Steak-Reifeprüfung

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

Steak-Reifeprüfung

Das beste Steak der Welt entsteht nicht nur auf der Weide oder in der Pfanne, das Abhängen ist mindestens genau so wichtig. Wir testen mit drei verschiedenen Methoden gereifte Rumpsteaks.

 

Vor der Erfindung der Vakuumiergeräte Anfang der 1970er Jahre reifte Rindfleisch immer nur an der Luft: Der Schlachter oder Metzger ließ es ein paar Tage bis Wochen im Kühlhaus abhängen („Dry Aging“). Durch Austrocknen der Außenschichten verliert es dabei aber bis zu 30 Prozent Gewicht, weswegen sich die gewichtserhaltende und auch sonst praktische „Nassreifung“ („Wet Aging“) im Vakuumbeutel durchsetzte. Heute reift fast alles Rindfleisch im Beutel anaerob, die dabei gebildete Milchsäure macht das Fleisch zart, riecht aber streng und erzeugt metallisch-säuerliches Aroma.

 

 

Aus Qualitätsgründen werden Rinderrücken deshalb in letzter Zeit häufiger wieder trocken gereift – das „Dry Aging“ beschert einen deutlich intensiveren Rindergeschmack und großartige, aber auch wesentlich teuere Steaks. Sehr selten gibt es noch Reifung im dicken Rindertalgmantel und neuerdings ein von einem nordhessischen Metzger optimiertes Verfahren, bei dem die Stücke in einem abgeschlossenen Bad aus Mineralwasser („Aqua Aging“) reifen. Systematische Vergleiche zwischen diesen Methoden wurden nie gemacht, weswegen wir den besagten Schlachter darum baten, für eine Degustation Teile von dem selben Rinderrücken auf dreierlei Art für uns reifen zu lassen.

 

Am 13.10. 2014 wurde hierfür eine deutschen Färse (max. 3 Jahre alte Kuh vor dem ersten Kalben) aus der Rasse Simmentaler geschlachtet, zerlegt, das Roastbeef gedrittelt und bis zum 18.11. fünf Wochen lang auf drei verschiedene Arten gereift. Danach schnitt der Metzger aus den Mustern mehrere gut 5 cm dicke und etwa 350 Gramm schwere Rumpsteaks und schweißte diese für den Kühlversand (bei 1 Grad; kein TK) ein. Drei Tage später fand die Degustation statt.

 

 

 

Erster Eindruck der rohen Steaks nach dem Abwaschen und mehrstündigen Ruhen an der Luft: Fleischfarbe und intramuskuläres Fett (Marmorierung) sind fast identisch; das Dry Aged macht den elastischten Gesamteindruck, die Faser-Enden bleiben auch beim starken Biegen eng gepackt. Im Geruch unterscheiden sich die Sorten erheblich. Beim Dry Aged dominiert das starke Aroma des Fettdeckels den ausgeprägt nussigen Fleischgeruch, während das Aqua Aged so gut wie kein Eigenaroma entwickelt. Das Beutelgereifte hat nach zwei Stunden an der Luft zum Glück den typischen sauren Stich so gut wie abgelegt und riecht jetzt von den Dreien am intensivsten nach Rind. Nach dem Garen erweist sich erwartungsgemäß das Dry Aged als perfektes, wohlschmeckendes und leicht schinkenartiges Edel-Steak mit angenehmer, keinesfalls zäher Elastizität zwischen den Zähnen.

 

 

Beim Aqua Aged ist der Fettdeckel am hellsten, es macht schon roh einen mürben Eindruck, der an Lende erinnert; beim Biegen fächern sich die Faser-Enden leicht auf, die Reifemethode lockert offenbar die Bindegewebezellen zwischen den Fibrillen. In der Pfanne verhält sich die Aqua-Sorte ähnlich wie das Dry Aged: Beide nehmen zügig Farbe an ohne zu verbrennen und fühlen sich auch nach dem dreiminütigen Schockrösten (siehe Rezept) noch angenehm weich und elastisch an. Geschmacklich erweist sich das Aqua Aged als vornehm zurückhaltend, eher edel im Mundgefühl und stark an Filet erinnernd – keiner der Testesser konnte sich erinnern, jemals ein so zartes Rumpsteak gegessen zu haben.

 

 

 

 

Alle drei rohen, zimmerwarmen Steaks haben zwischen zwei Handflächen gehalten eine angenehme Haptik und hinterlassen durch das Anschmelzen (Körpertemperatur) eine hauchdünne Fettung auf den Händen. In der Pfanne nimmt das Wet Aged im heißen Fett deutlich schneller Farbe an, die Maillard-Reaktion (verantwortlich für das Röstaroma) sorgt hier für eine Art Blitz-Karamellisierung – allerdings ziehen sich die ohnehin fest gepackten Fasern rasch und heftig zusammen, das Steak wird zunächst ziemlich hart. Auch am Gaumen fällt das Beutelfleisch im Direktvergleich extrem ab, es ist am Anfang geschmacksärmer als das Aqua Aged, dabei viel fester und trockener am Zahn, entwickelt aber bei längerem Kauen einen seltsamen Nachgeschmack nach Heu und Kuhstall.

