12-Stunden-Secreto mit Sobrasada-Risotto

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

12-Stunden-Secreto mit Sobrasada-Risotto

Europas Spitzenköche haben es schon vor Jahren entdeckt, und langsam aber sicher findet das Highend-Fleisch von iberischen Freilandschweinen seinen Weg in deutsche Feinkostgeschäfte, ambitionierte Metzgereien und am Ende auch auf die Teller von Genießern, die wissen, das ein derart perfekter Fleischgenuss nicht für 3,99 Euro das Kilo im Billigsupermarkt zu produzieren ist.

 

Schon vor zwei Jahrtausenden hatten die Bewohner der iberischen Halbinsel ihre schwarzborstigen, halbwilden Ibérico-Schweine domestiziert. Die wegen ihrer Hauptnahrung auch Eichelschweine genannten Tiere mit den markanten schwarzen Pfoten („pata negra“) leben ganzjährig in den Wäldern in Andalusien und der Extremadura und liefern nach Meinung vieler Experten das beste Schweinefleisch der Welt – mit zarter Struktur und leicht ölig-nussigem Geschmack.

 

Allerdings fallen bei der spanischen Tradition, Schweine zu zerlegen, einige Zuschnitte an, die in Deutschland kaum bekannt sind: Spitzenköche arbeiten gern mit dem „Geheimen Filet“ („Secreto“, stark marmoriertes Stück in Schulternähe), der „Feder“ („Pluma“, vorderer Lendenteil), dem toll marmorierten Nackenkern („Presa“), dem mageren Kaumuskel (Carrilera) und den Bries-ähnlichen Speicheldrüsen („Castañuelas“), die in Spanien jenseits der Avantgardeküche meist in Schmor-Eintöpfen landen.

 

Für Schmorfreunde ist aus deutscher Sicht das Secreto besonders interessant, genauer gesagt das „Secreto o Cruceta“ – ein stark marmorierter, fächerförmiger Muskel, der sich an der Schulter zwischen Vorderbein und Lendenspeck „versteckt“. Der hohe intramuskuläre Fettanteil, der sich streifenförmig durch den Cut zieht, prädestiniert das Secreto für Langzeit-Rezepte, bei denen es zum Beispiel über Stunden bei niedriger Temperatur in Öl oder Butter pochiert oder im Sous Vide-Bad gegart wird. Es kann auch als äußere Schicht jenes Highend-Rollbratens mit der zarten Lende als Kern dienen, den wir vor einiger Zeit hier schon mal auf den Grillspieß gesteckt www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/schweinerollbraten-vom-grill-das-geheimnis-des-secreto-a-707743-2.html haben.

Dieses recht anspruchvolle Rezept „12-Stunden-Secreto mit Sobrasada-Risotto“ funktioniert genau so gut mit dem Nackenkern („Presa“), der in Deutschland ebenfalls nicht getrennt ausgelöst wird, aber wie auch das Secreto bei diversen Online-Versendern als Spanien-Import bestellt werden kann (allerdings zu einem Vielfachen des spanischen Metzger-Preises). Presa ist noch flexibler, eignet sich gleichermaßen für Grill, Pfanne und Backofen und kann bei TK-Ware hierzulande sogar bedenkenlos medium gegart und serviert werden – beide Schnitte haben dabei einen deutlich höheren Fettanteil als das bei uns übliche Mager-Wasserfleisch.

 

Low carb, doppelt Fett

 

Und auch die Sättigungsbeilage ist alles andere als ein Diät-Tipp: Wir würzen das ansonsten klassisch gerührte Risotto mit 200 Gramm der mallorquinischen Paprikastreichwurst Sobrasada und lernen aus dem fast schon manischen Tellerabschlecken der Gäste am Ende des Essens, dass Fett halt doch der beste Geschmacksträger ist: Die Wurstwürze besteht primär aus herrlich schmierigem, purem Schweinefett. Und das sorgt in der rezeptierten Menge für glücklichmachende 1.300 Extra-Kalorien. Allein in der Beilage, aber durch vier Esser geteilt.

