Christian Rach

Das Kochgesetzbuch

kochbuch

Das Kochgesetzbuch
Christian Rach:
"Das Kochgesetzbuch"
Erscheinungsjahr: 2008
320 Seiten
160 Rezepte
29,95 EURO
ISBN: 978-3-86803-290-1

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Das Kochgesetzbuch Bewertung: 4 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Obwohl physisch gesehen ein dünnes Hemdchen gegen sein TV-Vorbild Gordon Ramsay, erreicht Christian Rach als "Der Restauranttester" sogar mit wiederholten Folgen Spitzen-Einschaltwerte. Damit hängt er natürlich auch den Hammer für sein eigenes Kochbuch sehr hoch.

 

Wer nun erwartet, Rach würde hier die Sternetricks seiner Highend-Küche im Hamburger "Tafelhaus" verraten, wird das Buch enttäuscht weglegen. Rach-Kompositionen wie "Kabeljau mit Grünkohl, Salzzitronen und gehacktem Ei (€ 39,00), "Gebratene Gänseleber mit Essigmost, Himbeeren und Kartoffelstampf (€ 28,00), oder gar "Zweierlei vom Hasen mit Brotmaultaschen, Rosenkohlblättchen und Maronen (€ 43,00) sind hier nicht rezeptiert.

 

Unter den Rezepten finden sich dagegen mediterrane Leichtgewichte wie "Cremige Polenta mit Gorgonzola und Birnen" und "Kalbssteak mit Calamaretti und Pesto", asiatische Zitate ("Hühnchen-Kokos-Suppe"), aber auch bodenständig Bürgerliches wie "Arme Ritter" und "Labskaus". Keine Frage also: wer schon kochen kann, wird sich dieses Buch ganz bestimmt nicht wegen der Rezepte kaufen.

 

Muss er auch nicht, denn Rach strukturiert sein gesammeltes Kochinsiderwissen hier clever entlang seiner 185 "Kochgesetze". Die sind mal launig ("Artikel 1: Nehmen Sie die Gesetze nicht zu ernst"), mal seit Omas Zeiten gemeines Haushaltswissen ("§79: Pfannkuchen werden besonders locker, wenn man eine Prise Backpulver unter das Mehl rührt"; oder § 93: über Nacht eingeweichte Hülsenfrüchte ohne Salzzugabe kochen, damit sie weich werden), zu wenig hinterfragt wie §146: "Wiener Schnitzel wird grundsätzlich aus Kalbfleisch hergestellt" (außer bei dem weltweit bekanntesten Wiener Schnitzelbäcker Figlmüller...), oder in ihrer Evidenz schon fast dreist ("§21: Verwendung von Chilischoten: Die Menge kann nur individuell bestimmt werden").

 

 

Immerhin ­– einige "Gesetze" kann man auch dem Semiprofi nicht oft genug sagen (Hygiene bei Geflügelfleisch, nur die frischesten Eier in die Mayonaise, Milch für den Kartoffelbrei vorher abkochen, sonst wird sie beim Warmhalten sauer, Vorsicht mit den hohen Temperaturen beim Karamellkochen), einige wenige sorgen gar für einen kleinen Lerneffekt: Hirse (und Quinoa) immer so lange unter fließendem Wasser waschen, bis die Flüssigkeit nicht mehr weißlich ist – nur so entfernt man die giftigen Saponine. Ebenfalls weit jenseits des Hausfrauenlateins der §122; "Um die Haut der Seezunge zu lösen, den Fisch mit dem Schwanzende in kochendes Wasser tauchen", oder der Tipp, bei selbst gemachten Fischstäbchen statt Semmelbrösel japanisches Panko zum Panieren zu benutzen.

 

Auch wenn viele der Tricks und Rezepte Koch-Einsteigern wertvolle Tipps zum Überleben im Angesicht des bekochten Gastes mit auf den Weg geben, stören doch etliche kleine Patzer und Unschärfen den ansonsten ordentlichen Gesamteindruck. Seine "Weiße Sauce", die er auch im Restaurant benutzt, "besticht durch ihre Leichtigkeit." Mit 150 g Butter und einem halben Liter Sahne.

 

Bei "Wolfsbarsch im Pergament" fordert er vom Laienleser, "Vongole-Muscheln" beizugeben. Da kann der Feinkost-Italiener fast jede Muschel aus dem Sack lassen, der Kunde fordert ja nicht die für dieses Rezept nötigen Vongole Verace. Korinthen gekackt? O.k., aber was ist damit: beim Kalbstatar "ist es mehr oder weniger Geschmackssache, ob das Fleisch mit der Hand geschnitten oder durch den Fleischwolf gedreht werden soll". Ist es natürlich nicht, wer will schon Kalbsmatsch essen?

 

Ganz gruselig wird es, wenn der Sternekoch sein selbst gemachtes Ketchup (immerhin mit einem schnellen und ansonsten guten Rezept dafür), am Schluss mit einem Schuss Cola ablöscht und empfiehlt, es im heißen Zustand mit Salz und Pfeffer abzuschmecken. Auf der späteren Esstemperatur (8-12 Grad) wird das garantiert zu schwach gewürzt sein.

 

Im Großen und Ganzen aber sind die Bemaßungen und Abläufe tadellos editiert, und auch Wolfgang Schardts Fotostyling fügt sich perfekt in die unprätentiöse Linie des Buches – hier ist nichts lackiert oder fast roh, alles sieht so aus, wie es nach dem Kochen aussehen wird.

 

Wer also schon halbwegs kochen kann und eigentlich nur wissen will, wie er Rach-Feinkram von „Saltimbocca vom Seeteufel auf Tomaten-Ingwer-Vinaigrette mit Bohnen- und Erbsenpüree" bis "Brasato von der Kalbsschulter mit Petersiliengraupen und Trüffelsauce" von der "Tafelhaus"-Karte nachzaubern soll, fällt hier völlig aus der Zielgruppe.

 

Für Küchen-Einsteiger und -Aufsteiger könnte es sich dagegen lohnen, auf dem Weg an den Herd ab und zu mal dieses Gesetzbuch unter den Arm zu klemmen.

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Rezensent

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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