Jamie Oliver

Jamies Amerika

kochbuch

Jamies Amerika
Jamie Oliver:
"Jamies Amerika"
Erscheinungsjahr: 2009
360 Seiten
102 Rezepte
24,95 EURO
ISBN: 978-3-8310-1556-6

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Jamies Amerika Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Im Herbst 2009 gab’s auf der Frankfurter Buchmesse eine kleine Schwemme guter Kochbücher zu registrieren. Ihnen gemeinsam ist, dass die Autoren ein richtiges Thema am Wickel und dieses solide verstanden haben. „Jamies Amerika“ ist so ein Buch.

 

Nachdem er, wie er im Vorwort schreibt, zehn Jahre seines Lebens damit verbracht hat, die britische Küche gegen ihren schlechten Ruf zu verteidigen, steuert Jamie Oliver mit diesem Projekt bewusst in die gleiche Ecke: das gefährliche Halbwissen von Leuten, die wenig Ahnung vom Kochen, aber eine Meinung zu der jeweiligen Cuisine haben. Diese hebt er mit seinen clever in New York City, Louisiana, Arizona, Los Angeles, Georgia und dem Wilden Westen angesiedelten Reise-Koch-Streifzügen aus den Angeln.

 

Denn natürlich isst man nicht überall in Amerika gut, und natürlich hängen dort die Fetten wie Fallobst am Baum. Doch in genau den von ihm ausgewählten Staaten und Regionen lässt sich präzise zeigen, wie sehr Einwandererkultur, indigene Kultur und Lifestyle neben hervorragender Produktqualität Ess- und Kochtraditionen geprägt haben und es noch tun. Wer mehr über die Kehrseite und die amerikanische Kultur der Massenabfütterung erfahren will, dem sei Michael Pollans hervorragendes Buch: „The Omnivore’s Dilemma: A Natural History of Four Meals“ ans Herz gelegt.

 

Doch nun zu diesem Buch. Dickes Papier, serife Schrift, Jamie oft auf kleinteiligen Moodfoto-Seiten. Die Foodfotos selbst, wie üblich vom Könner David Loftus (von dem ich ein Autogramm besitze, falls das irgendjemanden interessiert) augenzwinkernd und aromatriefend ins Bild gesetzt. Aus New York bringt er die Klassiker der Einwandererküche, Hühnersuppe aus dem jüdischem shtetl, chinesische Dan Dan Nudeln mit hysterisch viel Chiliöl, den italienischen Klassiker Parmigiano vom Kalb und die amerikanischen Verballhornung der Italo-Pizza. Wie üblich schreibt er zu jedem Rezept eine nett zu lesende und gar nicht dumme Einführung. Auch die saubere Rezeptgliederung früherer Bücher, die jedes Küchengefecht übersteht, ist beibehalten.

 

In Louisiana meint man Cajunmusik im Hintergrund zu hören, während man mit ihm auf Alligatorjagd geht (für ein Foto hat er sich gar einen um die Schulter gewickelt), die unglaublichen Mengen an Seafood bestaunt, die dieser US-Staat mit unendlich viel Süß- und Salzwasser zu bieten hat, auch hier Macker-Schärfe am Gaumen spürt, während Queen Ida im Hintergrund Akkordion spielt und jeder einfach doppelt so viel isst wie er kann.

 

© David Loftus 2009 / Dorling Kindersley Verlag

 

Zum Abnehmen ist das Buch nichts, das sei mal zwischendurch eingeworfen. Auch die Indianer, mit denen er sich als Nächstes in Arizona unterhält, sehen nur hier aus wie Winnetous kluger Papi. Tortillasuppe und alles von den "drei Schwestern", wie der auch landwirtschaftlich gescheite Dreiklang Bohnen, Mais, Kürbis, heißt, kann man in dieser Form auch südlich der Grenze in Mexiko essen, vielleicht schärfer und mit mehr Kräutern. Schade, dass Jamie Oliver in Arizona nicht auch Santa Fe oder die fein-rustikalen Ziele entlang des Rio Grande porträtiert hat – dann wäre es zu einer Mischung aus Hippie, Paris und New Age gekommen.

 

Das L.A.-Kapitel, sagt die Autorin (eine ex-Angelena), ist ihm gelungen. Er entdeckt ein ehemaliges Gang-Mitglied als Koch im Four Seasons, macht endlich Wraps mit Makrele, liefert leckeren Dinkelsalat, Sprossensalat, Steak mit Erdnusssauce und grüner Salsa (da war er im Schwere-Jungs-Stadtteil East L.A. unterwegs) und leckerste Kuchen.

 

 

In Georgia gibt’s Soul Food aus der Schwarzenküche, und es wird gegrillt wie der Teufel, auch im Hähnchenbereich – erschrecken Sie nicht auf S. 291, wenn ein nacktes Huhn im Backofen auf einer halb geleerten Bierdose sitzt. So ist das da, wenn das Tier aufrecht braten soll, weil keiner Lust hat, den Vogel dauernd umzudrehen (und die Kochmonster haben das natürlich sofort nachgekocht). Aber die Würzpaste, ein Mix aus Fenchel- und Kreuzkümmelsamen, Paprika- und Chilipulver und Rohrzucker zeigt, dass Amerikaner natürlich aromatisieren können.

 

 © David Loftus 2009 / Dorling Kindersley Verlag

 

Das letzte Kapitel spielt in meinem Traumland Wyoming – im big sky country. Getreu seinem irgendwann mal getätigten Ausspruch, er esse keine Köpfe und keine Genitalien, hat Jamie Oliver auf den Cowboyklassiker frittierte Stierhoden verzichtet, dafür Bachforellen, einen überraschenden Brokkoli-Salat mit Speck und Tomaten, Steaks, Reissalat und ein klassisches Chili mit viel Kaffee (doch leider auch Bohnen) gekocht.

 

Fazit: Wenn Sie Amerika lieben, dann auch dieses Buch. Wenn Sie Vorurteile gegen dieses Land hegen, blättern Sie mal drin. Es macht einfach Spaß. Wenn Sie abnehmen wollen: kochen Sie japanisch. 

 

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Rezensent

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.

gugetzer@kochmonster.de
www.kochmonster.de