Labskaus 3.0

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

Labskaus 3.0

Im Sinne der Provianthaltung der christlichen Seefahrt zu Zeiten vor der Erfindung der Eismaschine 1876 durch Carl Paul Gottfried Linde funktioniert auch dieses norddeutsche Seefahrer-Rezept. Wir wollen unsere in einigen Punkten erheblich verfeinerte Labskaus-Version 3.0 komplett aus Zutaten herstellen, die sich auch außerhalb des Eisschrankes an einem dunklen und nicht zu warmen Ort wie Speisekammer oder Schiffsbauch eine Zeit lang halten: Rüben, Kartoffeln, Gewürzgurken, Essig, Portwein, Speiseöl, Gewürze, Zucker, Eier und fermentierter Fisch (Bismarckhering).

 

Für die eigentliche Labskausmasse, die traditionell aus drei gleichen Teilen von Kartoffel, Rote Bete und Corned Beef besteht, musste in den Zeiten vor der Patentierung der Konservendose Rindfleisch benutzt werden, das durch Pökeln, Räuchern oder Trocknen (oder alles zusammen) haltbar gemacht wurde. Das wollen wir auch: Unser Rind wird erst drei bis vier Tage in Lake gepökelt, anschließend bei Niedrigtemperatur langzeitgegart und schließlich langsam gekühlt.

 

Am Ende dieser Prozedur, die zwar lange dauert, aber wenig Aufmerksamkeit erfordert, steht ein Fleisch, dessen Fasern sich zu dünnen Krümeln schneiden lassen, die aber beim Essen weder trocken wirken noch an Geschmack verloren haben, wie das bei industriell hergestelltem Corned Beef fast immer der Fall ist.

 

Für Cap Hornies und andere sturmgegerbte Seebären ist das alles natürlich unsäglicher Kombüsenschmus. Wer seine Freunde aber mal mit einer wirklich feinen Version davon überzeugen will, dass Labskaus mehr sein kann, als nur scheinbar bereits mehrfach gegessenes Essen, sollte sich mal an dieses aufwändige Rezept wagen.

 

© 2016 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 1 Stunde
Wartezeit: 64 Stunden
Zubereitungszeit: 30 Minuten
Level: chef de partie
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

Labskaus
500 g Tafelspitz vom australischen Black Angus
1 Liter Wasser
150 g Salz
5 g Pökelsalz
75 g Rohrzucker
4 Nadelbohnen
2 Lorbeerblätter
1 TL Pfefferkörner
4 Zimtblüten
5 Wacholderbeeren
2 EL Erdnussöl
600 g Rote Bete, roh
300 g Zwiebel, rot
1 EL Erdnussöl
50 ml Balsamicoessig 8 Jahre alt
50 ml Portwein
300 g Kartoffeln, gekocht, durch Kartoffelpresse gepresst
200 g Gewürzgurken
1-4 EL Gewürzgurkensud
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle
Fischsalat & Garnitur
2 Gelbe Bete-Wurzeln
2 Bismarckheringe
2 EL Limettensaft
1 TL Rohrzucker
2 EL Traubenkernöl
4 Gewürzgurken
4 Wachtelei
2 EL Erdnussöl
1 Prise Fleur de Sel

Wein-Tipp

Craft Bier

Ein Craft Beer, klar, aber eines aus der Gegend, in der seit 500 Jahren nichts anderes gebraut wird: Die Fränkische Schweiz zwischen Erlangen, Bamberg und Kulmbach ist seit jeher geprägt von der weltweit größten Dichte an Kleinstbrauereien. Auch hier übernehmen mehr und mehr junge Biermacher das Ruder und suchen neben den bewährten (in dieser Region meist malzig-weichen) Bierstilen auch die angesagten internationalen Hits. Deshalb trinken wir zum nordischen Labskaus, der natürlich mit einem IPA „Amerikanischer Traum“* der Kleinstbrauer Hopper aus Hamburg genauso gut begleitet wäre, die obergärige, mit US-Aromahopfen „Amarillo“ opulent fruchtig-herb nachgehopfte Weizenspezialität „Summer 69“* der Brauerei Rittmayer aus Hallerndorf im Kreis Forchheim. Dort braut man schon länger Craft Bier. Seit 1422.

