Ghillie Başan

Türkisch kochen

kochbuch

Türkisch kochen
Ghillie Başan:
"Türkisch kochen"
Erscheinungsjahr: 2008
160 Seiten
79 Rezepte
19,90 EURO
ISBN: 978-3865286581

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Türkisch kochen Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Zu hoher Kunst wird die türkische Küche auch mit diesem Kochbuch nicht aufsteigen. Dafür schmeckt es hier einfach zu grundehrlich, positiv ausgedrückt. Aber diese Grundehrlichkeit zu entdecken und in ein tagtäglich nutzbares wie abendfeines Buch mit Rezepten für Anfänger und Fortgeschrittene zu übersetzen, das ist  Ghillie Başan gelungen.

 

Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Engländerin  Ghillie Başan hat ungefähr so viele Kochbücher unter dem Gürtel wie unser Alfons Schuhbeck, sie sieht alerdings viel besser aus. Başan hat sich auch hier mit ihrem üblichen Verdächtigen Martin Brigdale für die Fotos zusammengetan. Gute Wahl!

 

Viel wichtiger aber ist ihr Vorleben: Als Sozioanthropologin nähert sie sich Länderküchen mit Respekt, Neugier, Appetit und Vorwissen. So plappert sie beim Schlendern über türkische Märkte keine Blogs über die dort herrschenden hohen Temperaturen vor sich hin, sondern konversiert mit den Fischhändlern über volkstümliche Lieder über die Sardelle. Sie kennt die islamische Version von der "Sättigung der vielen", bei der ein Tisch vom Himmel herabsank. Sie schreibt lesenswerte, historisch unterfütterte Einleitungen zu traditioneller und moderner Küche, bringt Sprichwörter wie „Wer Süßes isst, bekommt ein süßes Leben“ ins Spiel und setzt uns schon auf Seite 7 den Mystiker und Dichter Rumi vor. Der kannte sich aus mit Essen – so wie sie.

 

Praktischerweise hat  Ghillie Başan hat keine Scheu davor, mit simplen Sachen zu arbeiten. Klassiker mag sie auch. Manchmal lässt sie sie klassisch, manchmal entölt sie sie.

 

 

 

Die Rezeptkapitel sind klug und praktisch unterteilt in kalte Mezze und Salate, warme Mezze und Suppen, vegetarische Gerichte, Pilaw, Bohnen und Linsen, Fisch und Schalentiere, Fleisch und Geflügel und Desserts und Konfitüren. Zugegeben, richtig Appetit kriegt man leider nicht bei dieser Einteilung, doch das ändert sich, sobald man in den Kapiteln hin und her blättert.  Ghillie Başan hat ein wahres Füllhorn (doch, das ist ein schönes Wort) an originalen und originellen Rezepten zusammengeräubert. Tomaten-Mandel-Konfitüre, sauer eingelegte Pickles, anatolische Teigtäschchen, die an Barbies Handtaschen erinnern, und etliche einleuchtende Geschmackskombinationen aus Zucchini und Pfirsichen oder Kürbis und Aprikosen zeigen die Bandbreite dieser ja steinalten Kochkunst, die nur bei uns auf Fladenbrot, Billiggemüse und schmierige Dips heruntergedummt wurde.

 

Denn: Die Türkei definiert sich manchmal fast schon penetrant leidenschaftlich über’s Essen wie Italien. Unterschiedliche Einflüsse aus dem Fernen Osten, Zentralasien und dem Mittelmeer haben diese Länderküche geprägt. Im „Palast“, wie der Topkapi in Istanbul auch genannt wurden, wurde als nächster Schritt die Hofküche perfektioniert. Schlappe 1370 Angestellte scheuchte Süleyman der Prächtige beispielsweise im 16. Jahrhundert durch seine Palastküche – da kann der ähnlich prächtige Heinrich VIII. in seinen Küchen von Hampton Court Palace nicht im Ansatz mithalten.

 

Solche Gaumenfreuden hat  Ghillie Başan gefunden und auf unsere schnell getaktete Zeit übersetzt. Ja. Wir haben die Zeit, Muscheln mit Pilaw und Pinienkernen zu füllen. Zitronenhuhn in Aubergine zu hüllen.

 

Oder Frauennabel zu frittieren. Letztere Köstlichkeit aus Brandteig ist typisch für die Palastküche, ebenso wie der Gebräunte Reispudding. „Cremig und mit köstlichem Vanillearoma“, schreibt  Ghillie Başan, „isst er sich wie von selbst.“ Das ist die schönste kulinarische Entschuldigung für süße Sünden seit langem und überdies ein Statement, das ich ihr auf der Stelle abnehme. 

 

Buch bei Amazon kaufen

Rezensent

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.

gugetzer@kochmonster.de
www.kochmonster.de