Flensburger Heringshappen
Vorspeise für 4 oder Hauptspeise für 2 Personen von Peter Wagner

Wer nicht sofort mit einer Diät anfangen will, kann sich erst mal langsam runterschrauben. Mit Hering und Kartoffeln zum Beispiel – besonders prickelnd durch Zugabe eines leicht giftigen Pfeffers. Die Früchte des brasilianischen „Pfefferbaumes“ (Schinus terebinthifolius), der auch in Mittelamerika wild wächst, haben nur die kleine runde Form mit dem bekannten Gewürz gemein und gehören deswegen zu den „Falschen Pfeffern“. Sie gelten wegen einiger allergener Stoffe wie Phellandren, Urushiol oder 3-Caren als leicht giftig, weshalb Zucht und Anbau in einigen US-Bundesstaaten verboten ist – in Florida aber auch, weil die Pflanze heimische Gewächse massiv überwuchert. Die in Europa gehandelten Beeren stammen meist von der französischen Insel Reunion, hier ist der maximale Gehalt an 3-Caren gesetzlich festgeschrieben.
Über die tatsächliche schädliche Wirkung der Beeren auf den Menschen gehen die Meinungen auseinander. Während etliche Gewürzhändler sie nicht im Programm haben, weil die kleinen Kullerer Hautallergien auslösen und ihre Dämpfe Kopfschmerzen erzeugen können, steht ein wissenschaftlich haltbarer Nachweis der Giftigkeit aus. Andererseits ist rosa Pfeffer kein Alltagsgewürz, und in normalen Mengen genossen ist er auch als Bestandteil von Pfeffermischungen unproblematisch.
Kulinarisch sind die Beeren dagegen sehr interessant, denn sie vereinen Geschmack, Textur und Schärfe in einer Eleganz, die bei den so genannten „Echten Pfeffern“ selten zu finden ist: Beim Draufbeißen sind sie kross, aber nicht hart; sie schmecken zunächst süß, dann etwas bitter und erst mit kleinem zeitlichen Abstand wird die zarte Schärfe spürbar, die das Gewürz zu einem beliebten Aromatisierer für feine Fischgerichte macht.
Deshalb finden sich rosa Pfefferbeeren auch in vielen cremigen Fischsalaten. Ein nachhaltiger Genuss, denn Hering gehört zum Glück noch zu den wenigen Fischarten, die man ohne Öko-Bedenken verspeisen kann. Der WWF-Fischratgeber empfiehlt aktuell zwar Zurückhaltung bei Fängen aus der Ostsee, doch fast alle in Deutschland gehandelten Heringe (Clupea harengus) wurden aus den riesigen Beständen im Nordost-Atlantik gefischt.
Neben dem selbst für eingefleischte Fischfreunde zu streng schmeckenden Matjes – die im Fisch verbleibende Bauchspeicheldrüse sorgt bei der Reifung hier für extreme Fermentierungs-Aromen – kommt dieser Meeresbewohner hierzulande am häufigsten geräuchert („Bückling“), gerollt („Rollmops“), als süß-sauer marinierter Brathering, vor allem aber als Hauptzutat diverser Heringssalate auf die Teller.
Bei der Sortenvielfalt dieser Mayo-Zubereitung gibt es ein klares Nord-Süd-Gefälle: Während in Meeresnähe fast jedes Kind den Unterschied zwischen Hamburger und Finkenwerder Heringstopf kennt (sind identisch bis auf die gebratenen Speckwürfel wie bei „Scholle Finkenwerder Art“), finden sich in den Frischeregalen südbayrischer Supermärkte allenfalls der Sahnehering und die Dillhappen.
Im Norden wird mindestens ein Dutzend weiterer Salatvarianten auf Hering-Mayonnaise-Basis (manchmal durch Joghurtzugabe unter die typischen 35% Fett gezogen) gehandelt: Der „Husumer Sahnetopf“ zum Beispiel hat Tomatenstückchen zwischen den üblichen Äpfeln und Zwiebeln, mit Radieschen statt der Tomaten heißt er „Störtebeker Heringstopf“. Mit Nordseekrabbenfleisch unverständlicherweise „Scharbeutzer Fischtopf“, während der einfache „Rote Heringssalat“ trotz der farbgebenden Bete gegen den „Sylter roter Heringssalat“ arg abstinkt, ist dieser doch mit Eiern, Schinken, Kapern und Mandeln aufgeporscht.
Auf die Pfefferspur bringt uns der mit weichen grünen Pfefferkörnern gewürzte „Göteborger Heringstopf“ zurück, wobei wahrscheinlich niemand, den wir dorthin wünschen, wo der Pfeffer wächst, ausgerechnet in Westschweden landen wird. Egal, schließlich gedeiht in Flensburg auch kein Schinus terebinthifolius, und trotzdem unterscheiden sich Heringssalate mit dieser Stadt im Namen von den anderen Sorten durch die Zugabe der rosa Beeren.
Aus diesem Grunde nennen wir das heutige Rezept einfach mal „Flensburger Heringshappen“. Die kann man, je nach dazu gereichter Dampfkartoffelmenge, als Vorspeise oder Hauptgericht verspeisen – sehr gut auch in Ernährungspatchworkfamilien: den Vegetariern am Tisch einfach eine Schüssel Kräuterquark zu den Kartoffeln hinstellen.
Heringshappen
4 | Bismarckheringe |
1 | Zwiebel, rot |
1 Stange | Sellerie, Stange |
1 | Essiggurke, in Scheiben geschnitten |
75 g | Apfelwürfel |
100 g | Joghurt, griechisch, 10 % Fett |
50 g | Crème fraîche |
75 g | Frischkäse |
50 g | Mayonnaise |
2 EL | rosa Beeren („roter Pfeffer“) |
1 TL | Zitronensaft, frisch gepresst |
1 TL | Zucker |
2 EL | Dill, frisch gehackt |
1 EL | Weißweinessig |
1 Prise | Salz |
Beilage & Deko
500 g | Kartoffeln, halbfest kochend |
Sellerieblätter, englisch |
Dill, frisch |
Braufactum Soleya Saisonbier
Bismarckheringe sind zwar nicht durch Fermentation haltbar gemacht (was bei Matjes einen sonst als deutlich zu restsüß empfunden Wein erfordert), aber letztlich passt zu dieser nordischen Speise tatsächlich am besten ein kaltes Bier. Braufactum, Vorreiter der aktuellen Craftbeer-Bewegung, hat mit dem Soleya ein hervorragend mit Fischgerichten hermonierendes typisch wallonisches Saisonbier gebraut, dessen leicht exotisches Ananasaroma von einer klaren bitteren Kante konterkariert wird, die von der Kalthopfung her rührt – australischer Aromahopfen („Enigma“) wird dem Sud erst nach der Hauptgärung beigemischt.
Heringshappen
Bismarckheringe trocken tupfen, längs teilen, in Streifen schneiden.
Zwiebel schälen und in Ringe schneiden. Sellerie entfädeln, längs in vier Streifen und dann in kleine Würfel schneiden.
Essiggurke fein würfeln. Aus den restlichen Zutaten die Salatsauce anrühren, nicht zu stark salzen. Hering, Sellerie, Apfel und zwei Drittel der Zwiebeln unterheben.
Beilage
Kartoffeln unter fließendem Wasser abbürsten und im Kombidämpfer (oder Kochtopf mit Dämfpeinsatz) weich garen. Nicht schälen. Kurz ausdampfen lassen und in ca. 2 cm dicke Scheiben schneiden.