Anna Sgroi

Typisch Anna! La vera cucina italiana – Rezepte der Sterneköchin Anna Sgroi

kochbuch

Typisch Anna! La vera cucina italiana – Rezepte der Sterneköchin Anna Sgroi
Anna Sgroi:
"Typisch Anna! La vera cucina italiana – Rezepte der Sterneköchin Anna Sgroi"
Erscheinungsjahr: 2010
160 Seiten
57 Rezepte
29,90 EURO
ISBN: 978-3038004936

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Typisch Anna! La vera cucina italiana – Rezepte der Sterneköchin Anna Sgroi Bewertung: 3 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Anna Sgroi betreibt im noch immer szenigen Hamburger Stadtteil St. Georg ein nach ihr benanntes italienisches Restaurant, das kurz vor der Heiligsprechung steht. Anders ist es nicht zu erklären, warum der Münchner bei dieser Rezension ran muss. Da oben trauen sie sich nicht.

 

Leider zu Recht.

 

Die gebürtige Sizilianerin Anna Sgroi erkochte für ihr gleichnamiges Restaurant als Autodidaktin einen Stern und 15 Gault-Millau-Punkte. Letzteres ist nicht gerade blendend für ein besterntes Lokal, und wer den Verriss in der 2010er-Ausgabe des Gault Millau gelesen hat, versteht auch diese Punktzahl nicht sofort. Das hat nichts mit "Italiener" zu tun – bei uns in München hat Mario Gamba einen Stern und 17 Gault Millau Punkte, und jeden davon völlig verdient.

 

Sgrois Küche ist reduziert, kräuter- und fischbetont, zu gleichen Teilen frisch und altmodisch-modern, ein Spagat, den längst nicht alle Italiener wirklich gut können. Anna Sgroi selbst nennt dieses Konzept Purismus, und in ihrem kleinen, fast kühl wirkenden Restaurant, dass sich mit seiner Helligkeit vom eher ledrig geprägten Schwulenstil der Umgebung absetzt, funktioniert das auch sehr gut.

 

Als Kochbuch tut es das weniger. 

 

Die Rezepte wirken wunderlich uninspiriert. Zudem sind sie für die Restaurantküche gemacht, das zeigt sich bei den Mengenangaben im Briefwaagenformat (z.B. 3 Rosinen oder 50 g Möhren für 4 Personen) und bei den verwendeten Zutaten zwischen Hahnenkamm und weißen Stör, für deren Zubereitung es – wie sträflicherweise sogar für den oftmals eingesetzten Pastateig ­– nur unzureichende Anleitungen gibt.

 

Pizza bei 200 Grad?

 

Natürlich kocht Anna Sgroi auch mit italienischen Klassikern wie Artischocke, bietet unterschiedliche Rezepte für Pasta und widmet den Risotti ein eigenes Kapitel. Aber um ehrlich zu sein: ausgerechnet mich Italo-Fan überfiel bis auf die Pizza am Ende des Buchs bei keinem Rezept der Heißhunger. Und selbst da frage ich mich, was mein Pizzabäcker Luigi zwei Blocks weiter mit seinem lodernd heißen Holzofen von Sgrois Idee hält, den Fladen bei 200 Grad vorzubacken, dann erst zu belegen und schließlich bei 250 Grad fertig zu backen. Hat die Dame keinen heißeren Backofen?

 

Scharen norddeutscher Restaurantkritiker wundern sich seit Jahren, wie diese Dame es schafft, so hartnäckig den Michelinstern zu behalten. Am Essen jedenfalls scheint das nicht zu liegen, denn Sgrois Arbeit ist zwar stets extrem präzise für einen „Italiener“, verweigert aber oft jedwede Raffinesse – was sich auch in den Buchrezepten widerspiegelt: Dorade im Ganzen aus dem Ofen mit haufenweise italienischen Aromaten, Büffelsteak mit Saubohnen, Auberginen vom Grill, marinierte Sardinenfilets mit Feldsalat. Sternewürdig? Wenigstens sind einige von Sgrois Flagship-Teller nachkochbar erklärt: Sizilianische Sardinenmaccheroni, Steinpilzrisotto mit Blaubeeren, Wachteln im Lardomantel mit Polenta oder ihr berühmtes Zicklein mit Artischocken.

 

Ein Reiskorn fällt daneben

 

Sogar die Foodfotografie des Buches mutet erstaunlich langweilig an. Es gibt eine Einstellung, nämlich die von oben, meist auf weiß, manchmal auf Schiefer. Als Auflockerung liegt hier ein unartiges Reiskorn neben dem im Ring angerichteten Risotto, werden dort Rotbarben mit Schnittlauch verschnürt oder hält beim Cacciucco eine ganze Rotbarbe ihren Schwanz kess in die Linse. Durchsetzt sind die sehr elegant gelayouteten Seiten von schwarzweißen Fotos hinter den Kulissen, die vor 20 Jahren richtig modern waren.

 

Das Glossar greift Begriffe auf, die bekannt sein müssten, beispielsweise die italienische Schreibweise von Fleur de Sel (Flor di Sale), lässt den Nicht-Profi aber bei Produkten wie den kleinen edlen Taggiasca-Olive oder Saba (Traubenmost, aus dem Balsamico gemacht wird) doch recht rüde im Regen stehen, denn auch Bezugsquellen werden nicht genannt – was spätestens bei Entenbrüsten von der weiblichen Ente oder besagtem Hahnenkamm eine gute Idee wäre.

 

Fazit: Die Desserts fehlen, denn Frau Sgroi findet diese überflüssig. Zu diesem Ergebnis könnte auch der fortgeschrittene Freund italienischer Kochkunst mit vier, fünf Standardwerken zum Thema im Regal kommen, wenn er im Buchladen „Typisch Anna“ durchblättert. Sie wollen italienisch kochen? Dann halten Sie sich lieber an Giorgio Locatelli.

 

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Rezensent

Caroline Gorth

Caroline Gorth

liebt Essen, Kochen, Backen und besonders ihre Spülmaschine, genannt James, um das entstandene Küchenchaos anschliessend zu beseitigen. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und dem Beginn einer erfolgreichen konventionellen Karriere, entschied sie sich zum Ausstieg, um ihrer eigentlichen Passion, dem Schreiben, nachzugehen. "Finanziell müssen nun kleinere Brötchen gebacken werden, aber sie schmecken viel besser, wenn man glücklich ist mit dem, was man tut“.

carogorth@kochmonster.de
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