Variation von Fliederbeere und Schokolade

Dessert für 4 Personen von Peter Wagner

Variation von Fliederbeere und Schokolade

Ein aus der Sicht eines Profi-Pâtissier recht übersichtliches, für den gemeinen Hobbykoch aber hundsgemein schwieriges Dessert: Diese Variation auf die Themen Fliederblüten und Dunkelschokolade braucht in der heimischen Küche ein paar Stunden hingebungsvoller Arbeit – aber wie bei jedem anderen passioniert betriebenen Hobby vergeht auch hier die Zeit wie im Fluge.

 

Die im Herbst reifen Beeren des überall in Mitteleuropa wild wachsenden Schwarzen Holunders enthalten haufenweise gesunde Stoffe (Vitamine, Antioxidante) und werden seit Jahrhunderten als Heilmittel bei Nierenleiden und Erkältung eingesetzt. Allerdings sind die rohen Beeren wegen des in den Samen enthaltenen Sambunigrin leicht giftig, weshalb empfindliche Zeitgenossen die als Deko auf unserem Teller liegenden Früchte besser nicht mitessen sollten. Die Giftigkeit verliert sich bei Erhitzen sofort, weswegen der Rest des Desserts auch bedenkenlos genossen werden kann.

 

In nördlichen Gefilden betreibt man die Hollerei etwas intensiver als im Süden – der Saft der „Fliederbeeren“ (im Norden wird der Holler auch als „Flieder“ bezeichnet) ist Basis für die eher säuerliche denn süße Heiß-Spezialität „Fliederbeersuppe“, er kommt als Farbgeber in die Rote Grütze und wird auch gern dem Grog beigemischt, damit der heiße Rum beim Schlucken nicht ganz so weh tut.

 

Wir verarbeiten die Beeren zu vier Zutaten unseres Desserts (Kompott, Eis, Creme und Gelee) und bauen daraus auch die Kernkomponente – die Holler-gefüllte Marzipanroulade. Holunderblüten kommen als Sirup in einer Mousse zum Einsatz, und die verschiedenen Aggregatszustände von weißer und schwarzer Schokolade (Praliné, Fondant, Raspel, Deko-Elemente) sorgen dafür, dass dieser Nachtisch besser in Verbindung mit kalorienärmeren Vorab-Gängen kombiniert werden sollte.

 

© 2012 Peter Wagner/Peter
Vorbereitungszeit: 2 Stunden
Zubereitungszeit: 1 Stunde, 30 Minuten
Level: chef de partie
Zubereitungsart: mise en place

Zutaten

Marzipanroulade
1,3 kg Holunderbeeren, frisch oder TK
3 EL Vanillezucker
40 ml Cassis-Likör
Fliederbeer-Eis, -Creme & Gelee
6 g Gelatine Sosa, vegetarisch
8 g ProEspuma Fred "nova kuirejo"
1 EL Vanillezucker
Praliné & Schokoladenfondant
100 g Kuvertüre, dunkel
50 g Butter
50 g Zucker, weiss
50 g Kuvertüre, dunkel
1 Stück Eigelb
50 g Eiweiß, steif geschlagen
Holunderblütenmousse
2 Stück Eigelb
50 g Zucker, weiss
200 g Sahne
2 EL Limettensaft
25 ml Holunderblütensirup
2 Blätter Gelatine, Blätter, weiss
Karamelläpfel
1 Stück Äpfel (Granny Smith)
4 EL Zucker, weiss
6 cl Calvados
40 g Butter
Dekoration & Garnitur
8 Stück Fliederbeerzweige
4 EL Puderzucker
100 g Kuvertüre, weiss
50 g Kuvertüre, dunkel
50 g Kuvertüre, weiss

Wein-Tipp

Château Lafaurie-Peyraguey 1er Cru Classé Sauternes 0,375L

Jahrgang: 2006
Region: Dessertwein / Frankreich - Bordeaux-Sauternes / Château Lafaurie-Peyraguey
Rebsorte: 65% Sémillon | 35% Sauvignon Blanc
Geschmack: vollmundig kandiert fruchtig
trinkreif ab sofort
lagerfähig bis: 2035
Trinktemperatur: 10 °C
Alkoholgehalt: 13,6 % vol.

