Mario Lohninger

Cocoon Club Menues

kochbuch

Cocoon Club Menues
Mario Lohninger:
"Cocoon Club Menues"
Erscheinungsjahr: 2009
200 Seiten
95 Rezepte
25,00 EURO
ISBN: 978-3937963822

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Cocoon Club Menues Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Für Gewöhnliches ist Mario Lohninger nicht zu haben. Im Frankfurter Cocoon Club ist er Küchenchef der Restaurants Silk und Micro Fine Dining. Das Silk ist ein Liegerestaurant, hier genießen die Gäste im Liegen, im Micro Fine Dining unter 15.000 Leuchtfäden aus Glasfaser. Der Coccon Club gehört Star-DJ Sven Väth, einem der Väter des Technosounds in Deutschland. In diesem ansteckenden Energiefeld kocht Lohninger, den der „Gault Millau“ 2010 zum Koch des Jahres gekürt hat. Gemeinsam mit dem Verlag Tre Torri hat Lohninger ein Buch entworfen, das die gängige Vorstellung von einer Kochfibel sprengt.

 

Lohninger stellt hier nicht nur 95 meist außergewöhnliche Rezepte vor, er erzählt auch ganz persönliche Geschichten, die aufzeigen, wie der junge Koch aus dem Salzburger Land zum Sternekoch aufsteigen konnte.

 

Salzburg, München, Los Angeles, New York, Paris, Thailand, Vietnam, Japan: Auf diesen Stationen entwickelt Lohninger seinen außergewöhnlichen Kochstil. Nicht zu vergessen Katalonien, wo er sich inspirieren lässt von Ferran Adriá, dem Erfinder der molekularen Küche mit Weltruf. Lohninger leugnet nicht die Einflüsse der französischen, italienischen, asiatischen und amerikanischen Lehrmeister – und auch nicht seine österreichischen Wurzeln. Aber er schafft es, mehr als die Summe dieser Teile daraus zu machen.

 

Sein Weg ist von Extremen und manchmal existenziellen Erfahrungen geprägt. Als er in New York im Restaurant „Danube“ als Patron arbeitet, erlebt er den 11. September 2001 hautnah. Das Restaurant liegt in Manhattan, in der Nähe des World Trade Centers. Mit einem alten Damenfahrrad flüchtet Lohninger aus dem Schrecken, später kochte er wochenlang in einer Behelfsküche für Anwohner und Helfer.

 

Aber Lohninger ist auch ein Hedonist, er tanzt und feiert die Nächte durch, lässt sich treiben. Es sind manchmal Zufälle, die ihm signalisieren, dass Veränderungen anstehen. An seinem 30. Geburtstag trifft Lohninger zufällig auf einer Toilette in Salzburg Sven Väth, sie feiern zusammen, nachts springen sie in einen See, um sich abzukühlen. Das Handy ist noch in seiner Hosentasche, alle Kontakte gehen verloren. Für den Powerkoch das Zeichen, dass er New York verlassen muss und wieder einmal ein neuer Abschnitt beginnt. Dieses Mal in Frankfurt.

 

Diese Umtriebigkeit und Radikalität findet sich in seinen Rezepten wieder. Er sucht „in jedem Rezept eine besondere Energie“, die er vor allem in der Reduktion auf das Wesentliche findet. Größtmöglicher Geschmack auf kleinem Raum, das ist seine Devise. Die Rezepte klingen schlicht: „blue fin tuna / aubergine / mioga / passionsfrucht“, die Gerichte jedoch überzeugen durch Klarheit, Purismus, Tiefe. Die Energie der Aromen überwältigen in Lohningers Ballett der Sinne.

 

„Das Pure, Klare, Konzentrierte der japanischen Küche, das hat mich ganz stark geprägt“, sagt der 37-Jährige. Er verfeinert Speisen beispielsweise mit dem Saft aus der japanischen Zitrusfrucht Yuzu, die ein sehr komplexes Aroma entfaltet. Geschmack und Leichtigkeit, auch das ist ein Prinzip, das er in der asiatischen Küche kennen und schätzen lernt. Seine Sushi-Variationen sind ein Teil seiner kulinarischen Argumente. Lohninger will leicht kochen, seine Gerichte sollen nicht schwer im Magen liegen, sie sollen Energie spenden, nicht belasten: Die Gänseleber wird zu Pulverschnee verarbeitet, schließlich soll man nach dem Essen noch tanzen können.

 

Es ist die Kombination außergewöhnlicher Aromen und Zubereitungsformen, die Lohningers Kochstil kennzeichnet. Zur karamellisierten Jakobsmuschel wählt er einen Pata-Negra-Sud, Pastinakenpüree und Spargelschaum. „Es gibt zu viele Köche, die immer das Gleiche machen“, sagt der Österreicher. „Ich will Konventionen sprengen, einen Urschrei loslassen.“ Dementsprechend hoch ist der Anspruch an seine Rezepte. Sie sollen nicht nur die Finger beschäftigen, sondern die Seele des Gerichtes einfangen und die Magie des Essens vermitteln. Das müssen seine Rezepte leisten.

 

Doch immer mal wieder schimmert auch Bodenhaftung durch, dann interpretiert Lohninger österreichische Klassiker wie Geschmorte Ochsenbackerl neu und mit intensiver Aromatik. Selbst die scheinbar schlichten Gerichte sind besondere Genüsse. Das ist Lohningers Anspruch, den er auch einlöst.

 

Fazit:  Lohningers Buch ist kein Buch für Anfänger, es richtet sich an Fortgeschrittene, ambitionierte Genießer finden hier Anleitung und Inspiration. Es ist kein Lern-Kochbuch, die Rezepte verlangen nach handwerklichem Geschick, kulinarischer Leidenschaft, hochwertigen Zutaten und einer umfangreichen Küchenausstattung. Blattgold veredelt das Risotto, ein Besuch im Asia-Feinkost-Geschäft ist unerlässlich. Wer Angst hat vor neuen Techniken und Lecithin, um Trüffelschaum oder eine Basilikumwolke zu erzeugen, wird mit Lohninger nur selten glücklich. Doch wer gerne und mutig kocht, den belohnt Lohninger mit seinem Werk.

 

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Rezensent

Rainer Schäfer, Jahrgang 1962,

lebt und arbeitet als Journalist in Hamburg und schreibt über das, was

er am meisten liebt: Fußball, Wein und Essen. Er pendelt zwischen

Fußballstadien, Weinanbaugebieten und Restaurants.

schaefer@kochmonster.de