Maggi

Die besten Rezepte aus 50 Jahre Maggi Kochstudio: Kochende Leidenschaft

kochbuch

Die besten Rezepte aus 50 Jahre Maggi Kochstudio: Kochende Leidenschaft
Maggi:
"Die besten Rezepte aus 50 Jahre Maggi Kochstudio: Kochende Leidenschaft"
Erscheinungsjahr: 2009
176 Seiten
viele Rezepte
9,95 EURO
ISBN: 978-3937963884

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Die besten Rezepte aus 50 Jahre Maggi Kochstudio: Kochende Leidenschaft Bewertung: 2 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Bei „kochende Leidenschaft“ assoziiert der leidenschaftliche Koch so ziemlich alles – nur nicht das „Maggi Kochstudio“, das in Kürze 50 Jahre alt wird und seinen Geburtstag mit diesem Werbespruch und einem Buch feiert. Auch das noch.

 

Das eigentliche Wiegenfest der ersten großen Koch-„Schule“ Nachkriegsdeutschlands wird zwar erst am 9. Juni gefeiert – 1959 startete in Frankfurt am Main die „fachliche Beratung des telefonischen Küchendienstes der Deutschen Postreklame“ – doch die Feierlichkeiten werfen schon jetzt tütensuppengroße Schatten voraus. Mit  „Guten Tag, liebe Hausfrau. Hier spricht das Maggi Kochstudio“ beschallte das Röhrenradio Millionen von Babyboomerbabys Anfang der 1960er Jahre, und bis heute verlangen die westlich der Ostzonensuppenwürfelgrenze aufgewachsenen Deutschen beim Kaufmann „Maggi-Würfel“, wenn sie ihren häuslichen Pichelsteiner mit in Quaderform gepressten Geschmacksverstärkern aufporschen wollen.

 

Und wer hat’s erfunden? Die Geschichte der Instant-Variante treudeutscher Plumpsküche begann tatsächlich in der Schweiz, wo 1886 der Darth Vader unter den Lebensmittelforschern,  Julius Maggi (1846 - 1912), zunächst die ersten kochfertigen Suppen aus Gemüsemehlen (Erbsen und Bohnen) und kurz darauf seine berühmte „Maggi-Würze“ mit dem Misthaufenkraut Liebstöckel als geschmackstragende Basis erfand.

 

1947 wurde die Firma vom Nahrungsmulti  Nestlé geschluckt ­– kein Wunder also, dass in dem soeben erschienenen Jubiläumsbuch „Die besten Rezepte aus 50 Jahre Maggi Kochstudio: Kochende Leidenschaft“ so gut wie jedes Rezept neben „Maggi“-Produkten auch Zutaten anderer Marken des Nestlé-Imperiums bewirbt. Das Hack für Chili con carne wird nicht in Pflanzenöl, sondern in „Thomy Reines Sonnenblumenöl“ gebraten, Mayonnaise, Senf oder Meerrettich stammen natürlich von der selben Tupperparty des Konzerns.

 

Auch wenn ambitionierte Köche, die möglichst alles aus frischen Zutaten zubereiten, die Tütensaucenregale im Supermarkt (herstellerübergreifend) noch nicht einmal mit dem Allerwertesten anschauen würden, ist das 176-seitige Maggi-Jubiläumsweihrauchfass für Koch-Historiker ein billiges (9,95 Euro) gefundenes Fressen – lässt sich doch ein gehacktes Stück (west-)deutsche Nachkriegsgeschichte entlang der Pfannenpfeiler nacherzählen, die das Maggi-Kochstudio in den letzten 50 Jahren immer wieder in die Esspräferenzen des kochenden Volkes eingeschlagen hat.

 

Die russischen Eier mit Tomatenfliegenpilzen waren Familienfeierikonen der 1960er Jahre, nur knapp gefolgt von den Kochschinken-Dosenspargelröllchen, dem Hoppelpoppel (geschnetzelte Bratenreste mit Kartoffeln) oder den ersten Raviolibüchsen (die wir an anderer Stelle ja schon einmal auf einer halben Arschbacke unter den Tisch gekocht haben). Ebenfalls in dem Buch rezeptiert: die Siebziger mit Cordon Bleu, Krabbencocktail und gefüllter Paprikaschote, Tiramisu (1980er) oder Neunziger-Multikulti vom Wokhuhn bis zum Ratatouille.

 

Das alles kann, mit Hingabe und Erfahrung zubereitet, richtig gut schmecken, und auch ein Kaffeehausklassiker wie das Ragout Fin wäre ein garantierter Gaumenkitzler – man darf es halt nicht wie im Buch-Rezept mit Hühnerbrust statt Kalb-Fleisch und –Zunge zubereiten, was aber angesichts des geforderten „Beutel Maggi fix & frisch Rahm Geschnetzeltes“ fast schon in den Hintergrund tritt.

 

Denn wer mit der täglichen Dosis Mononatriumglutamat schon im Kindesalter die Geschmacksknospen dauerüberreizt, wird sich auch später ohne diese künstliche Zungenstimulanz schwer im Essleben zurechtfinden. So schlürften auch kürzlich wieder auf der Hamburger „InterNORGA“, der Mega-Messe für  schnelle Volksspeisung, scharenweise Übergewichtige am „Maggi Kochstudio“-Stand die hauseigene „Spargelcremesuppe“, die sich trotz intensivster Konzentration beim besten Willen nicht mehr daran erinnern konnte, wann sie zuletzt eine Stange echten Spargel gesehen hat.

 

Und genau hier liegt das Problem des Geburtstagskochbuches wie auch der 50 Maggi-Jahre. So unbestritten wichtig die Impulse des „Kochstudios“ für die Entwicklung einer durch die Kriegswirren zerrütteten deutschen Bürgerkochkunst auch gewesen sein mögen – braucht heute im Zeitalter der permanenten Verfügbarkeit hochwertiger Frisch-Zutaten denn so ein wunderschönes (Buch)-Rezept wie „Gefüllte Schweinelende mit Rosmarin“ wirklich den „Maggi Bratenfond Classic“, feiner Stangenspargel eine glibbernde Schicht von Beutelhollandaise, teurer Seeteufel „Maggi klare Gemüsebrühe“, die Ente ein Päckchen „Delikatess Pfeffersauce“?

 

Fazit: Auch in 50 Jahren „Kochstudio“ lernt man dort noch immer nicht kochen, sondern nur, welche Fertigpampen frische Zutaten so aufblasen, dass sie wie Convenience-Feuerwerke schmecken: laut, bunt, grell, und ruckzuck wieder vergessen. 

 

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Rezensent

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
www.kochtext.de