Der 2006er Château Lafaurie-Peyraguey zeigt sich etwas komplexer und noch eleganter als der vorherige Jahrgang. Er strahlt goldgelb mit rötlichen Reflexen im Glas, wobei er delikate Aromen von Honig, Aprikosen, kandierten Früchten und Pfirsichen verströmt. Auf der Zunge schließlich ist er sehr dicht, finessenreich und elegant. Um all dieser Süße etwas entgegenzusetzen hat der Château Lafaurie-Peyraguey eine vitale und erfrischende Säure, die ihn perfekt ausbalanciert und zu einem großen Genuss macht.



Musik-Tipp

Damit die vielen Stunden, die der Hobby-Patissier für dieses Rezept in der Küche stehen muss, akkustisch nicht langweilig werden, legen wir zuerst die Doppel-CD SOUL YA 4  – Sexy Funky Disco“ (Wavemusic) in den Player und grooven zu richtig schmackigen, teils bislang unveröffentlichten Remixes des Hannoveraner DJs Mousse T – darunter Simply Reds „Angel“ oder Randy Crawfords „Give Me The Night“, aber auch so abgefahrenes Zeug wie Barry Manilow („Copacabana“) oder „Purple Rain“ von Prince nach drei Rundem in Chew Fu’s Phat-Maschine. Und beim einstündigen Küchenputzen nach dem Mahle lauschen wir dann andächtig den Reimen des ewigen Holländers: „Für einen Kuss von Dir“ (Universal) ist trotz des Titels nicht Herman van Veens endgültiger Abrutscher in die untiefen Schlager-Abgründe, sondern die gesungene Lebensweisheit eines Barden, der auch optisch Hans Albers immer näher kommt.

Zubereitung

Marzipanroulade

Bis auf die für die Dekoration gebrauchten 8 kleinen Zweige können in diesem Arbeitsschritt bereits alle für das Rezept benötigten Vor- und Zwischenstufen der Fliederbeeren

 

 

hergestellt werden. Bei allen Arbeiten mit diesen extrem stark färbenden Beeren sollten Silikonhandschuhe getragen werden.

 

Zu Beginn sämtliche Holunderbeeren in Becken mit kaltem Wasser einlegen und anschließend sorgfältig abwaschen, um evtl. vorhandene Insekten zu entfernen.

 

 

Beeren mit Hilfe einer grobzinkigen Gabel von den Zweigen abstreifen, dabei darauf achten, dass keine kleine Zweigchen mit abgerissen werden.

 

 

Beeren in drei Teile teilen: 300 g für die Rouladenfüllung, 400 g für Eis, Creme und Gelee, sowie 300 g für den Saft. Diese Teilmenge nun zunächst entsaften (mit Mixer/Haarsieb oder im Entsafter).

 

Für die Rouladenfüllung 300 g Beeren mit 150 ml Saft, Vanillezucker und dem Likör in großer Pfanne bei mittlerer Hitze ca. 10 Min. dünsten bis kaum mehr Flüssigkeit in der Pfanne ist.

 

 

Auf kalten Teller geben und glatt streichen.

 

 

Marzipandecke vorsichtig auf saubere Arbeitsfläche ausrollen und oben und unten gerade abschneiden. Fliederbeeren mit eine Palette gleichmäßig verstreichen

 

 

und die Decke zu einer straffen Rolle aufrollen.

 

 

Teller mit den Beerenresten für das spätere Anrichten aufheben. Rolle an den Enden abschneiden und in 4 ca. 6-8 cm. breite Zylinder schneiden (mit scharfem, dünnklingigen Messer, das vor dem Schneiden in heißes Wasser getaucht wird). Aufrecht stehend bereit halten (dann färben die Beeren weniger durch den Marzipanteig).






