Gabriele Gugetzer, Björn Horstmann

Die Feuerwehr kocht mit Feuer und Flamme

kochbuch

Die Feuerwehr kocht mit Feuer und Flamme
Gabriele Gugetzer, Björn Horstmann:
"Die Feuerwehr kocht mit Feuer und Flamme"
Erscheinungsjahr: 2010
208 Seiten
80 Rezepte
19,95 EURO
ISBN: 978-3865286994

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Die Feuerwehr kocht mit Feuer und Flamme Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Lassen Sie sich nicht von dem seltsamen Retro-Cover mit einem behelmten Männchen abschrecken, das einen viel zu großen Schneebesen in einen viel zu kleinen Topf steckt: „Feuer und Flamme“ ist konzeptionell eines der interessantesten (Koch)-Bücher der letzten Jahre. Kochmonster-Redakteurin Gabriele Gugetzer erzählt darin die wahren Geschichten aus dem Alltag der Berufsfeuerwehr, wo die wilden Kerle für ihre Kollegen selbst kochen. Was, das verrät der Oberbrandmeister und TV-Koch Björn Horstmann in über 80 effizienten Rezepten. Ein perfektes Buch für alle, die beim Kochen nicht lange fackeln wollen.

 

 

Wenn Männer, die im Dienst schon mal ein paar Tausend Kalorien verbrauchen können, für ihre Schicht-Kumpels Essen kochen, kommt meistens die pure Fettpresse auf die Teller. Dass das auch ganz anders gehen kann, zeigt Björn Horstmann www.bjoernhorstmann.de, der abwechselnd als Oberbrandmeister der Feuerwache Hamburg-Barmbek Menschenleben rettet und als TV- (NDR) und Gast-Koch um die Welt jettet. Horstmann, der für Kochmonster unlängst ein Sous-Vide-Gerät testete (siehe Foto) hatte sich das Kochen selbst beigebracht, auch weil er sich nicht mit dem abfinden wollte, was in den langen Bereitschafts-Schichten der Feuerwachen sonst so auf den Tisch kommt. Im Laufe der Jahre entwickelte er Rezepte, die stets vier Bedingungen erfüllten: Die Teller müssen auf gesunde Weise satt machen, den Jungs schmecken, im Wareneinsatz den knappen Etat einhalten – und mal eben zwischen den Einsätzen kochbar sein.

 

Immer voll im Einsatz: Horstmann testet den Thermalizer

 

Und das endet bei Horstmann eben nicht im Plumpsküchennirwana zwischen Schweinenacken schwenkgrillen und Bratwurst ins Kraut stecken. Sein Spektrum, in „Feuer und Flamme“ ordentlich rezeptiert und von Christian Geisler (www.christiangeisler.net) unprätentiös-appetitanregend fotografiert, reicht von einfachen Pizzen, Salaten, Suppen oder Grillmarinaden bis ins leicht Raffinierte wie beim mit Schafskäse, Spinat und Zitronen gefüllten Hackbraten, Tandoori-Mango-Chicken-Pizza oder Pasta mit Riesengarnelen und Petersilienpesto. Nach Katastropheneinsatz klingt einzig das „Explodierte Huhn“, doch auch hier fliegen keine Fetzen, es geht um Hühnerfrikassee.

 

 

Wer mag, kann sich aus den Rezepten ein mehrgängiges „Feuerwehrmenü“ bis hin zu Desserts wie Crème brûlée mit Passionsfrucht oder ein Schokoladensoufflé mit flüssigem Nougatkern kochen – allerdings sollte dem auch der Energieverbrauch einer durchschnittlichen Großbrandlöschung im Bereich von 2000 bis 2500 Kalorien folgen, sonst droht Hüftgold statt silberner Rettungsmedaille.

 

 

Letztere hat sich die Co-Autorin Gabriele Gugetzer für ihren unermüdlichen Einsatz verdient. Als Frau stieß sie bei den harten Männern der Feuerwache Hamburg-Barmbek zunächst auf eine Mischung aus Ablehnung, Unsicherheit und Herrenwitz, eroberte durch ihre hartnäckige Präsenz bei unzähligen Einsätzen im Krankenwagen und auf dem Löschzug über Monate hinweg aber die Herzen hinter den Rettungsgurten und die Hirne unter den Helmen.

 

Das Ergebnis: Gut die Hälfte der „Feuer und Flamme“-Seite sind nicht mit Rezepten gefüllt, sondern mit packenden Fotos und Berichten über den 24/7-Feuerwehr-Alltag zwischen stark blutenden Hodenverletzungen, Mansardenbränden, Katastrophenschutzübungen, Fahrstuhlbefreiungen und dem Sortieren abgerissener Gliedmaßen nach Schwerstunfällen mit Kleinbussen.

 

 

Wie bitte? Ihnen ist der Appetit vergangen? Davor sind selbst die Profis nicht gefeit – auch über die Sekundärtraumatisierung der Helfer und deren Betreuung erfährt man in Gugetzers Texten, die trotz vermeintlich kühl-analytischer Beobachtungsschärfe stets von einem warmen, tiefen Verstehenwollen durchzogen sind.

 

 

Fazit: Das im handlichen  24x24cm-Format produzierte Werk macht seinem Untertitel „Koch- und Reportage-Buch“ alle Ehre. Wer weder Pyromane noch Feuerwehrfan ist, findet in „Feuer und Flamme“ prima Rezepte, um schnell mal einen Haufen hungriger Jungs beim Ruderverein, Richtfest, Vatertagsparty oder Strohwitwertreffen mit leckeren und dennoch nicht hoffnungslos ungesunden Speisen satt zu kriegen. Feuerwehrleute (auch die Freiwilligen) und ihre Freunde/Familien dagegen bekommen hier das perfekte Geburtstagsgeschenk.

 

 

 

 

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Rezensent

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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