 

 

Der Test belegt also, was Freunde hochwertiger Steaks längst wissen: Dry Aging schlägt die Beutelreifung um Längen, aber auch andere Ansätze wie das Aqua Aging bringen spannende Ergebnisse auf den Teller.

© 2014 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 5 Minuten
Zubereitungszeit: 25 Minuten
Level: commis de cuisine

Zutaten

2 Stück Rumpsteak
2 Stück Rumpsteak, Aqua Aged
2 Stück Rumpsteak, Dry Aged
50 g Rinderfett
Maldon Sea Flakes
Pfeffer, bunt, frisch gemahlen

Wein-Tipp

Tenuta dell' Ornellaia Le Volte

Jahrgang: 2011
Region: Italien - Toskana-Maremma
Rebsorte: Sangiovese | Merlot | Cabernet
Geschmack: trocken fruchtig wuchtig
trinkreif ab sofort
lagerfähig bis: 2016
Trinktemperatur: 16-19 °C
Alkoholgehalt: 13,5 % vol.

Bei der Tenuta dell' Ornellaia bietet selbst der 'kleinste' Wein eine überzeugend hohe Qualität. Seine reife und volle Frucht mit Aromen von Balsam und einer grossen Fülle ist begeisternd. Der Geschamck ist harmonisch und sehr augewogen. Die Tannine perfekt integriert, ein wahrer Genuß. Das zeigt sich bereits im Glas. Hier präsentiert sich der Tenuta dell' Ornellaia tief und dicht mit einem wunderbaren Rot, das einen Hauch Purpur in sich trägt. In der Nase wird man sofort von reifen roten Früchten, sowie blumigen und würzigen Anklängen überwältigt. Der Geschmack des Le Volte der Tenuta dell' Ornellaia ist harmonisch und sehr augewogen. Die Tannine dieses toskanischen Rotweins sind perfekt integriert, ein wahrer Genuß.ß.

 

Hinweis: Flasche 2 Stunden vor dem Genuss öffnen.

 



Duemilavini: 3 Sterne für 2003

Gambero Rosso: 1 Glas für 2003

Robert Parker: 90 Punkte für 2007

Veronelli: 2 Sterne für 2003

Musik-Tipp

Wir drehen Grill oder den Herd voll auf zum Steakrösten, was also passt besser als „Full-On!“ (Content), das aktuelle Album des Hamburger Komponisten und Bandleader Chris Walden, der hier seine Big Band zwölf Tracks lang voll auf der Zwölf blasen und grooven lässt.

Zubereitung

Alle Steaks mindestens 3 Stunden vor dem Braten aus der Kühlung nehmen, unter fließendem kalten Wasser abwaschen, sorgfältig trocken tupfen.

 

 

Bei sehr guter Fleischqualität können die Steaks 15 Min. vor dem Braten mit Fleur de Sel beidseitig einmassiert werden. Wenn der Test exakt reproduziert werden soll, muss das Fleisch ungewürzt gebraten und degustiert werden.

 

Backofen auf 85 Grad (keine Umluft) vorheizen, große Anrichtplatte darin erwärmen. Fett in einer unbeschichteten Eisenpfanne stark erhitzen, Alle Steaks auf einmal hochkant auf dem Fettdecken stehend in die Pfanne stellen. 1-2 Min. des Eigenfett ausbraten,

 

 

danach die Steaks pro Seite 90 Sekunden in dem nun extrem heißen Fett rösten.

 

 

Die Steaks auf die Anrichtplatte im Backofen legen. Falls nicht alle Steaks in die Pfanne passen: Das erste in den Backofen gegebene Steak mittig mit einem Fleischthermometer anstechen. Sobald alle Steaks im Backofen liegen, wird die Kerntemperatur des ersten Stücke bei ca. 46-52 Grad liegen.

 

 

Die Steaks im Backofen zur gewünschten Stufe garen: 55 Grad (medium rare/á point) bis 60 Grad (medium/anglaise). Entrecôtes können maximal 65 Grad Kerntemperatur vertragen, Rump- oder Huftsteaks sind da aber oft schon zu durch. Dieser Vorgang kann zwischen 10 und 20 Minuten dauern.

 

Wer einen Grill mit 800-Grad-Zone besitzt, röstet beide Steakseiten zur gewünschten Bräunung und verfährt zur Garung weiter wie bei der Pfannenmethode.

 

Beim Braten/Grillen mit so hohen Temperaturen (gilt auch für die Eisenpfanne) entstehen leckere, karamellige Röstnoten an der Steakoberfläche – der Fleischgeschmack an sich kommt aber bei weniger starker Röstung nicht minder gut zur Geltung.

 

 

Anrichten

Anrichtplatte servieren (am besten auf eine Warmhalteplatte stellen), Steaks nach Belieben mit Pfeffer und Salz nachwürzen und jeweils halbieren, so dass jeder Gast je eine Hälfte pro Reifeverfahren erhält. Wenn der Test ernst genommen wird, das Fleisch möglichst zurückhaltend würzen und bestenfalls ganz ohne Beilagen essen. Ansonsten passt auch ein frischer Wildblattsalat, grüne Bohnen und ein Baguette dazu.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
www.kochtext.de