Fliederbeer-Eis, -Creme & Gelee

Für das Gelee die restlichen Beeren mit dem restlichen Saft in Topf bei niedriger Hitze 20 Min. lang weich kochen.

 

 

Pürieren und durch Haarsieb passieren.

 

 

 

Von den so entstandenen ca. 400 ml dickflüssigen Saft 150 ml in frischem Topf zusammen mit der vegetarischen Gelatine aufkochen und mit Schneebesen klumpfrei rühren. Auf einen Teller Gelierprobe mit Löffel geben – die Flüssigkeit sollte zügig gelieren. Auf eine flache Platte oder kleines Blech Küchenfolie blasenfrei aufspannen und den heißen Saft gleichmäßig aufschütten. An kühlem Ort gelieren lassen.

 

 

 

Für Eis & Creme das Proespuma-Pulver  zusammen mit dem Vanillezucker in den restlichen Dicksaft einmixen.

 

 

Davon 50 ml in ein Dosierfläschchen füllen und kalt stellen. 4 EL abnehmen und für die Deko-Produktion bereit halten. Den Rest in einen Sahnesiphon füllen,

 

 

mit zwei Gaspatronen begasen, gut schütteln und bis auf kleinen Rest davon in passende Eis-Förmchen spritzen, Rest für die Pralinen aufheben. Förmchen bei -18º Grad mind. 3 Stunden einfrieren.




Praliné & Schokoladenfondant

Für die Pralinen die Bitterkuvertüre grob hacken,

 

 

in einer Schüssel über einem heißen Wasserbad schmelzen und auf 45º Grad erhitzen (mit digitalem Fleischthermometer nachmessen). Rührschüssel in Eiswasser hängen und unter stetigem Rühren den Inhalt auf 25º abkühlen. Zum Verarbeiten wieder über heißem Wasserbad auf 45º erhitzen. Wichtig: Nach dieser Prozedur kann die Kuvertüre immer wieder neu erwärmt werden, sofern sie zwischendrin nicht völlig ausgehärtet ist.

 

 

Passende Pralinenform (wie sie z.B. dem preiswerten Büchlein „Express-Pralinen-Set: Buch mit Konfekt-Gießform“ beiliegen) mit der Kuvertüre ausfüllen,

 

 

Form umdrehen und in den Kuvertürentopf zurück tropfen lassen ­­– dadurch werden nur die Wände der Form mit Schokolade bedackt. Form 20 Min. in den Tiefkühler geben, Kuvertüre warm halten.

 

 

Nun die restliche Beerencreme mit dem Siphon in die Vertiefungen der Form spritzen, glatt streichen und weitere 20 Min. frosten.

 

 

Zum Schluss den Kuvertürendeckel auf die Förmchen mit Pinsel auftragen und die Form bis 10 Min. vor dem Servieren in das untere Fach des Kühlschrankes stellen.

 

 

Für den Schokoladenfondantdie Bitterkuvertüre grob hacken und mit der Butter in einer Schüssel über einem heißen Wasserbad auflösen. Zucker, Eigelb schaumig schlagen und die aufgelöste Kuvertüremasse rühren. Eiweiß steif schlagen und unterheben. Die Masse in eine flache Backform streichen und bei 160 °C 45 Minuten backen. Abkühlen lassen. Aus dem Fondant mit kleinem, runden Ring von ca. 3 cm. Durchmesser 8 Zylinder ausstechen und bereit halten.




Holunderblütenmousse

Die Hälfte der Sahne mit dem Sirup und dem Limettensaft kurz aufkochen, Gelatine in kaltem Wasser einweichen.  Eier, restliche Sahne und Zucker in Schlagschüssel auf heißem Wasserbad mit Schneebesen schaumig rühren.

