Bill Buford

Hitze. Abenteuer eines Amateurs als Küchensklave, Sous-Chef, Pastamacher und Metzgerlehrling

kochbuch

Hitze. Abenteuer eines Amateurs als Küchensklave, Sous-Chef, Pastamacher und Metzgerlehrling
Bill Buford:
"Hitze. Abenteuer eines Amateurs als Küchensklave, Sous-Chef, Pastamacher und Metzgerlehrling"
Erscheinungsjahr: 2008
168 Seiten
keine (nachkochbaren) Rezepte
24,90 EURO
ISBN: 978-3446230125

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Hitze. Abenteuer eines Amateurs als Küchensklave, Sous-Chef, Pastamacher und Metzgerlehrling Bewertung: 6 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Bill Buford, dies vorab, ist nicht Anthony Bourdain. Letzterer, ein Koch von übersichtlichem Format, hatte Format genug, sich dieses einzugestehen und eine Karriere als Nestbeschmutzer der Restaurantzunft zu starten.

 

Bourdain ist sexy, findet Haarsträubendes hinter jeder Herdklappe und besitzt eine Riesenklappe – dieses Rezept musste aufgehen wie Omas Hefeteig, selbst in Deutschland. So lag der Verdacht nahe, findige amerikanische Literaturagenten könnten bei „Hitze“ auf das gleiche Skandalthema abonniert sein: Sex mit Safran inner Küche.

 

Glücklicherweise hat Bill Bufords Buch über seine Lehrjahre beim legendär-lauten New Yorker Koch Mario Batali, Treffen mit dem nicht zu hoch genug einzuschätzenden Marco Pierre White und ebenfalls legendären, jedoch namentlich unbesungenen Köchen und Metzgern in Italien nur etwas mit Lebenslust und nichts mit Sensationen zu tun. Wundert auch nicht bei seinem literarischen Stammbaum: Bill Buford war Gründungsmitglied und langjähriger Leiter des angesehenen britischen Literaturmagazins „Granta“, ist Literaturredakteur des legendären „New Yorker“ und außerdem glaubwürdiger Autor des haarsträubenden Report-Buches „Geil auf Gewalt. Unter Hooligans“ (1992). Glaubwürdig? Ich selbst lebte ein Jahr in Grölweite des alten Arsenal-Stadiums in London.... nuff said.

 

Bufords Küchenmemoiren beginnen mit dem Wunsch eines Mannes, der schon alles im Leben gesehen hat, was man fürchten muss und glücklich verheiratet ist. So jemand schiebt fette Langeweile und kaspert rum. Mr. Buford wollte nicht kaspern am Nanga Parbat, sondern als dicker, alter Lehrling in Batalis „Babbo“. Dass die Profikochbrigade  den ambitionierten Hobbykoch als Küchenhure tituliert, weil er nervt, alles, aber auch alles versemmelt und ihnen zwischen den Füßen rumwuselt wie ein Golden Retriever, ist die Kurzform dessen, worüber sich Buford über mehrere Hundert teilweise köstlicher, teilweise brüllend komischer und auch auf Deutsch (Dank an Dinka Mrkowatschki und ja: sie heißt so) immer lesenswerter Seiten ergeht.

 

Seine Küchenverletzungen beschreibt Buford wie ein steinalter amerikanischer Marine die Verwundungen während der Tet-Offensive. Seine Brigade charakterisiert Buford so liebevoll, klug und staunend wie Wunderlands Alice ihre Treffen im Kaninchenbau. Den überlebensgroßen Babbo zeichnet Buford wie einen speedabhängigen deutschen Expressionisten.

 

Sich selbst skizziert er klein. Ist das nicht schön? Bill Buford befasst sich mit anderen Menschen, erst als Drittligist mit sich selbst. So ungefähr auf jeder Seite gelingt es ihm, die Faszination Kochen und Küche, die viel mit der Faszination Fans und Fußball zu tun hat, darzustellen. Das schafft er natürlich auch, weil er selbst kaum noch eine Tasse im Schrank hat.

 

Möchte man Frau Buford sein? Ihr ist das Buch gewidmet. Bitte urteilen Sie selbst: „Mich beschäftigte jetzt die Frage“, schreibt Buford nach 200 Seiten Hundejahren im „Babbo“, „wann genau in der langen Geschichte des Essens auf der italienischen Halbinsel Köche begannen, Eier in ihren Pastateig zu geben“.

 

Also: Möchte man Frau Buford sein? Selbst wenn die Chefin des römischen Pastamuseums nicht weiterhelfen kann bei dieser Frage? Man ahnt die Problematik eines obsessiven Charakters wie Mr. Buford. Doch der entpuppt sich plötzlich als pragmatisch und löst die Frage can-do amerikanisch. Danach lässt er dem Leser Dario ans Herz wachsen. Dario zitiert Dante, schwiemelt„ O sole mio“, liebt das Metzgerhandwerk und ist – Sie ahnen es – die Pest in Tüten. Außerdem Italiens bester Metzger und liebeskummererprobt. Dario und Bill haben nix gemeinsam. Trotzdem bleibt Bill bei ihm und im Anschluss bei einem Schwein. In New York. Feine Adresse. Tot. Das Schwein. Gibt’s nicht im Fernsehen. Aber im Buch.

 

Möchte man Frau Buford sein? Die lässt das alles zu und der Leser freut sich auf die nächste Obsession von Herrn Buford. Auch die kann nur lesenswert sein. Ausnahme: Fünftägige Cricket-Test-Matches. 

 

Fazit: Leckere Unterhaltungsliteratur vom Feinsten. 

 

Rezensent

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.

gugetzer@kochmonster.de
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