Gerd Wolfgang Sievers
Der österreichische Koch und Buchautor Gerd Wolfgang Sievers gewann bereits zweimal den begehrten Gourmand World Cookbook Award. Das könnte mit diesem Buch auch gelingen. Einziges Manko dieses handlichen Exkurses zwischen Pekingente und Wiener Backhendl sind die steinlangweiligen Fotos.
Von dem Wunsche König Heinrich IV., jeder Franzose möge Sonntags ein Huhn im Topf haben, bis zum Europäischen Standardhuhn mit sechs Wochen Lebenserwartung waren es fünfeinhalb Jahrhunderte. Eine solche Standardisierung konterkariert natürlich den Wunsch des Königs , Geflügel erschwinglicher zu machen, haben doch die grauslichen Zustände in Hühnerkäfigen, Puten, die sich wegen ihrer Brust nicht auf den Beinen halten können und Gänse, die bei lebendigem Leib gerupft werden, vielen den Appetit auf Geflügel restlos verdorben.
Mit den Geflügel-KZs ging auch viel Produktwissen verloren. Ein befreundeter Kinderarzt sagte mir beispielsweise, er hätte im Winter wesentlich weniger verschnupfte Kinder in seiner Praxis sitzen, wenn sich die Eltern an seine Empfehlung halten und für die Rotzlöffel eine klassische Hühnerbrühe aus einem ganzen Suppenhuhn zubereiten würden. Wie man Geflügel lebensmittelsicher behandelt, welche vielfältigen Zubereitungsmöglichkeiten ein ganzes Huhn oder Ente bietet im Gegensatz zum wabbeligen Bruststück oder der Keule, das wissen immer weniger Amateure.
Und schon hier setzt Gerd Wolfgang Sievers prima an. Seine Einteilung läuft von „Suppen & Eintöpfen“, „Vorspeisen“, „Teigwaren, Reis & Eierspeisen“, „Huhn als Imbiss“ und „Klassikern aus der ganzen Welt“ oder „Ethno-Hühnern“ bis zu den besonderen Hühnern zwischen elegant, modern, rustikal, gutbürgerlich, gegrillt.
Die Rezepte – sehr übersichtlich gelayoutet, allerdings sehr österreichisch geschrieben – geben präzise an, was gebraucht wird. Hühnerschenkel, kleinere Enten, Hühnerkeule ohne Knochen, Hühnerflügel, Brathuhn, Hühnerbrust, Masthuhnbrust, Freilandhuhn...
Die Warenkunde, wie sie beispielsweise die alten Teubner-Bücher hatten, entfällt damit; wer sich anhand von Fotos orientieren will, wie er bei einem Hähnchen vor dem Grillen die Wirbelsäule entfernt, wird im Internet mittlerweile viel besser bedient. Aber wem gefällt, dass Sievers bei der Zubereitung seiner Hühnerleber-Mousse auf französische (fetthaltigere) Crème fraîche besteht, dass er wirklich Ahnung von Länderküchen hat und diese deshalb zwischen jiddisch, belgisch und japanisch absolut korrekt zubereiten kann, der ist mit diesem Buch wirklich sehr gut bedient.
Sievers, der das weltweit einzige Buch über Schnecken in der Küche geschrieben (I wonder why...), steuert auch eigene Rezepte zu, die teilweise etwas gewöhnungsbedürftig sind, es sei denn, Sie wollten schon immer wissen, was Sie mit Hahnenkämmen anstellen sollten. Außerdem wurden die Rezepte extrem schludrig lektoriert, hier sollte auf jeden Fall das Hirn vor dem Herd eingeschaltet werden. Immerhin aber deckt er mit den Rezepten gut die weite Welt des Federviehs – auch geographisch gesehen – ab.
Fazit: Vorrangig, das sollte man wegen des doch irreführenden Buchtitels sagen, geht es um Hühnerrezepte (182) im Vergleich zu anderem Geflügel (45), aber das Buch lohnt sich unbedingt, wenn man schon etwas kochen kann – damit man nicht auf die Rezeptschlampigkeiten reinfällt.

Gabriele Gugetzer
Gabriele Gugetzer
Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.
gugetzer@kochmonster.dewww.kochmonster.de
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