 

 

Heiße Sirup-Sahne langsam einrühren,

 

 

Gelatine ausdrücken und klumpfrei einrühren. Masse zur Rose abziehen– das ist die Methode, die korrekte Viskosität von gebundenen Massen, meist mit Eigelb, zu bestimmen: Holzlöffel in die Masse tauchen, abtropfen lassen und auf die Löffelrückseite blasen. Wenn sich dort rosenartige Formen bilden, ist die Creme perfekt; wenn nicht: weiterrühren.

 

Masse in Schüssel umfüllen und 3 Stunden kalt stellen.




Karamelläpfel

Apfel schälen und mit einem mittelgroßen Melonen-Ausstecher möglichst ebenmäßige Kugeln aus dem Fruchtfleisch stechen. In kleinem Topf oder Sauteuse den Zucker hellbraun karamellisieren,

 

 

mit dem Calvados ablöschen und aufkochen, bis sich der Karamell gelöst hat.

 

 

Apfelkugeln zusammen mit der Butter zugeben und solange schwenken, bis die Äpfel goldgelb kararamellisiert sind.

 

 

Apfelkugeln auf Teller geben und mit dem Topfinhalt überschütten. Bei Zimmertemperatur bereit halten.

 



Dekoration & Garnitur

 

 100g weiße Kuvertüre grob hacken, in einer Schüssel über einem heißen Wasserbad schmelzen und auf 45º Grad erhitzen (mit digitalem Fleischthermometer nachmessen). Rührschüssel in Eiswasser hängen und unter stetigem Rühren den Inhalt auf 25º abkühlen. Zum Verarbeiten wieder über heißem Wasserbad auf 45º erhitzen.

 

Flachen Teller oder Platte mit Küchenfolie blasenfrei bespannen, mit Pinsel die 4 EL Beerencreme aus der Eis-Produktion gleichmäßig verstreichen.

 

 

Weiße Kuvertüre gleichmäßig darüber glatt streichen, mit Kamm Muster erzeugen. Teller/Platte 20 Min. frosten.

 

 

Je 50 g weiße und dunkle Kuvertüre auf scharfer Reibe flockig raspeln.

 

 

 

 

Fliederbeeren mit dem Puderzucker bestreuen.

 

Beeren-Teller mit den Resten der Rouladenproduktion im Backofen oder Mikrowelle aufwärmen, bis der Saft von einem Pinsel aufgenommen werden kann,

Anrichten

Mittig auf eine flache Platte oder rechteckigem Teller mit Pinsel einen breiten Strich Saft von der Rouladenproduktion aufstreichen,

 

 

rechts und links davon bündig die weißen und braunen Kuvertüreflocken anstreuen. Mittig auf die rote Spur je 1 Marzipanroulade legen.

 

Platte mit der weißen Kuvertüre aus dem Froster nehmen und mit Ausstechern 8 Kreise im Durchmesser der Roulade sowie weitere, kleinere Formen nach Wahl ausstechen.

 

 

Mit den Scheiben die Rouladen an den Seiten verschließen. Aus der Geleeplatte 8 Streifen von ca. 1 cm. Breite schneiden

 

 

und rechts und links seitlich bündig über die Rouladen legen (siehe Foto). Je 1 Deko-Element oben auf Roulade stecken.

 

Je zwei Puderzucker-Beeren-Zweigchen anlegen. Je zwei Fondant-Sockel hinter die Roulade legen. Mit der Dosierflasche Beerencreme dekorativ über die Apfelkugeln fließen lassen; Kugeln auf die Fondants setzen. Rechts neben der Roulade je 1 Praline aufsetzen.

 

Beeren-Eis aus dem Förmchen stürzen, links von der Roulade platzieren, je 1 Nocke Mousse oben aufsetzen. Nach Belieben mit weiteren Schoko-Elementen (z.B. weiße Kuvertürenstangen; (selbst gemacht aus den Resten der weißen Kuvertüre oder in Feinkostgeschäft fertig gekauft) ausdekorieren und rasch servieren, denn das Eis schmilzt schnell.

 

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
www.kochtext.de