Mitch Tonks
"Fisch. Warenkunde und Kochschule"
„Ein Fischhändler für das 21. Jahrhundert“ rief die sonst eher ruhige englische Tageszeitung The Independent aufgeregt aus. In England grassiert das Sterben der Fischläden nämlich genauso wie bei uns. Selbst in Hamburg lassen sich die unabhängigen Fischhändler bald per Handschlag begrüßen. Daran sind sie, wie in England, nicht ganz unschuldig. Anstatt bei ausgefallenen Fischen zu punkten und gleichzeitig einfache Fische im Sortiment zu führen, beispielsweise Meeräsche oder Makrele, liegt bei ihnen ebenfalls das komplette Standardprogramm auf Eis, von Seelachs über Lachs über Zander. Das können die großen Einzelhändler besser und im Zweifelsfall billiger.
Mitch Tonks macht das alles anders, in seinem niedlich benamsten Restaurant „Seahorse“ (zu deutsch genau das, Seepferdchen), in seinen Kolumnen, in seinem ersten Buch, das ratzfatz klarmacht, worum es geht. Warenkunde im ersten Teil, wie Fisch einzukaufen ist, was essbar ist, küchenschnelle drei Basisvarianten. Rezepte im zweiten Teil, Weißfische, Fettfische, Weich- und Krustentiere. Viele Fische werden in einer Warenkunde unter Einbeziehung der Ökologie beschrieben, denn Tonks malt den Teufel zwar nicht an die Wand wie unsere hysterischen deutschen Kollegen von Greenpeace mit ihrem überambitionierten Führer „Welchen Fisch darf man noch essen“, aber natürlich ist ihm klar, dass das Ausräubern der Meere aufzuhören hat.
Deshalb hat er auch Makrele, Sardelle, Sprotte und Sardine bedacht, mit interessanten und einfachen Rezepten, in der Tajine, auf japanisch, oder gegrillt, sämtlich Zubereitungsmethoden, die das Besondere dieser Fettfische zum Glänzen bringen. Dafür muss man mehr drauf haben als grünfriedliche Kampfparolen.
Die Optik des Buchs ist genauso klar und übersichtlich wie das Oberstübchen von Mitch Tonks, der sich für Fischereimethoden und die aktuell bereits erfolgreiche Zucht des Südlichen Blauflossen-Thuns in Australien ebenso interessiert wie dafür, uns das korrekte Filieren beizubringen. In sauberen Texten – ebenso übersetzt von Helmut Ertl, überdies textlektoriert und erst dann korrigiert, wie toll – und einfachen Schritten Fische mit Sauce Béarnaise, Kapern-Avocado-Butter oder Weinbrand mit Dill zu aromatisieren. Natürlich kann er es auch bodenständig, mit Kartoffelsalat zu Schellfisch, Fischfrikadellen aus Lengfisch oder Pollack nach Oma-Art mit einer Eier-Petersilien-Kapern-Sauce.
Weil er uns vom TK-Riegel weglocken will, hat er unter jedes Rezept einen Tipp für den Fischhändler geschrieben. Hier darf er mal schuppen, da idealerweise aus dem dicken Stück schneiden, hier die schmackhafte Fischleber rausrücken.
Fazit: Dieses Buch ist ein absolutes Muss für Anfänger und Fortgeschrittene, selbst wenn sie bislang nur Fischstäbchen selbst gemacht haben. Appetitliche Foodfotos von Chris Terry und prächtige Illustrationen vom Food-Spezialisten Richard Bramble machen aus diesem sehr gut durchdachten, praktischen Buch einen Schmöker, der einen geradewegs zum Fischhändler und in die Küche führt.
Gabriele Gugetzer
Gabriele Gugetzer
Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.
gugetzer@kochmonster.dewww.kochmonster.de