Turducken mit Süßkartoffel-Mais-Salat und Cranberries-Sauce

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

Turducken mit Süßkartoffel-Mais-Salat und Cranberries-Sauce

Make Truthahn Great Again! Was oder wen der frisch gewählte neue Präsident der Vereinigten Staaten am liebsten vernascht, wird man wohl erst nach dem Inaugurations-Festmahl im Januar wissen. Wir jedenfalls sind da ganz offen und zeigen ihm zu Thanksgiving schon mal drei Vögel: Turducken – Truthahn, Ente und Huhn in einem Rollbraten.

 

Ob der von seiner Schwester zu großen Familienfeiern zubereitete Hackbraten wirklich das Lieblingsessen des neuen US-Präsidenten ist, hat der ansonsten eher im Vorübergehen Fast Food von „Big Mac“ bis „Filets-O-Fish“ mampfende Trump bislang noch nicht verraten. Sein Erstgeborener, Donald Jr, jedenfalls verriet schon mal: „Mein Dad ist nicht der Typ, der im Smoking Kaviar isst. Er ist ein Burger-und-Pizza-Typ.“ Von Letzterer klaubt sich der Milliardär aber meist nur rasch den Belag ab – was im Zuge der No-Carb-Bewegung ein interessanter neuer Diätansatz wäre.

 

Vielleicht sollten auch wir zur Abwechslung ernährungstechnisch mal die alten, ausgetretenen TRUMPelpfade verlassen und gemeinsam mit jenen unglaublichen 50 Prozent der Amerikaner, denen der Sinn nach Wandel steht, zu Thanksgiving am 24. November nicht schon wieder einen trockenen, übergarten Truthahn aus dem Rohr ziehen. Sondern gleich mit drei ineinander gesteckten Vögeln den Erntedank begehen. Schon aus Gründen der Saftigkeit.

 

In den Vereinigten Staaten von Amerika schien es angesichts der vielen Klima- und Jahreszeitenzonen lange Zeit unmöglich, sich auf einen Erntedanktag für alle Amerikaner zu einigen. Also folgte das Volk 1863 dem pragmatischen Vorschlag von Abraham Lincoln, einfach am letzten Donnerstag im November „Thanksgiving“ zu feiern. Eine Völlerei über drei volle Tage: erst der Eiweißschock angesichts schieren Masse des Riesenputers am Donnerstagabend, dann schon ab Mitternacht die massenhaften Weihnachtseinkäufe am beliebten Brückentag "Black Friday" mit seinen aufgewärmten Putenscheiben bis hin zu den vertrockneten Turkey-Sandwiches am Samstagmittag.

 

Und genau hier hilft uns allen nun Turducken weiter. Turducken ist ein sogenanntes Kofferwort, bestehend aus Turkey (Truthahn), Duck (Ente) und Chicken (Huhn) und wurde vor Kurzem sogar ins „New Oxford Dictionary“ aufgenommen. Und seine Bestandteile sind durchaus wörtlich zu nehmen: Der Puter wird teilweise entbeint und mit komplett von Knochen befreiter Ente und einem Huhn gefüllt. Die Zwischenräume sind mit allerlei Farcen (auch hier kennt sich Trump supergut aus) aus Maisbrot, Shrimps oder Wurtbrät gestopft.

 

„Make Thanksgiving Great Again!“ lautet die Devise, und schon sind auch unsere althergebrachten Mengenempfehlungen Makulatur angesichts des mindestens vierundzwanzigpfündigen Dreiervogelmonsters. Geflügel mit Knochen sollte als Hauptgericht eigentlich mit nur 350 Gramm pro Esser bemaßt werden, bei Enten und Gänsen wegen der schwereren Knochen und dem Fett, das sich im Laufe der Zubereitung ausbrät, eher 450 Gramm. Beim Turducken wiegt schon der Truthahn mindestens zehn Kilo.

 

Natürlich wollen wir uns beim heimischen Nachkochen zumindest ein bisschen von unserer europäischen Zivilisiertheit bewahren, die wir uns so mühsam erarbeitet haben seit dem Mittelalter. Jener Zeit, in der die Eliten Braten von mehrfach ineinandergesteckten Nutztieren für en vogue hielten. Zeiten also, in die nicht Wenige sich vom Machtwechsel in den USA jäh zurückgebombt fühlen. Nein, wir specken den flotten Vogeldreier für unser Erntedankrezept „Turducken mit Süßkartoffel-Mais-Salat und Cranberries-Sauce“ erheblich ab und basteln aus der Trio-Grundidee einen 2-Kilo-Rollbraten aus dem Brustfleisch von Bio-Pute und Ente, aus Perlhuhnkeulen sowie feinstem Kalbsbrät – ein Saftstück, das nach Tagen noch aufwärmbar ist.

