Kolja Kleeberg

VAU – Das Kochbuch

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VAU – Das Kochbuch
Kolja Kleeberg:
"VAU – Das Kochbuch"
Erscheinungsjahr: 2008
416 Seiten
100 Rezepte
58,00 EURO
ISBN: 9783899103731

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
VAU – Das Kochbuch Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Mit den Fernsehköchen ist es wie mit den Autobiografieschreibern: Wenn sie so richtig populär sind, weiss man, dass sie ihre beste Zeit hinter sich haben. Nasenmann Johann Lafer fällt mit seiner "Stromburg" Jahr für Jahr zurück im Öffnet externen Link in neuem FensterVolkenborn-Ranking, Christian Rach macht Krach als Tester, während in seinem Hamburger "Tafelhaus" kleinlautere Töne vorherrschen und ihn im Gault Millau abschmieren lassen. Tim Mälzer verlor sein "Weißes Haus", während er als Kochshowbulle über die Dörfer tingelte.

 

Gerhard Nikolaus Kleeberg, mit seinem Kampfnamen "Kolja" sehr markant unterwegs als der Eierbart bei "Kerner" und Frühstückskoch bei SAT 1, weist zwar vergleichbare Tendenzen in seinem Berliner Restaurant "Öffnet externen Link in neuem FensterVAU"  weit von sich und meint, seine Souschefs würde das schon richten ("Eine Kartoffel wird nicht dadurch besser, dass ich sie selber schäle"). Trotz der kompetenten Mannschaft fielen er und sein VAU im Ranking der letzten Jahre von Platz 78 auf 106.

 

Statt der großen Gourmet-Show durchziehen denn auch immer wieder kleinere, oft leicht schmuddelig wirkende Tellerfilmchen einige Seiten des dicken Wälzers von Kolja Kleeberg. Andererseits: Von den K&K-Küchenmeistern (Kleeberg, King, Kammeier) bringt er die opulenteste und mit Abstand brauchbarste Sammlung wesentlicher Grundrezepte (z.B. „Hamburger Aalfond“ seines Mentors Josef Viehhauser oder perfekte Anleitungen für Wild- Kalbs- und Lamm-Jus) zu Papier, bleibt aber bei Fisch und den Desserts fast so blass wie ein BVB-Busfahrer.

 

Der Seiteneinsteiger (Ex-Schauspielschüler, bis heute begnadigter Sänger) dreht am liebsten bei Gerichten auf, die jenseits der Hauptstadt Stirnrunzeln verursachen: Eisbeinscheiben mit Flusskrebsen und gebackenen Schweineohren, Kalbskopfstulle, Bollenfleisch.

 

Den klassischen Hochküchensektor besetzt er ordentlich mit kniffeligen, aber nicht unkochbaren Gerichten wie "Entenmastleberterrine mit teegeräucherter Taubenbrust und Stachelbeerchutney" (sehr raffiniert: mit Lardo und einem Hauch Ingwer) oder "Gebackene Schweinebäckchen im Wildkräuterfond mit gehobelter Entenstopfleber" – Kolja gibt hier den rettenden Tipp, die zubereitete Leber nur kurz für die Aufschnittmaschine anzufrieren. Wenn sie zu sehr durchgefriert, wird sie bröckelig und bricht auseinander.

 

Ein cremiger Feuchtgebietetraum ist das schlohweiße Mandelpüree (hier Beilage zur kross gebratenen Gelbschwanzmakrele), das Kleeberg – ein echter Hammer-Kniff! – mit drei Stunden lang leise köchelnden Rissottoreis bindet. Und auch die volle Molekularbreitseite traut er sich abzufeuern: "Olivenölnudeln" aus Öl und Methylzellulose schießt er mittels Spritze in eine Krustentierminestrone (wenn man an die Gäste die Spritzen verteilt und das selber machen lässt, ist ein ungemein fröhlicher Abend vorprogrammiert..) und der "Gebackener Milchreis mit flüssigem Buttermilchdrop" braucht den Kaltbinder Xanthan und das Spherification-Traumpaar Calciumchlorid/Natriumalginat zum Glück.

 

Kleeberg gibt sich redliche Mühe, seine teilweise recht ausgefallen komponierten Gerichte auf die Möglichkeiten einer halbwegs ordentlich ausgestatteten Semiprofi-Küche herunterzudrehen. Ärgerlich dabei, dass sämtliche Anleitungen für sechs Personen rezeptiert sind (schwer auf vier Esser umzurechnen).

 

Bei einem Rezept habe ich mich richtig geärgert: Die spannende Kontrastierung "Lauwarm gelierter Hummerbortsch mit Krautsalat" soll laut Kleeberg so angerichtet werden: "Gelee zurechtschneiden und in einen tiefen Teller geben. Hummersuppe aufkochen und... sie zusammen mit dem Krautsalat und dem Gelee servieren." Bei Kleeberg sehen "tiefe Teller" so aus:

 

 

 Was, so einen Teller haben Sie nicht im Schrank? Tja, Pech auch

 

Wer nur runde Tiefer Teller im Schrank hat (also gefühlte 99,7 % der kochenden Bevölkerung) guckt in die Röhre, oder dabei zu, wie die Hummersuppe eklig in den Krautsalat fließt. Im Zweifelsfalle also besser in getrennten Schüsselchen servieren.

 

Fazit: Der singende Kölner aus Berlin ist auch in "Das Kochbuch" als Sternekoch, Grundrezepte-Lieferant und Ideen-Fontäne durchaus hilfreich. Eine Werkschau, an der man sich ruhig einmal nachkochenderweise reiben sollte.

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Rezensent

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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