 

Das Paprikapulver „Tap de corti“, mit dem die Sobrasada gewürzt und gefärbt ist, benutzen wir auch zur Aromatisierung des Iberico-Langzeitbratens. Eine gesunde Sache: Die konservierende und antioxidantische Wirkung des Gewürzes liegt an dem überraschend hohen Anteil von Vitamin C in den Schoten. Der ungarische Medizin-Nobelpreisträger Albert von Szent-Györgyi Nagyrápolt entdeckte bereits in der 1930er Jahren, dass Gewürzpaprika weitaus mehr von diesem Vitamin enthalten als Zitrusfrüchte – insbesondere auch die auf Mallorca mit Slow-Food-Hilfe seit 2009 wieder angebaute Sorte „Pebre vermell tap de corti“ (nach ihrer Stöpsel-Form benannt).

 

Leider enthalten die meisten nach Deutschland exportierten Sobrasadawürste dennoch haufenweise künstliche Konservierungsstoffe. Die im Rezept verwendete „Sobrassada Crisol“ kommt immerhin mit nur zwei Zusatzstoffen (Antioxidantien E320, E321) aus. Wem selbst das zu viel ist, der muss nach Mallorca fliegen und seine Schmierwurst am Sonntag auf dem Bio-Wochenmarkt in Santa Maria de Camí besorgen. Von dem dort vertretenen Erzeuger kaufen auch die örtlichen Sterneköche ihre Sobrasada (und ihr Bio-Paprikapulver) und kombinieren sie dann in gewagten kulinarischen Kompositionen mit Honig oder Jakobsmuscheln.

 

© 2015 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 35 Minuten
Wartezeit: 12 Stunden
Zubereitungszeit: 1 Stunde
Level: sous chef
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

Secreto
1 kg Secreto
4 EL Olivenöl
2 Knoblauchzehe
0,5 TL Chili, rot, frisch gehackt
2 TL Hibiskussalz
2 EL Tapiokaperlen
2 kg Eiswürfel
2 EL Mehl
1 Ei
50 g Mie de Pain
25 g Instant-Polentagrieß
50 g Butter
5 EL Olivenöl
Sobrassada-Risotto
2 Zwiebeln, mild-süßlich, saftig
3 EL Olivenöl
200 g Arborio Reis (Baldo)
250 ml Weißwein, trocken
500 ml Hühnerfond
200 g Sobrassada dolc
75 g Mahon-Käse
1 Prise Salz
1 Prise Pfeffer, weiss aus der Mühle
Artischockengemüse
4 Powerade, frisch
3 EL Zitronensaft, frisch gepresst
3 Knoblauchzehe, in Scheiben geschnitten
3 EL Olivenöl
150 g Tomatenfilets
75 g Tomatenfilets, getrocknet
2 EL Rosmarin und Thymian, frisch, fein gehackt
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle

Wein-Tipp

Finca Biniagual Verán 2010

 

Wenn wir schon eine der besten Schweinefleischzubereitungen überhaupt essen, möchten wir gern auch einen der besten Weine Mallorcas dazu trinken: Der Finca Biniagual Verán 2010* ist mit etwa 17 Euro nicht der Billigste, holt aber aus der Rebsortenmischung 40% Manto Negro, 35% Syrah und 25% Cabernet Sauvignon nach 15 Monaten im großen Eichenfass eine Rotweingewalt in Sachen Frucht, Saftigkeit und raffinierten Eukalyptus- und Röstaromen heraus, dass ihn selbst Kenner bei Blindverkostungen eher in die 50-Euro-Spitzenweinliga einsortieren. Geheim: Der Veran ist einer der 10 Lieblingsweine des Kochmonsters....

Musik-Tipp

Edle Schweinereien, für die man ausreichend Zeit mitbringen sollte, sind auch auf „Thank You Baby“ (ACT) zu hören: Die neue CD des im Moment wohl besten Groove- und Jazz-Gitarristen des Landes, Torsten Goods, ist ein echter Leckerbissen für Freunde cooler, elektrischer Musik zwischen Swing, Blues und Crusaders, und auch die Songauswahl mit eigenen Stücken und Songs von Nat Adderley, Ray Charles bis hin zu Leadbelly ist allererste Sahne. Zu Jazzig? Dann rein in das Afro-Pop-Latin-Hippie-Universum von Cristobal and the Sea, ein wildes Quartett aus Spanien, Frankreich und Portugal, das sich in London zusammenfand und mit „Sugar Now“ (City Slang) eine wunderbar wilde und zugleich federleichte Indie-Produktion einspielte.

