Jägerschnitzel Deluxe

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

Jägerschnitzel Deluxe

Trotz jahrelanger teurer Imagekampagnen ist es um die Reputation der deutschen Jägerszunft nicht gut bestellt. Und das, obwohl aus kulinarischer Sicht kein anderes Fleisch auf dieser Welt mehr „bio“, mehr „regional“ oder mehr „nachhaltig“ sein kann. Außerdem ist Wildbret ökotrophologisch gesehen auch das modernste Fleisch überhaupt: Es hat kaum Fett, beim Reh sogar unter zwei Prozent, und einen hohen Eiweißgehalt von über 23 Prozent.

 

Dazu kommt die perfekte Balance zwischen den essenziellen Fettsäuren Omega-3 zu Omega-6: Das Verhältnis liegt bei 1:5, das gibt es in der Fauna sonst nur beim Wildlachs. Der Verzehr von modernem Massenhaltungsschwein gleicht hier mit seinen ungesunden 1:20 schon fast einem ernährungswissenschaftlichen Selbstmord auf Raten. Und trotzdem sind die Jäger in den Augen vieler Tierfreunde, und nicht nur den veganen unter ihnen, brutale Bambi-Killer.

 

Was noch nicht einmal die Hälfte der Wahrheit ist, denn statt Rehen ist es vor allem Schwarzwild, das vor die deutschen Flinten kommt: 520.623 Wildschweine wurden in der Jagdsaison 2014/15 in Deutschland von Jägern erlegt. Marktwert ca. 81 Mio. Euro. Der seltenste Gast vor Kimme & Korn ist der Skiahirsch, von dem etwa 1.500 Stück geschossen wurden. Noch seltener, aber das nur am Rande des Jägerlateins, ist die Chance, vier Albino-Rehe in freier Wildbahn gleichzeitig vor ein Teleobjektiv zu bekommen: 79.000.000.000 zu 1. Dem US-Fotografen Boulder Junction gelang dies, in den tiefen Wäldern Wisconsins.

 

Andererseits können auch Menschen Opfer von Wildtieren werden. Damit sind nicht die Großwildjäger gemeint, die in der Serengeti 35.000 Dollar für einen Löwenabschuss geblecht haben und dann fairerweise hinterrücks von einem Weibchen aus dem Rudel des erschossenen Königs der Tiere angefallen werden. Natürlich nicht mit einem gezielten Todesbiss wie bei der Antilope, sondern langsam. Stück für Stück. Von unten nach oben. Nein, wir meinen die 130 Menschen, die weltweit jährlich bei Unfällen mit Hirschen ihr Leben lassen. Nur mal zum Vergleich: Haie kriegen gerade mal fünf von uns tödlich ins Maul.

 

In Neuseeland wird einem das eher nicht passieren. Hier leben zwar weltweit die meisten Hirsche, allerdings eingesperrt in riesige Gehegen: Eine Million Tiere kommen dort auf gerade mal vier Millionen Einwohner. Minderheiten, das alles. Denn die beiden Inseln down under sind von einer ganz anderen Spezies bevölkert, und auch die kann man essen: 30 Millionen Schafe.

 

Womit wir wieder beim Fleischthema wären. Hier fristet Hase, Wildsau & Co ein Nischendasein auf Deutschlands Esstischen: Mehr als die Hälfte der Bundesbürger macht sich nichts aus Wildbret. 40 Prozent sagten in einer Umfrage, sie hätten im letzten Jahr weder Hirsch noch Reh oder Wildschwein gegessen, 20 Prozent sogar im ganzen Leben noch nicht. Ein Mal pro Woche essen nur 0,7 Prozent Wild. Die Folge: Weniger als ein Kilo Wildfleisch isst der Deutsche im Schnitt pro Jahr – bei über 60 kg Gesamtfleischverzehr. In Jägerfamilien sind es naturgemäß mehr, denn irgendwer muss ja den erlegten Fleischberg auch wegputzen: Waidmann und seine Sippe verzehrt 13 Kilo jährlich.

 

So viel brauchen wir für unsere heutige Edel-Version des Kantinenklassikers „Jägerschnitzel“ nicht, uns reichen 150 Gramm pro Person. Die sollten ausnahmsweise aus dem Rücken stammen, denn bei dieser Zubereitung bleibt das Fleisch unter einer doppelten Schutzschicht aus Kalbsbrät und Champignons-Schuppen außergewöhnlich saftig. Die Grundidee dieser Zubereitung stammt aus dem Buch „Geschmacksgeheimnisse“ des TV- und Sternekoches Alexander Herrmann.

