Tsering Mendrong

Tibetisch kochen. Gerichte und ihre Geschichte

kochbuch

Tibetisch kochen. Gerichte und ihre Geschichte
Tsering Mendrong:
"Tibetisch kochen. Gerichte und ihre Geschichte"
Erscheinungsjahr: 2008
168 Seiten
97 Rezepte
16,90 EURO
ISBN: 978-3895335204

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Tibetisch kochen. Gerichte und ihre Geschichte Bewertung: 4 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

"Tibetisch kochen" klingt ein bisschen wie Mythen in Tüten. Schwer greifbar, noch schwerer vorstellbar und überhaupt nicht alltagstauglich. Doch dieses Kochbuch aus dem immer mutigen Göttinger Miniverlag „Die Werkstatt“ wurde zu Recht als „Kochbuch des Monats Juli 2008“ ausgewählt.

 

Dabei kann man die Foodfotos an einer Hand abzählen, passt das Buchformat in die Handtasche und ist die Autorin keinesfalls ein Star. Sie ist Exiltibeterin und betrieb im indischen Dharamsala, dort, wo sich Exiltibeter treffen, fünf Jahre lang ein tibetisches Restaurant.

 

Was assoziieren wir mit Tibet? Natürlich. Den Dalai Lama. Eindeutig keine Küchenkunst. Deshalb hat Frau Mendrong klugerweise über ein Drittel ihres Buches einer Einführung in Land, Leute, Kultur und Esskultur gewidmet und auch Themen wie den Vitamingehalt der tibetischen Nahrung aufgegriffen. Das ist ein interessantes Thema, denn Forscher waren ursprünglich davon ausgegangen, dass bei der Kargheit weiter Landstriche Tibets Mangelernährung und damit verbundenen Mangelerkrankungen an der Tagesordnung waren und sind. Dabei ist die tibetische Küche relativ vitaminreich – auch dank des Buttertees, für dessen Genuss westliche Gaumen allerdings schon arg Vitamin-unterversorgt sein müssen.

 

Sehr schön sind ihre Beobachtungen  zum tibetischen Neujahrsfest. Traditionell wird eine Nudelsuppe, die Guthug, gereicht. Diese Suppe enthält Nudeln, in denen vergleichbar den Fortune Cookies, kleine Bilder versteckt sind, die als Weissagung dienen. Ganz ernst nimmt die Pasta-Weisungen niemand, aber ihr Genuss gehört zum sozialen Geflecht, das in diesem Land sehr stark über das gemeinsame Kochen und Essen definiert wird, wie Tsering Mendrong schreibt: „ Unsere Speisen sind einfach, herzhaft und köstlich und schmecken am besten, wenn man sie mit der Familie oder in einer Runde von Freunden zu sich nimmt“.

 

Die Rezepte sind tatsächlich einfach. Aber längst nicht immer langweilig. Rindfleischsuppe mit Rettich hat Ähnlichkeit mit Alpenrezepten; dort liesse sich auch eine Suppe aus Perlgraupen vermuten. Dass ohne "Gekochten Schafskopf" zu Neujahr nix geht für die meisten Tibeter, muss uns Westler gar nicht grausen. Den isst man auch in Süditalien, allerdings schon ein paar Tage vorher, zu Weihnachten.

 

Viele andere Rezepte aus dem Fleischkapitel sind ohne weitere Gruselattacken zugänglich, denn sie weisen – bedingt durch Handel und geografische Nähe – eine starke Verwandtschaft mit nordindischer Fleischküche auf: IngwerKnoblauchJoghurt, dazu starke Aromaten wie Zimt oder Garam Masala.

 

Das Gemüsekapitel ist knapp, anders liesse es die Geografie Tibets auch nicht vermuten. Eine Tradition der Zwischenmahlzeiten ist allerdings keine Überraschung – Leben und Arbeiten auf solcher Höhe muss einfach höllisch anstrengend sein und Kalorien ohne Ende verbrauchen. Sauer eingelegtes Gemüse und klassische Sattmacher aus der Getreideküche, wie sie in diesem Kapitel vorkommen, könnten genauso gut in den Vollwert-Kochbüchern der 1980er-Jahre gestanden haben. Nicht aufregend, aber gesund und gar nicht so  unlecker.

 

Richtig interessant wird’s bei den Dips. Höllisch scharf sind sie und werden für den nationalen Klassiker Tingmos (gedämpftes Brot) genutzt. 200 g mittelscharfe Chilischoten für einen Dip für 4-6 Personen... wer sich das traut, klettert als nächstes auf den K2.

 

Fazit: Für Tibetfans und Kletterfans ein wirklich nettes und brauchbares Geschenk. Für alle Betreiber von Bioläden und Reformhäusern ein Muss. 

 

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Rezensent

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.

gugetzer@kochmonster.de
www.kochmonster.de