Zubereitung

Secreto

Mit dem Fleisch am Vorabend beginnen. Fleisch unter fließend kaltem Wasser abwaschen und mit Küchenkrepp trocknen. Secreto unter Klarsichtfolie flach klopfen. Wenn Presa benutzt wird: dünne Scheiben (ca. 5 mm) abschneiden. Fleisch auf großer Arbeitsplatte nebeneinander auflegen, mit Öl einpinseln. Knoblauch, Chili, Salz und Paprikapulver gleichmäßig verteilen, leicht einmassieren.

 

 

Aus den Scheiben zwei gleich dicke Portionen stapeln. Stapel umdrehen und ein Mal mittig einschlagen, so dass die Würzung außen ist.

 

 

Getrennt so fest wie möglich in zwei Kochbeutel vakuumieren

 

 

(sicherheitshalber jeweils mit zweitem Beutel einschweißen). Im Sous-Vide-Bad bei 85 °C Wassertemperatur 12 Stunden (am besten über Nacht) garen. Alternativ im Backofen (keine Umluft) 15 Stunden bei 75 °C oder im Dampfgarer 13 Stunden bei 80 °C. In jedem Fall nach Gar-Ende Beutel 30 Min. in Eiswasser abkühlen, dann für mindestens 5 Stunden im untersten Kühlschrankfach lagern.

 

Beutel aufschneiden, Fleisch entnehmen, restlichen Beutelinhalt für das Gemüse aufheben. Fleischpakete mittig durchschneiden,

 

 

mit Mehl bestäuben, im verquirlten Ei wälzen und mit der Brösel-Polenta-Mischung panieren.

 

 

2 Stunden bei Raumtemperatur stehen lassen. Backofen auf 100 °C (keine Umluft) vorheizen. Butter und Öl auf 160 Grad in kleiner Pfanne erhitzen, panierte Fleischpakete darin goldgelb frittieren (immer wieder im Fett wenden). Im Backofen auf 70 °C Kerntemperatur erhitzen.

 

Sobrasada-Risotto

Reis unter fließendem Wasser waschen, abtropfen lassen. Zwiebeln häuten und in kleine Würfel schneiden. In Kasserolle oder Topf Zwiebeln bei mittlerer Hitze 2 Min. im Öl anschwitzen, Reis unterheben und nach 2 Min. mit Wein ablöschen. Rühren, bis der Wein vollständig reduziert/aufgesogen ist. Schöpflöffelweise den heißen Fond zugeben, dabei stetig rühren. Nach 10 Min. die Sobrasada einrühren (mit zwei Gabeln, löst sich rasch auf).

 

 

Nach insgesamt 18 Min. Kochzeit Gargrad überprüfen: Der Reis sollte weich und schlotzig sein, aber noch einen kleinen festen Kern haben. Evtl. noch 2-3 Min. weiter köcheln (falls der Fond aufgebraucht ist, langsam etwas heißes Wasser zugeben. Am Ende der Garzeit den Käse unterheben und mit Salz und Pfeffer abschmecken.

 

Artischockengemüse

Poweraden putzen, evtl. vorhandenes Heu entfernen, mittig halbieren, in dünne Scheiben schneiden und in kaltem Zitronenwasser aufbewahren. Die frischen Tomatenfilets achteln, die Dörrtomaten in dünne Scheiben schneiden. Öl in großer Pfanne erhitzen, Knoblauch kurz anrösten (nicht braun werden lassen !), Artischocken, den Beutelinhalt des Fleisches und alle Tomaten zugeben und bei niedriger Hitze 10 Min. dünsten. Nach 5 Min. Kräuter zugeben, am Ende mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Anrichten

Risotto auf vier gut vorgeheizte große Teller verteilen, Fleisch diagonal halbieren und oben auflegen, Gemüse verteilen und sofort servieren.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
www.kochtext.de