Gordon Ramsay
"Schnelle Sterneküche"
Kaum einen ihrer Star- und Sterneköche finden die Briten so nervtötend wie den omnipräsenten Gordon Ramsay. Wie in Deutschland der Nasenmann Lafer: Immer grinst sein Gesicht von irgendwo, ob Bus, Fernseher oder Ladenauslage, denn immer hat er gerade ein neues Kochbuch (bislang 15) veröffentlicht, ein neues Restaurant (bislang 22) eröffnet oder eine neue Fernsehreihe abgedreht. Er ist einfach zu erfolgreich, und so etwas ist in den Augen der Briten nicht sexy, sondern suspekt.
Dass Gordon Ramsay mit 15 Jahren von den Glasgow Rangers unter Vertrag genommen wurde und mit 18 Jahren nach einer karrierebeendenden Verletzung auf der Straße saß, nun, das zollt ihnen Respekt ab. Dass er sich dann als rosbif in Paris Küchensporen verdiente, schon wieder nicht. Und wenn sie wüssten, dass Gordon Ramsay mit seiner Brigade auf französisch parliert und sich das dank seines schottischen Akzents überaus niedlich anhört, würden sie aus lauter Frust den nächsten Pub stürmen und sich nur noch auf Französisch (englisch auch für: fluchen) unterhalten.
Doch selbst da ist ihnen Gordon Ramsay, im wahren Leben engagierter Familienvater und recht umgänglich, eine Knubbelnase voraus. In seiner TV-Serie, die als Vorbild für Christian Rachs „Der Restauranttester“ diente, hob er mit seinen Flüchen glücklose Köche derartig erfolgreich aus den Angeln, dass die Serie in die USA importiert wurde. Ein paar Folgen lang lief die erste US-Staffel von "Kitchen Nightmares“ des US-Senders Fox auf RTLII – allerdings in einer selten dämlichen deutschen Synchronisation. Und dennoch wirkt der Schmalhans Christian Rach gegen den Brachial-Koch Ramsay wie ein Sozialarbeiter in einer ostdeutschen Hundeschule.
Jetzt kommt der 12-Sterne-Koch Gordon Ramsay (so viele hat er in den verschiedenen Restaurants zusammengekocht) mit fixen Rezepten für gestresste Menschen auf den Markt. Sein Credo: „Jeder kann schneller eine gute Mahlzeit zubereiten als eine Pizza kommen zu lassen“.
Eine hervorragende Grundidee für den Alltag unzähliger Menschen, die die unterschiedliche Logistik von Beruf, Einkaufen & Kochen nicht unter einen Hut bekommen. In meinem Bekanntenkreis schaffen das sogar die Singles nicht. Gordon Ramsay stattet ihnen als erstes den Vorratsschrank aus und predigt schon hier, was in allen seinen Büchern an erster Stelle steht: Qualität.
Dann macht er es clever und unterlässt die übliche Kapiteleinteilung. Es soll ja um Kochen = Wohlgefühl gehen, also liefert er appetitliche Stichworte. „Lieblingsessen“ zeigt, wie karamellisierter Bananensplit und Zitronenhuhn klappen, „Draußen essen“ macht Appetit auf gepfefferte Lammsteaks und Bohnensalat mit Pecorino. In „Wie in Marokko“ und „Viva Italia!“ ignoriert er die üblichen Verdächtigen Couscous undPasta und grillt stattdessen Sardinen mit Gremolata, erklärt eine Kalbs-Piccata und serviert eine Brasse.
© Rezept: Dorling Kindersley Verlag © Foto: Jan Haeselich / Dorling Kindersley Verlag |
Wird das Thema Fisch in anderen Anfänger-Büchern mit den Stichworten fix, schnell, einfach mit dem scheinbar generischen Begriff Lachs gleichgesetzt, stellt Gordon Ramsay wie selbstverständlich richtige Fische vor. Er kocht Seezunge, Seehecht, Petersfisch und Glattbutt. Und wenn schon Lachs, dann kein TK-Riegel aus dem Trawlercutter, sondern ein mit Fenchel, Brunnenkresse und Sherry-Essig fein gemachtes Tierchen.
Ich war ziemlich überrascht von diesem Buch. Warum? Nicht wegen der ungewöhnlichen Rezepte. Sondern, weil es Gordon Ramsay wirklich gelungen ist, seinen beeindruckenden Gaumen auf Miniformat runterzufahren. Gebackene Nektarinen mit Amaretti-Sahne, Litschis mit Minzzucker, Frühlingslamm mit Erbsen und Koriandersamen, Riesengarnelen mit Orange & Tequila, Petersfisch mit süßen Zwiebeln – solche Köstlichkeiten als machbare Alltagsküche hinzustellen, ist eine Mischung aus Hybris und Klugheit, die sich ein Jamie Oliver nicht leisten könnte. Auch kein deutscher Koch, jedenfalls käme mir keiner in den Sinn. Aber Gordon Ramsay, dieser überaus ehrgeizige Langstreckenläufer, inspiriert genau die richtige Mischung an Respekt und Furcht für so ein Unterfangen.
