Johanna Maier

Himmlisch gut!

kochbuch

Himmlisch gut!
Johanna Maier:
"Himmlisch gut!"
Erscheinungsjahr: 2009
272 Seiten
70 Rezepte
39,90 EURO
ISBN: 978-3899104356

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Himmlisch gut! Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Tim Mälzer brät jetzt Bratkartoffeln, und das vor laufender Kamera. Irgendwie passt das zu Norddeutschland, seiner Heimat, und es passt auch zu Mälzer, der inmitten all der Fusion- und Molekular-Verrückten unter den Kollegen stets wie jener Mann wirkte, dem gerade doll nach einem gut gezapften Pils ist.

 

Neben Johanna Maier aber könnte Mälzer sich wohl fühlen, ihren zwei Michelin-Sternen zum Trotze. Die Österreicherin hat sich mit dem schönsten Konzept moderner Küche in den Olymp gekocht: Sie serviert eine elaborierte, mit Raffinesse versetzte Regionalküche. Bodenständig wie ihre Gerichte ist auch das Buch ihrer Rezepturen ausgefallen – dank mangelnden Snobismusses kann nun jeder ambitionierte Hobbykoch Maiers Werke nachstellen.

 

Naja, fast jeder. So simpel Maiers Ideen sich manchmal auch betiteln lassen, Schmankerl wie die hausgebeizte Spanferkelsulz oder ihr Almochse im Ganzen gegart bedürfen schon einiger Erfahrung, etlicher Gerätschaft und oft mehrerer Stunden konzentrierter Küchenarbeit. So mal eben zwischen Feierabend und Tagesschau lassen sich nur höchst wenige ihrer Gerichte herstellen. Und es bleibt zudem zu hoffen, dass nach dem mutigen Versuch die Teller auf der Festtafel nicht ganz so spartanisch aussehen und blöderweise an jene schlimmsten Tage der Nouvelle Cuisine erinnern, die das geflügelte Wort „sehr übersichtlich“ zeitigten. Zwar machen die prima fotografierten Speisen ihres Buches durchaus Appetit, vor allem aber machen sie ad hoc Appetit auf mehr.

Schweineschnäuzchen und Ochsenmaul

 

 Vorwürfe indes lassen sich dem zutreffend mit „Himmlisch gut“ betitelten Werk keine machen, Maier versäumt weder eine kleine, für die Gerichte dieses Buches ausreichende Sammlung ihrer Grundrezepte anzuhängen, noch darauf, ein paar ausgewählte Rezepturen für den gelungenen Cocktail-Empfang zu offerieren. Und dankenswerterweise kommt sie heimatlichen Traditionen sogar dann noch entgegen, wenn es um die Zubereitung leider völlig aus der Mode gekommener Delikatessen wie Kalbszunge oder Schweineschnäuzchen und Ochsenmaul (Foto) geht. Applaus dafür!

 

 

Laute Buh-Rufe wird sie dagegen aus eine anderen Ecke der Gourmetwelt hören: Manfred Kohnke, Chef des deutschen „GaultMillau“, hat in der letzten Ausgabe Nils Henkel, seinem früheren Liebling vom „Gourmetrestaurant Lerbach“, die vierte Haube vom Kochkopf geschossen, weil sich der erdreistete, in seinem Dreisterne-Genusstempel Heringskaviar anzubieten. Das ist so etwas ähnliches wie Surimi – geräucherte Heringsabfälle, vom Lebensmittelkleister Xanthan zu Kaviar-artigen Kügelchen zusammengehalten.

 

Johanna Maier zeigt in ihrem Buch Löwenmut, bekennt sie sich doch in dem Rezept „ Rochenflügel mit Karfiolröschen, altem Balsamico, weißen Rosinen und leichter Trüffelnage“ (Foto) zur Verwendung des Molekularkochpülverchens „Aktiva“. Dahinter steckt das Enzym Transglutaminase, mit dem man bei „Hertha“ oder „Zimbo“ zum Beispiel Fleischfetzen zu leckeren Formschinkenscheiben zusammenklebt. Maier pappt zwei dünne Rochenflügelfilets zu einer stattlichen Doppellotte aufeinander. Ähnliches geschieht zwar tagtäglich in Hunderten Zwei- und Dreisterne-Restaurants weltweit, so offen hat sich aber noch kein Besternter zu dem Pfannen-Pattex bekannt.

 

 

In schöner österreichischer Tradition stehen dagegen die ausgedehnten Darbietungen auf dem Gebiet figurbetonender Nachspeisen, auch wenn Maiers originellen Desserts vom Liebeskrapferl bis zu den Endorphin-Lollies (die übrigens nicht bloß zurecht so heißen, sondern aus gleichem Grunde auch so aussehen) nicht im Mindesten an die ostalpinen Kaloriensünden unserer frühen Tirolurlaube erinnern wollen.

 

Dank der fast pedantisch exakten Mengenangaben (wie wiegen wir bloß zwei Gramm Maisstärke ab – so ganz ohne Kokainwaage? Wie groß darf eine Viertel Knoblauchzehe sein?) und der kurz, aber dennoch genau geschriebenen Arbeitsschritte macht „Himmlisch gut“ auch dem Amateur viel Mut.

 

Auf Weinempfehlungen hat Johanna Maier ganz verzichtet, zum Ausgleich verzichten wir darauf, ihre etwas reichlich genannten Gewürz- und Gemüsegranulat-Mischungen zu bestellen und denken uns dafür lieber den leicht denkbaren Ersatz aus.

 

 

Fazit: „Himmlisch gut!“ ist die logische Fortsetzung der Linie, die Maier mit den Vorgängern „Johanna Maier“ (2003) und „Meine Kochschule“ (2005) gezeichnet hat. Auch das aktuelle Buch weckt den dringenden Wunsch, möglichst bald einen lauen Sommerabend am Dorfplatz im österreichischen Filzmoos in ihrem Restaurant „Hubertus“ zu verleben, wo Johanna Maier (mittlerweile flankiert von ihrem offenbar ebenso talentierten Nachwuchs) große Küche ohne große Attitüde pflegt. Endlich mal ein Ort, zu dem niemand Christian Rach oder andere TV-Sanierer schicken muss und wo sogar der sonst auf modernistisch geföhnte Jürgen Dollase gern und gut speist. Letzterer nannte Maier gar „Die Heilige Johanna der Kochtöpfe“.

 

 

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Rezensent

Stefan Krulle

Stefan Krulle

Der Journalist lebt ohne Mikrowelle und Tütensuppenschublade in Hamburg und gesellt sich in jeder Umfrage zum männlichen Koch- und Essverhalten gern zur Minderheit.


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