk kreuzweise einschneiden.

 

 

Fond in Pfanne aufkochen, Flower Sprouts 3 Min. blanchieren und pfeffern,

 

 

aus Pfanne nehmen. Verbliebenen Fond auf die Hälfte reduzieren, abkühlen lassen und für die Vinaigrette verwenden.

 

Birne schälen und längs in Spalten vierteln. Schnittflächen mit Zucker bestreuen und 10 Min. ziehen lassen. Butter in kleinerer Pfanne erhitzen, Birnen auf den Schnittkanten jeweils goldgelb karamellisieren (ca. je 2-3 Min.). Birnen mit den Schnittflächen nach oben drehen, Hitze voll aufdrehen, Wein zugeben und 3 Min. aufkochen.

 

 

Birnen vorsichtig entnehmen. Verbliebenen Pfanneninhalt auf die Hälfte reduzieren, abkühlen lassen und für die Vinaigrette verwenden.

 

Saitlinge in beschichteter Pfanne ohne Fett mit etwas Salz anrösten.

 

 

Deckel schließen. Sobald Flüssigkeit aus den Pilzen austritt, Deckel entfernen, Butter einschmelzen, pfeffern und Fond zugießen. Flüssigkeit auf ein Viertel einreduzieren, Pilze entnehmen und warm stellen. Verbliebenen Pfanneninhalt abkühlen lassen und für die Vinaigrette verwenden.

 

Speckscheiben auf Backofenrost legen und bei 220°C Umluft kross backen. Auf Gitter abkühlen lassen.

 

 

Radieschen auf Hobel in dünne Scheiben schneiden, auf Küchenbrett nebeneinander legen und gleichmäßig einsalzen.

 

Vinaigrette

Aus den Zutaten und den restlichen Pfanneninhalten von Kohl, Birne und Pilzen eine homogene Vinaigrette mixen. Flower Sprouts durch die Sauce ziehen und 15 Min marinieren.

Anrichten

Flower Sprouts in Sieb gut abtropfen lassen und auf vier tiefe Teller (z.B. Pastateller) verteilen. Birnenspalten, Radieschen und Speck verteilen, warme Pilze verteilen und sofort servieren.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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