Fazit: Nix für Köche, die es können. Die sind eingeladen, sich die Zähne an seinem echten Schocker „Recipes from a 3*** Chef (Quadrille, 2007; über amazon.de) auszubeißen. Aber diesen Simpel-Ramsay könnten Sie allen Freunden schenken, die Ihnen erzählen, sie hätten keine Zeit zum Kochen. Entweder wollen sie sich damit ein Essen bei Ihnen erschwindeln oder ihr Selbstvertrauen braucht tatsächlich einen Schub. In dem Fall sagen Sie ihnen das, was Gordon Ramsay auch sagt. „Egal, wie beschäftigt Sie sind: Essen Sie keinen Mist“. Gabriele Gugetzer
Dieses Buch bei Amazon kaufen
„I’m still standing, strong as a f***ing ox.“
Gordon Ramsay im Gespräch mit Gabriele Gugetzer
So was diktiert nur ein Gordon Ramsay der ehrwürdigen Londoner Times in den Notizblock. Die beguckte sich Gordon Ramsays neuesten Clou, ein Hotel + Restaurant im Londoner Stadtteil Camden und wollte eigentlich nur wissen, ob er denn nicht bei seinen Leisten und dem Restaurantgewerbe bleiben wolle. Hätte er alles schon gehört, sagte Gordon, hätte er alles schon hinter sich. Und er stehe eben immer noch aufrecht. Er sei eben bärenstark: „I’m still standing, strong as a f***ing ox.“
Mit dieser großen Klappe machte sich Gordon Ramsay noch nie Freunde, und das hat ihn noch nie gestört. Immerhin gehört ihm eins von nur drei Dreisternerestaurants im Land. Die Renovierung des „Gordon Ramsay“ im feinsten Chelsea ließ er sich letztes Jahr 1 Million Pfund kosten. Die Eröffnung 1998 kostete ebenfalls schon 1,3 Millionen Pfund. Heute könnte Gordon Ramsay das aus der Portokasse bezahlen, damals musste er mit den Banken um jeden Penny feilschen, weil er das Geld nicht hatte, obwohl er da schon ein Jahrzehnt „einfach jede Arbeit gemacht habe. Ich habe ohne Bezahlung bei Ducasse gekocht, war Berater, eröffnete Brasserien...“ er schüttelt den Kopf mit einer Mischung aus Wehmut und Unglauben über die eigene Besessenheit. Woher kommt denn dieser Ehrgeiz? Da grinst er: „Wer gibt mir denn schon einen Job?“
Dann ordert er bei seinem Oberkellner delices pour madame und ist erstaunt, als ich ihn nach seinem Französisch frage. „Das ist die Küchensprache. Natürlich konnte ich die nicht, als ich nach Paris kam. Aber das habe ich schnell gelernt, sonst wäre ich nie weitergekommen.“
Die delicesstellen sich als die entzückendsten Eistüten heraus, die ich je gesehen und geschleckert habe. Nicht viel größer als ein Fingerhut, drei unterschiedlichen Bitterschokoladen, gefüllt mit Holunderschaum. „Enjoy, darling“, sagt er, meint das freundlich, was er eigentlich auch ist und teilt mir nebenbei sehr bestimmt mit, dass er nicht über seinen Bruder sprechen will, der seit einem halben Leben gegen seine Heroinsucht ankämpft, sehr öffentlich und vergeblich.
Sie hatten lange Zeit auch kein gutes Verhältnis zu Ihrem Vater?
Wenn der Vater die Mutter vermöbelt, ist das nicht überraschend.
Wie wichtig ist Ihnen die Familie?
"Die eigene (er hat vier Kinder mit seiner Frau Tana, mittlerweile ebenfalls Kochbuchautorin) "ist mir sehr wichtig, auch wenn sie nicht so oft sehe, wie ich möchte. Aber Tana versteht das und steht voll hinter mir. Und am Wochenende ist mein Restaurant geschlossen, damit ein bißchen Zeit für Privatleben bleibt.“
Ist Ihr Rumgeschreie Image oder echt?
„Echt. Ich bin nicht leicht zufrieden zu stellen.“ „Andere Köche sagen bitte und danke.“ „Das ist doch Blödsinn. Wir leben in einem Stressberuf, das gehört dazu. Fragen Sie mal Alex Ferguson, wie der sich vom Spielfeldrand bei seinen Jungs verständlich macht.“
Den lieben Sie, oder?
„Ich liebe ihn nicht, ich bewundere ihn zutiefst.“
Wie kommen denn Ihre Köche mit Ihrem Temperament zurecht?
„Fragen Sie sie doch.“
Da lege ich kurz den Kopf schief und er lacht, weil er genau weiß, dass sich niemand trauen würde, etwas Abfälliges über le chef zu sagen. Dann blitzt Trotz in seinen dunkelblauen Augen auf.
„Wissen Sie, ich arbeite teilweise seit 15 Jahren mit den gleichen Leuten zusammen. Irgendwas scheine ich ja richtig zu machen.“
Restaurants und Hotels
Gordon Ramsey Fixed lunch mit 3 Gängen: 45 £. Reservierung zwei Monate im Voraus. Dresscode.
York & Albany; Zimmer ab 180 £.
Gabriele Gugetzer
Gabriele Gugetzer
Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.
gugetzer@kochmonster.dewww.kochmonster.de