Karl-Josef Fuchs

Wild & mehr

kochbuch

Wild & mehr
Karl-Josef Fuchs:
"Wild & mehr"
Erscheinungsjahr: 2008
226 Seiten
80 Rezepte
39,90 EURO
ISBN: 978-3937963808

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Wild & mehr Bewertung: 3 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Vermutlich kann der geschätzte Herr Fuchs daheim im Schwarzwälder Münstertal sein Wildbret notfalls vom Balkon aus schießen – naheliegend also, die weitreichenden Erfahrungen mit frei von Stall und Hirten groß gewordenem Getier für die Hobbykoch-Gemeinde niederzuschreiben, zumal auch Fuchs’ Restaurant „Spielweg“ laut vieler Rezensionen mit freundlichem Service und gelungenen Wildgerichten punktet.

 

Streifen wir kurz die Vorzüge seines LP-formatigen Buches, dann nämlich bleibt mehr Platz fürs Wesentliche. Speziell von den Regionen nördlich von Neckar und Main aus betrachtet, traut Fuchs sich erfreulicherweise Einiges. Ob Hirschkalbsnierle oder Blätterteigschnecke mit Wildschweinkopf, Kalbskutteln mit Osso Buco vom Reh oder Apfel-Meerrettichsuppe mit Gamsleber – das geneigte Filet-Publikum wird bestenfalls sich selbst auf die Unterlippe, kaum aber in solche Schmankerl beißen. Umso wichtiger, dass sie hier nicht fehlen.

 

Zudem dürfen sämtliche Gerichte als weitgehend mühelos nachkochbar bezeichnet werden, auch wenn die Arbeitsschritte oft recht detailarm beschrieben werden, aber kaum einmal versteigt sich Fuchs in Sphären, die nur eingespielte Kochbrigaden erfolgreich besiedeln.

 

Womit wir auch schon bei der ersten Krux dieses mit viel Lust an der großzügigen Platzverschwendung aufgemachten Werkes wären. Ohne einen höchst vertrauenswürdigen und ambitionierten, seinem Repertoire verpflichteten Metzger im Nachbardorf sind viele der Gerichte gar nicht erst zu servieren. Dort nämlich ersteht Herr Fuchs nicht nur die fertig weich gekochten Kalbskutteln für oben genanntes Rezept und sein feines Kalbsbrät fürs Crépinette von der Taube, hierhin schickt er auch jene Hobbyköche, die saure Alblinsen mit Rehbratwürsten dekorieren möchten.

 

Wer 40 Euro für ein Wildkochbuch ausgibt, der will allerdings gern wissen, wie sich diese Würstchen herstellen lassen und nicht, dass man sie kaufen, braten und dann aufessen kann. Bei einem Thema, dass den Kochschürzenträger fernab geschäftstüchtiger Jagdgemeinschaften oder auch nur -reviere ohnehin schon vor arge Beschaffungsprobleme stellt (Gamsleber und Ochsmaul), sollte nicht auch noch der Kauf von Zutaten aus dem Convenience-Bereich empfohlen werden, zumal die Suche nach einer brauchbaren Wildlyoner zweifelsfrei fast überall nur Frustrationen generiert.

 

 

Fuchs patzt aber auch handwerklich: Ein schönes Hirschkalb-Tatar braucht ein scharfes Messer, aber bitte nicht die feine, alles zermatschende Scheibe des Fleischwolfes – und je zwei Esslöffel Ketchup und Weißweinessig sollten dort, wo sich Fuchs und Hase unter Sternen Gute Nacht sagen, nichts zu suchen haben.

 

Meister Fuchs pflegt dazu eine extravagante Liebe zu Variationen von Surf & Turf, die fragwürdige Blüten treibt. Mögen Fasanenbrust auf Pulpoterrine und Hirschkalbsgulasch mit gebratenem Seeteufel noch angehen, muss auf Hirschrückenmedaillons über der Scheibe Kalbsbries nicht auch noch eine Auster thronen. Nur ein Narr, so sagt völlig richtig ein chinesisches Sprichwort, häuft ein Vergnügen auf das andere.

 

Da nützt es auch nichts, andernorts Hirschsalami und Bergkäse mit Früchtebrot zum originellen Gericht zu küren – so etwas gehört hier so wenig her wie ein alternativ gespickter Käseigel.

 

Bleibt noch ein Wort zu den Fotos, die leider das Bild oft abrunden. Die Spargelchartreuse mit Rehfleischküchle und Joghurt-Gurkensauce wird leider in umgekehrter Tiefenschärfe-Reihenfolge ihrer Bedeutsamkeit abgelichtet, als könne der simple Dip Hauptdarsteller sein. Und so lieblos (und wiederum falsch arrangiert) wie die Gänseleberterrine mit Schokoladensalz und Rehmedaillons möchte niemand lukullische Genüsse bebildert sehen.

 

Natürlich wird nicht alles so heiß gegessen wie gekocht, und Karl-Josef Fuchs hält durchaus etliche Appetit machende Rezepturen parat, macht Mut auf wilde Innereien und bietet dankenswerterweise auch ein paar Grundrezepte, etwa für Wildfond und Wildjus im Anhang. Insgesamt aber bleibt sein Brevier so durchwachsen wie eine schön marmorierte Iberico-Schulter.

 

Nur bei dem Schwein aber klatschen wir dafür auch Beifall.

 

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Rezensent

Stefan Krulle

Stefan Krulle

Der Journalist lebt ohne Mikrowelle und Tütensuppenschublade in Hamburg und gesellt sich in jeder Umfrage zum männlichen Koch- und Essverhalten gern zur Minderheit.