 

Ähnliche Stopfkunst gibt es auch in England, dort ist aber eine Gans das äußere Tier bei „Gooducken“, in Middlesbrough auch als „Three Bird Roast“ bekannt: In der Gans steckt ein entbeintes Huhn, getrennt durch eine Schicht Räucherspeck. Das Huhn ist gefüllt mit einer knochenbefreiten kleinen Wildente, hier bildet Wurstbrät die Zwischenschicht. Solche in den Fürstenhöfen vergangener Jahrhunderte hochbeliebten Babuschka-Braten sind in England in den letzten Jahren von TV-Köchen wie Antony Worrall-Thompson und Rick Stein wieder hip geworden.

 

Und wer jetzt glaubt, das alles habe mehr mit Frankensteins Monstererschaffung denn mit Festtagsküche zu tun, sollte sich mal unter das gehobene französische Bürgertum des frühen 19. Jahrhunderts mischen. Da nämlich war „Rôti Sans Pareil“ das non plus ultra der Gourmands – 17 ineinandergesteckte unterschiedliche Vogelarten. In seinem 1810 veröffentlichten „Almanach des Gourmands“ beschreibt Alexandre Balthazar Laurent Grimod de la Reynière, Gourmand der ersten Stunde und Begründer der Gastronomiekritik, die Reihenfolge der Vogelschar: Trappe, Truthahn, Gans, Fasan, Huhn, Ente, Perlhuhn, Taube, Waldschnepfe, Rebhuhn, Regenpfeifer, Kiebitz, Wachtel, Drossel, Lerche, Ortolan und Gartengrasmücke.

 

So viel Gevögel wird es selbst unter Donald nicht geben.

 

lars ginsberg <larsginsberg@yahoo.de>

 

© 2016 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 1 Stunde
Zubereitungszeit: 2 Stunden
Level: sous chef
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

Turducken
100 g Kalbsbrät
3 EL Estragon, gehackt
25 g Champignons. weiss
1 Frühlingszwiebel
2 Knoblauchzehen , geschält
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle
1 Ei
2 EL Semmelbrösel
450 g Perlhuhnkeulen - Oberschenkel
600 g Entenbrust, mit Haut, weiblich (140-210 g)
600 g Putenbrustfilet, Bio-Qualität
1 TL Kräutersalz
1 TL Quatre Epices
1 Prise Pfeffer aus der Mühle
3 EL Pflanzenöl
750 ml Chardonnay
400 ml Geflügelfond
1 Karotten, in Scheiben gehobelt
3 Zwiebeln, gehackt
3 Knoblauchzehen, fein gehackt
1 EL Pflanzenöl
300 g Cranberries, frisch
1 Spritzer Sherry, extra trocken
1 Prise Rohrzucker
Süßkartoffelsalat
750 g Süßkartoffeln
0,5 TL Kurkuma, gemahlen
0,5 TL Salz
200 ml Geflügelfond
800 ml Wasser
1 Zwiebel, weiss
250 ml Weißwein, trocken
50 ml Weißweinessig
200 ml Geflügelfond
1 Prise Pfeffer aus der Mühle
0,5 TL Meersalz, fein
1 Zwiebel, rot
250 g Mais (aus der Dose)
4 EL Maiskeimöl
4 EL Malzessig
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle

Wein-Tipp

Velvet Devil Merlot Columbia Valley 2014

Der Kochwein, ein kräftiger, Barrique-ausgebauter Übersee-Chardonnay könnte sehr gut passen. Wir fanden allerdings in der amerikanischen Garagenweinszene einen weitaus besser geeigneten Merlot: Der Velvet Devil Merlot Columbia Valley 2014 des Craftweinmakers Charles Smith Wines stammt aus dem äußersten Nordwesten der USA. Im Staat Washington werden im Moment die spannendsten Rotweine Amerikas gemacht, auch, weil das Klima rauher ist als in den sonnenverwöhnten kalifornischen Anbaugebieten. Der „Velvet Devil“ macht seinem Namen alle Ehre: Er fließt edel und samtartig den Gaumen hinab, ohne auch nur eine Spur von Marmeladigkeit, dafür mit ausreichend unterschwelliger Säure zur Verdauung dieses mächtigen Truthahnentenhühnchens.

Musik-Tipp

Thanksgiving Turkey ist, auch in unserer Rollbratenversion, eine Ikone der USA, weswegen wir beim Schmoren selbstverständlich Rock hören. Einen Alten, der Alt klingt, sowie einen Jungen, der noch viel älter klingt: Toto-Frontmann Bobby Kimballs Soloalbum „We’re Not In Kansas Anymore“  (in-akustik“) birgt entgegen des Titelversprechens selbstredend waschechten Melodicrock der alten Schule, während das blutjunge Ohio-Quartett Eye um die Organistin und Gitarristin Lisa Bella Donna und den mitsingenden Drummer Brandon Smith auf „Vision And Ageless Light“ (Alive) es titelgemäß krachen lassen: 70er-Jahre zwischen Prog und Hard, auf den Spuren von ELP, Black Sabbath und, so weit das möglich ist, Pink Floyd. Zumindest bei der Länge des finalen, cineastischen Psychedelic-Breitwänders, „As Sure As The Sun“, sind sie auf dem richtigen Weg: 27:26 Minuten.