 

Weil wie immer bei Kurzbratgerichten aus dem Fleisch keine vernünftige Eigensauce herzustellen ist, gibt es eine extern gekochte dazu: cremig, hochkonzentriert, bei weitem nicht so fett wie sie sich aufspielt, mit passend leichtem Hang ins Süßliche – und vor allem einem dicken Pfund Wildgeschmack. Noch mehr Waidmannsfreude im Wortsinne wäre nur möglich, wenn man sich seine Jägerschnitzel aus dem Rückenkotelett des Jägers schneiden würde.

 

Aber wer will sowas schon essen?

 

 

© 2017 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 45 Minuten
Zubereitungszeit: 40 Minuten
Level: chef de partie
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

Jägerschnitzel
600 g Schweinerücken, Duroc
200 g Kalbsbrät
250 g Egerlinge, frisch
1 EL Mehl
1 Prise Pfeffer, bunt, frisch gemahlen
1 Prise Salz
50 g Schweineschmalz
Wildsauce
150 g Zwiebelwürfel
25 g Butter
2 TL Rohrzucker
200 ml Sherry, extra trocken
300 ml Wildfond
8 Wacholder
3 Lorbeerblätter
2 EL Majoran, frisch, fein gehackt
300 g Kochsahne
20 g Butter, eiskalt
1 Prise Salz und Pfeffer
1 Spritzer Zitronensaft, frisch gepresst
Beilagen
500 g Schupfnudeln (Bubenspitzle)
50 g Butter
1 Prise Salz
150 g Kräutersaitlinge, frisch
1 Prise Salz
50 ml Wildfond

Wein-Tipp

Cantina Terlan Chardonnay DOC 2015

 

Zu Wild greift man oft automatisch ins Spätburgunder-Regal, was auch hier kein Fehler sein muss – es sei denn, der Cantina Terlan Chardonnay DOC 2015 liegt gut gekühlt im Schrank. Zu unserem Jägerschnitzel mit der cremigen, hellen Sauce passt nämlich dieser Südtiroler, sieben Monate im Stahltank auf der Hefe ausgebaute Weiße fast noch besser, auch weil sich die typischen Chardonnay-Bananennoten nur in der Nase bemerkbar machen, der Wein am Gaumen aber weich und fast süßlich wirkt, was aber von einer salzigen Mineralität perfekt ergänzt wird.

Zubereitung

Jägerschnitzel

Schnitzel dünn klopfen. Wenn sie zu groß werden, halbieren. Mit Salz und Pfeffer würzen, mehlieren.

 

 

Brät (bei Würsten aus der Bratwurstpelle herausdrücken) auf eine Schnitzel-Seite verteilen. Mit Messer fest aufstreichen. Pilze halbieren und von der Mitte aus dünne Scheiben hobeln. A

 

 

bschnitte für die Sauce verwenden. Pilze schuppenartig auf die Brätseite aufdrücken.

 

 

Mit der Pilzseite nach unten in eine beschichtete Pfanne mit heißem Schmalz geben, bei mittlerer Hitze 3 Min. braten. Vorsichtig wenden und zu Ende braten.

 

 

 

Wildsauce

Zwiebelwürfel in Sauteuse mit Butter und Zucker hellbraun karamellisieren, Champignons

 

 

und Sherry zugeben, komplett einreduzieren. Fond, Gewürze und Kräuter zugeben, bei mittlerer Hitze und geschlossenem Deckel 30 Min. leise köcheln lassen. Durch Feinsieb passieren, mit der Sahne aufkochen und langsam zur gewünschten Konsistenz einreduzieren. Mit der Butter aufglänzen, mit Salz, Pfeffer, Zitrone und evtl. einem Spritzer Sherry abschmecken.

 

Beilagen

Bubenspitzle nach Packungsangaben vorbereiten, in beschichteter Pfanne mit der Butter goldgelb braten, leicht salzen. Kräutersaitlinge wenn nötig sauber bürsten und längs halbieren. In beschichteter Pfanne ohne Fett mit etwas Salz rösten, bis sie Farbe angenommen haben. Wildfond zugeben und durchschwenken bis die Flüssigkeit verdunstet ist.

Anrichten

Auf vier große, vorgeheizte Teller mittig die Spitznudeln verteilen, Schnitzel auflegen, Pilze daneben verteilen, Sauce angießen und rasch servieren.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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