Dieter Müller

Dieter Müller

kochbuch

Dieter Müller
Dieter Müller:
"Dieter Müller"
Erscheinungsjahr: 2008
392 Seiten
300 Rezepte
24,90 EURO
ISBN: 978-389910400-4

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Dieter Müller Bewertung: 6 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

 Als Spitzenkoch mit Weltruf heisst man Santi Santamaria, Martín Berasategui oder wenigstens Jean-Francois Piège. Ganz bestimmt aber nicht Dieter Müller. Wer es mit so einem Wald-und-Wiesen-Namen schafft, sich jahrelang in der Top 3 der deutschen Kochkunst-Rankings zu halten, muss mehr mitbringen als nur die pure Lust am Kochen. Da kann eigentlich nur tiefste Passion und höchste Muse dahinter stecken.

 

Müller steht seit 32 Jahren an diversen Herden, die wiederum in so illustren Häusern wie den Schweizer Stuben in Wertheim-Bettingen oder dem Schlosshotel Lerbach standen. In Wertheim kochte er in den 1970er Jahren täglich im Fernduell mit Eckard Witzigmann ("Tantris" in München") um den besten Koch Deutschlands, später gesellten sich noch Harald Wohlfahrt und Joachim Wissler in den Küchenolymp, doch Müller blieb bis zur Staffelstabübergabe an seinen Zögling Nils Henkel im März 2008 im Gegensatz zu Witzigmann ohne Allüren, Drogengeschichten oder Burn-Outs stets ganz vorne.

 

Die Höchstnote von 19,5 Punkten im Gault Millau 2006 und drei Michelin-Sterne spiegeln Müllers einzigartige kulinarische Weltklasse wieder – jene Klasse, die auch in jedem einzelnen der gut 300 Rezepte dieses Buches aufblitzen.

 

Um die Magie, dieses innere Leuchten von Müllers Rezepten wirklich verstehen zu können, muss man nicht bei ihm gegessen haben. Aber es hilft. Jakob Strobel y Serra von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schwärmte anlässlich der Verleihung des Sonderpreises "Goldene Feder" durch die Gastronomische Akademie Deutschland für Dieter Müller auf der Buchmesse 2008: "Manche von ihnen werden das Privileg genossen haben, Dieter Müllers berühmtes Amuse Bouche-Menü kosten zu dürfen, 19 Gänge des Glücks, nach denen man reif ist für das Paradies, weil es nichts Irdisches mehr gibt, das dieses kulinarische Meisterwerk übertreffen könnte. Einer der Gänge in der Variante des Menüs, das Dieter Müller mir servierte, ist ein gedämpfter Loup de Mer mit Zucchini-Haube und einem Wunder: einem Chorizo-Fumet. Das Wunder ist, dass Dieter Müller der Paprikawurst alles Polternde, alles Proletarische ausgetrieben und sie dennoch nicht verscheucht hat. Sie ist noch da, man spürt es genau. Denn die Seele des Chorizo, ihr innerstes Wesen, hat Müller eingefangen in einem Schaum wie in einem goldenen Käfig. Er hat das Chorizo gezähmt, geadelt, aus der Magd eine Prinzessin gemacht, aus dem Geschmackssturm im Gaumen einen zarten Hauch – und mit diesem Fumet meisterhaft demonstriert, dass sein Kochen nicht Kunsthandwerk, sondern Kunst ist."

 

Ich selbst konnte Dieter Müller im Herbst 2008 bei einem Seminar des US-Highend-Topfherstellers All Clad im Columbia Hotel in Travemünde beim Kochen auf die Finger sehen. Er teilte sich die Kocharbeit für ein Sechsgängemenü mit dem Resident-Chef des La Belle Epoque, Kevin Fehling (1 Stern, 16 Punkte, Volkenborn-Ranking 121); einer der Müller-Gänge war ein Maronencremesüppchen mit Sot-Ly-Laisse, das in leicht abgewandelter Form (wie auch das erwähnte Chorizo-Fumet) auch als Müller-Klassiker in seinem Buch erklärt ist.

 

Müller (l.) mit Kevin Fehling (© Foto: Nexos7)

 

Müller beim Kochen auf die Finger zu sehen, ist etwa so, wie bei David Copperfield ganz genau aufzupassen: Man sieht jede Bewegung, am Ende aber steht ein unerklärliches Zauberkunststück. Mit ein paar Kastanien, Butter, Sahne, Sekt, Schalotten und so weiter bekommt jeder halbwegs geübte Koch ein brauchbares Kastaniensüppchen hin. Und warum schmeckt es bei Müller dann trotzdem so, als sei das nicht von dieser Welt? "Das macht sein mitgebrachter Geflügelfond", versuchte ein anwesender Food-Redakteur den Zaubertrick zu erklären. Der Mann hat echt null Ahnung von Magie.

 

Kastaniensuppe von Dieter Müller (© kochtext)

 

Das Buch "Dieter Müller" gab es zuvor in einer optisch noch opulenteren Hardcover-Ausgabe, der Nachdruck kommt als Paperback. Das macht aber nichts, denn es noch immer eines der wichtigsten Bücher zeitgenössischer Hochküche – und es nimmt in der Küche weniger Platz als der große Vorgänger ein. Platz, der bei Müller-Rezepten vor allem von den vielen Zutaten und Zwischenprodukten beansprucht wird – wenn man denn überhaupt den waghalsigen Versuch unternehmen will, diese Höhepunkte aus 30 Jahren deutscher Sternenküche daheim nachzukochen.

 

Nicht alles ist so brutal schwierig wie die drei, vier Rezepte, die wir als Beispiel für Müllers Genialität in voller Länge auf kochmonster präsentieren (siehe unten stehende links). Doch allein die Präzision, die seine Arbeit bis runter zum letzten Pfifferling durchzieht, kann allen ambitionierten Hobbyköchen und ihren professionellen Kollegen ein Vorbild sein.

 

Selbst wenn Sie als erfahrenes Kochmonster an Müllereien wie "Suprême von geschmorten Quitten auf Zimtspekulatius mit Vanille-Pekannusseis", Terrine von Gänseleber mit Kalbsbries und Waldpilzen,Mango-Sellerie Salat" oder "Geräucherte Brust vom Rebhuhn mit Langpfeffersauce und  Rote-Bete-Relish zunächst mal so gnadenlos scheitern wie ich selbst – hey, Kopf hoch, wir alle wachsen an unseren Aufgaben!

Rezensent

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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