Arrigo Cipriani

Harry’s Bar Kochbuch

kochbuch

Harry’s Bar Kochbuch
Arrigo Cipriani:
"Harry’s Bar Kochbuch"
Erscheinungsjahr: 2001
330 Seiten
220 Rezepte
39,90 EURO
ISBN: 978-3899100105

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Harry’s Bar Kochbuch Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Es gibt Restaurants, es gibt angesehene Restaurants und es gibt kulinarische Institutionen. Zu letzteren zählt Harry’s Bar in Venedig, deren Geschichte in diesem unglaublichen Buch erzählt wird und deren Rezepte zurück führen zu dem, was die italienische Küche zu einer der besten weltweit gemacht hat.

 

In Harry’s Bar zu speisen hieß immer und heißt bis heute, viel Geld auszugeben, aber wenigstens zu wissen, warum und wofür man dies tut. Auch wenn dem Restaurant in den letzten Jahren eine deutlich abfallende Qualitätskurve nachgesagt wird: Noch immer isst man hier in einmaligem Ambiente.

 

Was indes bedeutet es, von guter italienischer Küche zu sprechen? Die Rezepte dieses höchst amüsanten Buches bringen uns auf die richtige Fährte. Die italienische Küche lebt von ihren Zutaten und vom Wissen darum, wie selbige in ansprechendem Rahmen präsentabel sind, ohne an Eigenart zu verlieren. Das ist das ganze, aber am Ende doch ziemlich große Geheimnis.

 

Nehmen wir nur die „Sarde in Saor“, die sauer eingelegten Sardinen. Sie zuzubereiten erfordert keine Grandezza in der Küche, sondern lediglich das Wissen um die richtigen Zutaten und ein präzises Timing ihrer Zubereitung. Selbiges gilt für ungeheuer viele Rezepte in diesem Buch, von der sagenhaften Kardencremesuppe über die Kalbsnieren bis zum Risotto mit Geflügelleber.

 

Dass „Harry’s Bar Kochbuch“ eine Neuauflage des in Italien bereits 1991 und hierzulande zwei Jahre später erschienen Originals ist, kommt den Rezepturen nur zugute, stammen sie doch aus den besseren Tagen des eigentlich nur nebenerwerblich betriebenen Restaurants. Arrigo Cipriani, Sohn des Firmengründers Giuseppe, hat das Kunststück vollbracht, eine nahezu lückenlose Sammlung der (nord-)italienischen Küche zu schreiben und sich dabei auf keinerlei modernistische Kompromisse eingelassen. Seine Pastafüllungen, Grundsaucen und –brühen stammen allesamt aus eigener Fertigung, nach Convenience sucht man hier komplett vergeblich.

 

Als Musterbeispiel sei die Piemonteser Sauce genannt. Die aus getrockneten und frischen Pilzen, Kalbsknochen, Gemüse, Rot- und Weißwein, Kräutern und Gewürzen relativ aufwändig zuerst im Ofen, dann auf dem Herd hergestellte Sauce ist an sich schon eine umwerfende Delikatesse, gibt allerdings als Zutat etlicher Gerichte denselben genau jene Geschmacksfülle, nach deren Ursache die meisten Italien-Urlauber hinterher vergeblich auf die Suche gingen. Und sie ist in dieser Rezeptesammlung, die präzise Mengenangaben und auch Kochanleitungen offeriert, nur eines von vielen lobenswerten Beispielen.

 

Lediglich in seltenen Fällen steht der Hobbykoch mit „Harry’s Bar Kochbuch“ vor kleineren Problemen: Die „Castraure“ etwa, die ersten Artischocken des Jahres, wird man außerhalb Venedigs nur schwer und außerhalb der Anbaugebiete vermutlich gar nicht bekommen. Und in einem Fall ist ein Rezept Ciprianis für Normalverdiener erst nach Rücksprache mit dem Kreditinstitut nachzukochen. Für seine Tagliolini con Tartufi empfiehlt der Küchenchef bei sechs Personen am Tisch sage und schreibe das Hobeln von 110 Gramm der weißen Trüffeln aus dem Piemont. Das ist ob der Geschmacksfülle des edlen Pilzes nicht nur klar kulinarisch völlig übertrieben, das führt bei einem Kilopreis von bis zu 4000 Euro auch finanziell in irgendwie die falsche Richtung.

 

Fazit: Als Koch- wie Lese-Buch ist das zudem mit sehr schönen venezianischen Impressionen bebilderte Werk grandios gelungen und wird mit guten (und unabhängigen) Weinempfehlungen zu vielen Gerichten abgerundet.

 

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Rezensent

Stefan Krulle

Stefan Krulle

Der Journalist lebt ohne Mikrowelle und Tütensuppenschublade in Hamburg und gesellt sich in jeder Umfrage zum männlichen Koch- und Essverhalten gern zur Minderheit.