Hans Stefan Steinheuer

Harmonie der Aromen – Einklang von Küche und Wein

kochbuch

Harmonie der Aromen – Einklang von Küche und Wein
Hans Stefan Steinheuer:
"Harmonie der Aromen – Einklang von Küche und Wein"
Erscheinungsjahr: 2008
265 Seiten
48 Rezepte
49,90 EURO
ISBN: 978-3-937963-79-2

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Harmonie der Aromen – Einklang von Küche und Wein Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Ein Weinbuch von einem Sternekoch? Ein Kochbuch von einem Sommelier? Ein Buch zum Weinen? Nein – eines der besten Werke zum ewigen Thema "Wine & Food Pairing", die je in deutscher Sprache erschienen sind.


Hans Stefan Steinheuer ist einer der am höchsten dekorierten Köche Deutschlands, und das, obwohl er außer drei Jahren als Sous bei den Gebrüdern Müller in den Wertheimer Schweizer Stuben (1981 und 1983) so gut wie keine Kocherfahrung jenseits seiner engen Heimat des Ahrtales gesammelt hat. Oder weil? Steinheuer beweist, nicht zuletzt mit seinem Buch "Harmonie der Aromen", dass es nicht so sehr auf weltbereistes Jobhopping, sondern manchmal einfach einzig und allein auf etwas ganz anderes ankommt: schmeckemusses.

 

In seinem elterlichen Landgasthof "Alte Post" in Bad Neuenahr, den er seit 1985 führt, konnte er sich nicht nur bis ganz an die Spitze deutscher Mützenkünstler (2 Sterne, 19 Gault Millau- und 5 Feinschmecker-Punkte) hoch kochen – er hatte auch viel Zeit, gemeinsam mit seinem Sommelier Thomas Ritter einen über 1000 Positionen großen Weinkeller aufzubauen.

 

Die Jahrzehnte lange Übung der beiden darin, zum Essen den passenden Wein, aber auch zu einer Rebsorte die passenden Speisearomen zu finden, mündeten nun in dieses opulente und naturgemäß für Kücheneinsteiger völlig unverständlichen Fachbuch. Was nicht heissen soll, dass niemand diese Rezepte in einer halbwegs zeitgemäß angefitteten Hobbyküche nachkochen kann.

 

Mit 30 Jahren Praxis durchaus nachkochbar

 

Das nämlich ist gar nicht so schwierig. Vorausgesetzt, man nimmt sich pro Rezept zwei, drei Tage Zeit, kann auf eine intensive Kocherfahrung von, sagen wir mal, 25 bis 30 Jahren zurück greifen, und man weiß ohne langes Nachdenken, was ein Bigorre-Schinken, eine Alto el Sol-Schokolade, eine Bellota-Tomate, ein Chiboust, Bronzefenchel, Hamachi, oder Malto ist – und wo man all das Zeug auf die Schnelle kaufen kann.

 

OK, Steinheuer erklärt ein paar Begriffe wie Limo Amani (getrocknete Limetten), Mie de pain oder Verjus, und er gibt in den jeweiligen Rezepten kryptische, für Eingeweihte aber durchaus hilfreiche Hinweise wie "Texturas" (Malto, Xanthana etc.), "Valrhona" (Ivoire-Kuvertüre), "Pécher Mignon" (Pfirsichlikör) oder "Altes Gewürzamt" (Melange Noir, Curry Anapurna, etc.).

 

Es wäre halt nur nett gewesen, zusätzlich zu den mageren sechs Grundrezepten (Fonds, die jeder fortgeschrittene Hobbyist längst kann) eine Lieferantenübersicht für die heiklen Zutaten wie molekulare Texturas, exotische Gewürze, oder Profi-Patissier-Ware wie Carma-Brillant-Gel und Cluziel-Kakao abzudrucken. Ohne die beiden Letzteren ist man beim Nachkochen des Dessertwunders "Tainori Schokolade im Knusper-Millefeuille mit Ananascoulis und exotischer Cassata" ziemlich gekniffen.

 

 

©Michael Link für CPA!

 

Ritter und Steinheuer erklären auf je einer Buchseite 50 typische Wein/Rebensorten, wunderschön illustriert von Fotos, auf denen exakt die im Wein zu schmeckenden Aromen (SternanisZimt, Leder, Johannisbeeren etc.) vereint sind (Fotograf hier: Michael Link). Und zu (fast) jedem Wein komponiert Steinheuer  einen tatsächlich perfekt passenden Teller – von "Gegrillter Hummer mit Grapefruit und Pfeffermelange" zum Chardonnay über "Gefüllter Kaninchenrücken mit Steinpilzen in Lorbeerbutter gebraten, mit Kartoffel-Oliven-Liwanzen" zum Nebbiolo bis hin zu "Weinbergpfirsich-Cannelloni mit weißer Schokoladencanache und Créme-brulée-Eis", das mit einer Riesling Auslese seinen idealen Lebenspartner findet.

 

Doch selbst wer es schafft, sich die geforderten Snocciolate-Oliven für den bereits erwähnten Kaninchenrücken zu besorgen, weiss noch lange nicht, wo er Horsemakrelen und Hamachifilets (Königsfisch) herzaubern soll – geschweige denn, wie man angesichts der bestandsbedrohlichen Überfischungen den Einsatz von Skrei oder Lofoten-Kabeljau mit seinem Weltgewissen vereinbaren soll.

 

Jenseits dieser Mäkeleien noch einen ganz heißen Tipp zum Schluss: Wer schon immer dachte, der Einsatz von molekularen Texturas muss auch nicht vor der absoluten Highend-Küche Halt machen, wird hier reich belohnt. Steinheuer, dessen Arhtal-Regionalismus ihn nun wirklich nicht verdächtig macht, ein kulinarischer Molekularhasadeur zu sein, benutzt in fast einem Drittel dieser Rezepte (genial fotografiert von Carl Gros) ganz selbstverständlich und in dieser Form fast unerreicht harmonisch allerlei Pülverchen aus der Ferran-Adria-Apotheke.

 

Fazit: Wer denkt, er weiss schon selber, welcher Wein zu welchen Aromen passt und glaubt, er kann sowieso alles kochen, sollte hier unbedingt zugreifen. Und sich erst einmal 48 blaue Nasen holen. Denn nicht nur die Leber wächst mit ihren Aufgaben.

Rezensent

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

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