Musik-Tipp

Pökeln, Langzeitgaren, Abkühlen, allesamt derart leise Küchentätigkeiten, dass wir uns gern ein bisschen Lärm auf die Ohren klopfen: „The Fall Of Hearts“ (edel) klingt für Uneingeweihte nicht viel anders als die früheren Werke der schwedischen Kirchenanzünder Katatonia, ihr bitterböser Dark Progressive Metal eignet sich aber nach wie vor prima zur Beschallung unbeliebter Nachbarn. Zu Dröhnig? Na gut, dann legen wir einfach  „Blues and Ballads“ (Warner) in den Küchen-CD-Player und lauschen den feinperligen Klavierkünsten von Brad Mehldau, der sich bei Standards zwischen Porter, Parker und (ja, der Beatle) McCartney von Drummer Jeff Ballard und dem Bassisten Larry Grenadier kongenial begleiten lässt.

Zubereitung

Achtung – genügend Vorlaufzeit einplanen: 3-4 Tage Marinierzeit, 1 Tag Abkühlzeit und 6 Stunden Sous-Vide-Garzeit!

Labskaus

Alle Gewürze, Zucker und Salze mit dem Wasser aufkochen, vom Herd nehmen und 1 Stunde ziehen lassen.

 

 

Fettdeckel des Tafelspitz in Rauten schneiden,

 

 

Fleisch im sehr heißen Öl ringsherum anbraten (max. 4 Min.).

 

 

Etwas auskühlen lassen. Sud abseihen und auffangen. Fleisch in dieser Pökellauge vakuumieren

 

 

oder in Gefrierbeutel verknoten und 3-4 Tage im Kühlschrank marinieren. Dabei sollte das Fleisch stets von der Lauge umgeben sein.

 

Fleisch entnehmen, abtupfen und straff vakuumieren.

 

 

Im Sous-Vide-Bad bei 97 °C 6 Stunden garen

 

 

(alternativ im Backofen bei 90°C ohne Umluft, aber auch hier straff vakuumiert). Achtung: preiswerte Sous-Vide.-Beutel könnten bei dieser Temperatur an der unteren Naht aufplatzen. Fleisch entnehmen und im Beutel im unteren Fach des Kühlschranks über Nacht abkühlen.

 

Fleisch aus Beutel nehmen, Fettdeckel abschneiden und fein hacken. Fleisch quer zur Faser in hauchdünne Scheiben schneiden, die sich nun mit zwei Fingern zu einer Art ungebundenem Corned Beef zerbröseln lassen.

 

 

In der Zwischenzeit die Rote Bete unter fließendem Wasser abschrubben, in feuerfeste Form geben, mit Alufolie abdecken und im Backofen bei 200°C 90 Min. garen. Auskühlen lassen, schälen (Schutzhandschuhe tragen) und 300 g für den Salat bereit halten.

 

Zwiebeln schälen, sehr fein hacken, im Öl andünsten, mit Essig und Port ablöschen und dünsten, bis die Flüssigkeit völlig einreduziert ist. Gewürzgurken in sehr feine Würfelchen (Brunoise) schneiden.

 

 

Kartoffeln und Bete grob zerkleinern und miteinander in Kartoffelpresse zu dünnen Fäden pressen.

 

 

Diese Masse mit zwei Gabeln vorsichtig mit den Zwiebeln, den Gurken und dem Fleisch mischen,

 

 

dabei nach und nach Gewürzgurkensud unterheben. Der Labskaus müsste nun auch perfekt gewürzt sein, notfalls evtl. mit Salz und Pfeffer abschmecken

 

Fischsalat & Garnitur

Gelbe Bete schälen, halbieren und in Salzwasser weich kochen. Auskühlen lassen und zusammen mit der restlichen roten Bete in möglichst gleich große Würfel schneiden.

 

 

Bismarckheringe erst in dünne Streifen, dann in Würfel schneiden.

 

 

Vier Streifen für die Garnitur aufheben.

 

Limettensaft, Zucker, Pfeffer und Öl verrühren und unter den Salat heben. 30 Min. ziehen lassen, alle 5 Min. umrühren.

Anrichten

Die kleinen Gewürzgurken blättrig schneiden. Labskaus mit Dessertringen auf vier großen Tellern mittig anrichten, Salat ringsherum verteilen. Aus den Wachteleiern im Öl acht Mini-Spiegeleier braten und auf dem Labskaus verteilen. Mit Fleur des Sal würzen. Dessertringe abziehen, Garnitur-Fischstreifen auflegen und rasch servieren.

 

Der Labskaus kann kalt oder heiß serviert werden, am besten schmeckt diese Version handwarm.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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