Michel Roux

Ofenfrisch. Süsse & herzhafte Spezialitäten

kochbuch

Ofenfrisch. Süsse & herzhafte Spezialitäten
Michel Roux:
"Ofenfrisch. Süsse & herzhafte Spezialitäten"
Erscheinungsjahr: 2009
304 Seiten
119 Rezepte
16,90 EURO
ISBN: 978-3-86528-656-7

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Ofenfrisch. Süsse & herzhafte Spezialitäten Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Ein Erfolgsbuch der 90er-Jahre hiess „Wenn Frauen zu viel lieben“. Ein überhaupt nicht erfolgreiches Buch der 90er-Jahre hiess „Wenn Männer zu viel lieben“. Und das Buch „Wenn Männer zu viel backen“ kam erst gar nicht auf den Markt. Denn ob hetero oder schwul, Männer backen nicht. Das Wort Pizzabäcker weckt ungefähr so viel Respekt wie das Wort Herrenfrisör, und das Wort Konditormeister erinnert mehr als nur vage an das Wort Bademeister. Wenn einer dieses eindeutig zwanghafte männliche Verweigerungsverhalten verändern kann, dann Michel Roux und sein tolles neues Buch.

  

Michel Roux stammt aus der berühmten Kochdynastie, der es trotz ihrer Herkunft als frogs gelungen ist, in England glänzende Karrieren hinzulegen. Auch 2009 konnte ihr traumhaft gelegenes Restaurant Waterside Inn (Mi-So, 7 Gänge für 159 Euro, Reservierung erforderlich: +44 1628 62 06 91), das als Hotel zu den Relais & Chateau gehört, im 24. Jahr wieder drei Michelin-Sterne einfahren. Michel und sein Bruder Albert sind die Urväter dieses Erfolgs, den Alberts Sohn Michel jr. mit seinem Londoner Restaurant Le Gavroche und zwei Michelin-Sternen fortsetzt. Auch er schreibt sehr gute Kochbücher, aber an die Oldies kommt er (noch) nicht heran.

 

Im Waterside Inn, fast in Schnupperweite von Heston Blumenthals Drei-Sterne-Schuppen, kocht mittlerweile Michels Sohn Alain, so dass der Vater sich die kniffligen Themen (in gleicher Ausstattung erschien bereits „Eier“) vornehmen kann, wenn er nicht gerade von der Queen zum Ritter geschlagen wird oder sich alberne Ehrendoktorhüte überstulpen lassen muss.

 

 

 

Das Buch ist bewusst hemdsärmelig gestaltet: Englische Broschur, handliches Format, solide Foodfotos (von Martin Brigdale), viele Steps, 119 Rezepte. Anstelle von Gelaber seitenlange Einführungen zur Herstellung von Mürbeteig für süsses  und für herzhaftes Gebäck, BlätterteigBriocheteig, Croissantteig (der auf Hefeteig basiert, was yours truly nicht wusste), Brandteig, Pizzateig, sogar Filoteig.

 

Ein Sonderkapitel widmet Michel Roux Pasteten und Terrinen; da hat er sich die englischen Klassiker zwischen Fasan und Schwein herausgesucht und warum auch nicht, die taugen viel und sind in deutschen Kochbüchern selten beschrieben. Sonst ist der französische Ansatz unverkennbar spürbar, und auch das ist gut, denn keiner krümelt auf höherem Niveau.

 

Leider sind die feinen "Tartes" in der Übersetzung sämtlich zu "Torten" geworden, was natürlich Quatsch, aber schon das einzige Manko eines ansonsten schlichtweg hervorragenden Buchs ist, das Köche minderen Formats zum Lebenswerk aufblasen würden. Michel Roux hat hingegen bestimmt noch was im Ärmel.

 

Während ich mich schon auf das nächste Roux-Buch freue, geniesse ich in der Zwischenzeit Orangen-Käse-Kuchen, eine spanische Tarta Crema Catalana, Olivenstangen, Rinderfilet in selbst gemachter Teigkruste, Canapées aus selbst gekneteten Briocheteig, Apfeltörtchen mit Passionfrucht, Tomatenbavaroise zwischen selbst gemachten Blätterteigblättchen und Bratapfel in der Teighülle – und steige erst danach auf die Waage. Anschließend werde ich mich Michel juniors Buch „Der Marathon-Koch“ (Umschau Verlag, 2003) widmen, das er schrieb, nachdem auch er aus dem Leim zu gehen drohte und neben seinen zwei Sternen eine zweite Karriere als Marathonläufer begann.

  

Fazit: Für Anfänger wie fortgeschrittene Hobbyisten ein Standardbuch, für den professionellen Restaurantnachwuchs eine überaus erschwingliche und gelungene Inspirationsquelle. Dieses Buch ist völlig zu Recht das "Kochbuch des Monats" im März 2009 geworden.

Rezensent

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.

gugetzer@kochmonster.de
www.kochmonster.de