Johannes King

Johannes King

kochbuch

Johannes King
Johannes King:
"Johannes King"
Erscheinungsjahr: 2008
352 Seiten
78 Rezepte
49,90 EURO
ISBN: 9783899103311

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Johannes King Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

"Sylt Haute Cuisine mit einer Prise Meer" – wo das Marketing die Feder spitzt, kommt der Gaumen oft zu kurz. So Bussibussi-mäßig diese Beschreibung von Johannes Kings Kochstil auch klingen mag, seine 2 Michelin-Sterne, die 17 Gault Millau-Punkte und sein weiteres Vorrücken im Volkenborn-Ranking von Platz 29 auf 28 hat er sich am Herd verdient – und dort sieht man zum Glück die aufgegeigelte Sylter Haute Volee nur in Ausnahmefällen, über die wir aus hormonellen wie juristischen Gründen an dieser Stelle lieber schweigen wollen.

 

King berät seit 1999 die Hotelkette "Dorint" als Konzernküchendirektor, ein Jahr später trat der gebürtige Schwarzwaldler auf Sylt (Söl’ring Hof ) den Maitredienst an. Naturgemäß wimmelt es hier also vor anspruchsvollen, aber meist auch am heimischen Herd realisierbaren Rezepten für Meeresgekröse jeder Art.

 

Manche Anleitungen wie das zauberhafte Rezept für "Blutwurst-Ravioli auf Champagner-Rahmkraut und braunen Bröseln" gehen über fünf Seiten, nicht besonders vollgeschriebene Seiten wohlgemerkt; aber auch hier wird alles von Grund auf frisch zubereitet – auch die Blutwurst kann jeder, der weiss, wo er die im Rezept geforderten "1 Liter frisches Schweineblut" herkriegt, nachkochen. Vielleicht mal die Wurstaushilfsverkäuferin beim Tengelmann fragen?

 

Blutwurst-Ravioli auf Champagner-Rahmkraut und braunen Bröseln: woher das Schweineblut nehmen?

 

Leider werden einige Rezepte allein schon durch die erforderlichen Gerätschaften für den Hobbyküchenmann unkochbar: "Drei Birnen mit Schale durch den Entsafter geben", heißt es in der Anleitung für "Birnensorbet". Gut, gehen wir zum Elektrodiscounter und kaufen einen Entsafter. Doch weiter: "120 ml Birnen-Cidre und 100 ml Birnensirup dazugeben, mixen, passieren und in der Sorbetiere frieren". Sorbewiebitte? (Kleiner Tipp: wer für so was einen Tausender übrig hat, wird ihn bei Rauschenbach los)

 

Johannes King ordnet seine Gerichte nach den Jahreszeiten. Das ist sinnvoll, vor allem wenn es um das Einkaufen frischer Zutaten geht. Deshalb lieber warten, bis es ihn als Freiland-Bioware gibt, den Kopfsalat. Der nämlich ist Kings heimliche Liebschaft – mit „Kopfsalatrisotto mit Hummer und weißem Speckschaum“ oder „Kopfsalat-Cremesuppe mit Kartoffel-Kaviar-Lasagne“ treibt er das grüne Blattwerk auf die Spitze.

 

Gleichzeitig zeigt sich King offen für Crossover-Spiele mit Couscous oder Jakobsmuscheln mit Mango-Pinienkern-Salsa, erhebt zugleich aber auch Profanes in Sternehöhen: Edel-Labskaus mit Wachtelspiegelei, Rollmöpse aus Rotbarben, Tartar vom frischen Hering mit Kopfsalat-Vinaigrette – das ist ganz großes Fischkino.

 

Und weil die Rezepte begleitet werden von abgrundtief schönen Sylt-Fotos, menschelnden Geschichten über Kings sublokales Lieferanten-Netzwerk (Meeräschen und Makrelen fischt dem Koch schon mal die Freiwillige Feuerwehr Rantum aus der Nordsee; nordfriesischen Käse liefert Frau Dethlefs), und weil jedes Kapitel von den ergreifend-trefflichen Versen aus der Feder des Deich-Dichterfürsten Theodor Storm angeführt wird – weil das alles also so heimelnd stimmig ist, vergessen wir die Krittelei über ein paar (wenige) Genauigkeitshänger der Rezepte und geben Johannes den Titel, den er sich hart verdient hat:

 King Of Sylt.

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Rezensent

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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