Zubereitung

Turducken

Kalbsbratwurst-Brät und die restlichen Farce-Zutaten

 

 

im Mixer zu einer glatten Masse mixen. Das Fleisch der entbeinten Perlhuhnoberkeulen von der fleischfreien Mitte nach beiden Seiten mit einem vertikalen Schnitt teilen, aber 1 cm vor dem Ende halt machen.

 

 

Diese Fleischtaschen aufklappen, Perlhuhnoberkeulen mit der Haut nach unten leicht überlappend nebeneinander auf ein Brett legen, mit großem Gefrierbeutel belegen und mit Fleischklopfer zu einer gleichmäßige Fläche klopfen. Farce mit Messer gleichmäßig dick aufstreichen. Vorsichtig an der schmalen Seite zu einer festen Rolle aufrollen.

 

 

Auf zweitem Arbeitsbrett die Entenbrüste vorbereiten: Fettschicht mit scharfem Messer ablösen und bereit halten. Brustfleisch mit einem doppelten Butterfly-Schnitt auf die dreifache Fläche aufklappen.

 

 

Leicht überlappend nebeneinander auf ein Brett legen, mit großem Gefrierbeutel belegen und mit Fleischklopfer zu einer gleichmäßige Fläche klopfen. Mit Quatre éspices und Kräutersalz beherzt würzen.

 

Huhn-Rolle an der schmalen Seite auf das Entenfleisch legen und zusammen straff aufrollen.

 

 

Putenbrustfleisch mit einem dreifachen Butterfly-Schnitt auf die vierfache Fläche aufklappen. Leicht überlappend nebeneinander auf ein Brett legen, mit großem Gefrierbeutel belegen und mit Fleischklopfer zu einer gleichmäßige Fläche klopfen. Mit Kräutersalz und Pfeffer aus der Mühle würzen. Doppelte Fleischrolle auflegen und zusammen mit der Pute zu einem dicken, festen Rollbraten rollen.

 

 

 

Mit Küchengarn ringsherum fest verschnüren

 

 

und 1 Stunde in den Kühlschrank legen.

 

Backofen auf 180°C aufheizen. Rollbraten in großer Pfanne im heißen Öl ringsherum goldgelb anbraten, mit den stumpfen Enden beginnen (Braten evtl. mit Fleischzange aufrecht halten). Braten in einen großen Bräter geben, Deckel schließen und in den Backofen stellen. In neuem Fett in der Pfanne Zwiebeln, Knoblauch und Karotten goldgelb anbraten, Cranberries, Weißwein und Fond zugeben, kurz aufkochen.

 

 

Pfanneninhalt über den Braten gießen, Deckel aufsetzen und 2 Stunden schmoren. Backofen danach ausschalten

 

Braten auf Rost umheben und in den ausgeschalteten aber noch heißen Backofen geben. Bräterinhalt mit Zauberstab oder im Mixer fein pürieren, durch Feinsieb abseihen. Diese Sauce evtl. noch etwas einkochen, am Ende mit Sherry und Zucker (evtl. etwas Salz) abschmecken.

 

 

Süßkartoffelsalat

Entenfetthaut in beschichtete Pfanne legen, mit Topf beschweren und bei mittlerer Hitze langsam das Fett ausbraten, bis nur noch krosse Haut übrig bleibt. Das Fett kann z.B. für Rotkohl verwendet werden. Die Knusperhaut auf Krepp entfetten und in mittelgroße Stücke hacken.

 

Süßkartoffeln schälen und in ca. 4 mm dünne Scheiben hobeln. Fond mit Wasser, Kurkuma und Salz aufkochen, Kartoffelscheiben darin bissfest kochen (ca. 5-7 Min.). Abseihen und Kartoffeln etwas auskühlen lassen. Für die Vinaigrette Zwiebel schälen und sehr fein würfeln. Mit Wein, Essig, Fond und Gewürzen 3 Min. sprudelnd kochen, in Salatschüssel umfüllen und leicht abkühlen. Große rote Zwiebel schälen und in Ringe schneiden. Süßkartoffeln in die Vinaigrette geben, Zwiebeln, Mais, Malzessig und Öl zugeben und vermengen. Mit Salz, Pfeffer und Rohrzucker abschmecken.

 

Anrichten

Sämtliche Schnüre am Braten entfernen. Braten mit sehr scharfem Messer oder mit Elektromesser in ca. 3 cm dicke Scheiben schneiden. Scheiben auf vier große Teller verteilen. Salat verteilen, Entenknusper über den Salat streuen, Sauce auf dem Braten angießen und sofort servieren. Übrig gebliebene Sauce, Salat und Bratenscheiben getrennt zum Nachnehmen anbieten und auf dem Tisch warm stellen.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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