Michael Wollenberg

Richtig Wild!

kochbuch

Richtig Wild!
Michael Wollenberg:
"Richtig Wild!"
Erscheinungsjahr: 2009
128 Seiten
50 Rezepte
19,95 EURO
ISBN: 978-3-86803-253-6

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Richtig Wild! Bewertung: 4 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Was sollte ein Kochbuchautor als wirklich allerletztes sein? Richtig: arrogant. Michael Wollenberg, größter Auf- wie Absteiger der Hamburger Gourmet-Szene in Personalunion, pflegt hier als Autor bodenständig zubereiteten Wildbrets neue Bescheidenheit, rutscht aber dann und wann doch auf glattem Parkett aus.

 

Nehmen wir etwa die Taube mit geschmortem Kopfsalat. Ein schönes Rezept mit einem ebensolchen Bild gleich nebenan. Wer nun allerdings die teuren Täubchen sanft in Butter vorgebraten hat und sie sodann dem Rohr anvertrauen möchte, sucht vergeblich nach einer Angabe des einstigen Sternekochs, bei welcher Temperatur er die feinen Vöglein zu garen geruht. Eine Notiz, die uns durchaus interessiert hätte. Zumal bei einem Wildvogel, den man sich nun nicht eben jede Woche zubereitet.

 

Ansonsten aber bleibt eine ganze Menge Lob für den Herrn Wollenberg zu verteilen. Seine Rezepte besitzen Pfiff, aber keine trikontinentalen Saucenspiegel; der Leser erfährt Wissenswertes über Saisonalität, Behandlung und Eigenarten der wilden Grundzutaten und darf sich zudem an Appetit machenden Fotos erfreuen, was leider beileibe kein Standard in der Kochbuch-Literatur ist. Seine Ingredienzen sind, so denn erst einmal der einigermaßen vertrauenswürdige Lieferant des Wildbrets ermittelt ist, allesamt auch außerhalb der Metropolen erhältlich und über eine Profiküche muss der ambitionierte Hobbykoch auch nicht wirklich verfügen.

 

All dies wäre noch vor einigen Jahren bei einem Buch von Wollenberg wohl undenkbar gewesen. Damals galt der Hamburger als Senkrechtstarter, der sich alsbald in Schickeria-Kreisen verlief und irgendwann das Handtuch warf. Inzwischen hat er das Restaurant „Wattkorn“ vom einzigen noch größeren Verlierer des hanseatischen Kochduells, Josef Viehauser, übernommen und pflegt dort in fast bajuwarischer Gemütlichkeit eine leicht elaborierte Landhausküche zu höchst erschwinglichen Preisen. Spezialität: Natürlich Wild. Manchmal gar vom Patron selbst erlegt, wovon etliche Schnurren und Fotos des nur 128 Seiten dünnen Buches Kunde tun.

 

Der Freund von Dam-, Schwarz- oder Rotwild, von Täubchen und HaseWachtel oder Wildente findet hier 50 Rezepte, die einem auf den ersten Blick nicht unbekannt vorkommen, bei genauerem Hinsehen aber schöne Ideen in sich tragen. Die Sellerieterrine zum Hasenfilet, Himmel und Erde mit Wildschweinblutwurst, die selbst gepökelte Rehzunge, ein zuckerfreier Baumkuchen zur Wildentenbrust oder das Hamburger „Rundstück warm“ (halbes Brötchen mit einer Scheibe Braten und Sauce) vom Wildbraten bieten erholsame Abwechslung vom ewigen Rehrücken mit Rotkohl, Preiselbeerbirne und Kartoffelkroketten.

 

Foto: Abigail Crane

 

Dank der „Wildbratwürstchen vom Schlachter“, (häufiger Fauxpas bei Spezialkochbüchern: welcher Schlachter, bitte, hat schon Wildbratwürstchen in der Kühltheke liegen?) warten wir weiterhin auf das Rezept zum Würstchen selber machen. Schön dagegen: ein paar passende Desserts runden das Angebot ab.

 

Fazit: Hätte sich Michael Wollenberg bei der Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte nicht gar so viel Textverzicht auferlegt, dieses "Kochbuch des Monats Januar 2009" hätte das Zeug zum modernen Klassiker. So bleibt es ein immerhin erfreulicher Ideengeber. Alles halb so wild!

Rezensent

Stefan Krulle

Stefan Krulle

Der Journalist lebt ohne Mikrowelle und Tütensuppenschublade in Hamburg und gesellt sich in jeder Umfrage zum männlichen Koch- und Essverhalten gern zur Minderheit.