Gambero Rosso Editore

Vini d’Italia 2011

kochbuch

Vini d’Italia 2011
Gambero Rosso Editore:
"Vini d’Italia 2011"
Erscheinungsjahr: 2011
1024 Seiten
keine Rezepte
29,90 EURO
ISBN: 978-3-8338-2254-4

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Vini d’Italia 2011 Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

 

Was der Gault Millau für Deutschland ist und der Hachette für Frankreich, das ist der Gambero Rosso für Italien. Seit 24 Jahren ist er der einflussreichste Führer durch die italienische Weinwelt, die wichtige Orientierungshilfe für Weinkonsumenten. Egal, ob die sich im Entdeckerstadium befinden oder schon über gefüllte Weingläser höhere Weihen erlangt haben. Für die Ausgabe „Vini d’Italia 2011“ wurden auf über 1.000 Seiten über 20.000 Weine verkostet und 2.350 Winzer beurteilt, schulmeisterlich gelobt oder getadelt.

 

 

Wer als Produzent in der Weinbibel nicht gelistet wird, muss sich Gedanken machen. Er liegt dann nicht auf der Gambero-Rosso-Route, die von Weintrinkern befahren und leer gekauft wird. Und wer vom Gambero abgekanzelt wird, muss mit einer existenziellen Krise rechnen. „Wenn man keinen Drei-Gläser-Wein im Jahrgang hat, dann sinkt der Verkauf schnell um 25 bis 30 Prozent“, bestätigt der Südtiroler Winzer Franziskus Haas die fatalen wirtschaftlichen Auswirkungen. Sobald der Weinguide erschienen ist, setzt der Run auf die Drei-Gläser-Weine ein. Andere Weine, die qualitativ ebenbürtig sind, aber weniger gut bewertet wurden, bleiben oft unbeachtet beim Winzer stehen.

 

 

402 Weine wurden für den aktuellen „Vini d’Italia 2011“ mit der Höchstwertung bedacht, von allen Anbaugebieten erhielt das Piemont 81 Mal die drei Gläser, gefolgt von der Toskana mit 69. Die Anbauzone Molise musste sich mit einer Bestnote begnügen, ein Ranking, das auch die Macht- und Preisverhältnisse spiegelt im italienischen Weinbau. Die begehrten „tre bicchieri“ sind eine der wichtigsten Währungen in der italienischen Weinökonomie. Wer so viel Einfluss hat, wie der Gambero Rosso, steht immer auch im Fadenkreuz der Kritiker. Nicht wenige Winzer stellen die Unabhängigkeit und Neutralität des Weinführers in Frage – auch der Gault Millau musste sich in der Vergangenheit dieses zweifelhaften Images erwehren.

 

 

Öffentlich äußern will sich kaum einer, aus Angst vor möglichen Konsequenzen. Alois Lageder, Spitzenwinzer aus Südtirol, macht dagegen keinen Hehl aus seiner Meinung. Schon 1997 beschloss er, seine Weine nicht mehr einzureichen. „Der Gambero wurde zu einer Bibel, die Wahrheit versprochen hat. Das ist er nicht“, kritisierte Lageder. „Es hat mich gestört, dass diese Herren zu arrogant geworden sind und sich wie Könige aufgeführt haben. Die Bewertung ging nicht mehr mit rechten Dingen zu. Ich habe in den letzten Jahren von vielen Winzern gehört, dass ziemlich viel dafür bezahlt werden muss, in irgendeiner Form, um die drei Gläser zu bekommen. Das kann es einfach nicht sein.“

 

 

Inzwischen haben sich die Verhältnisse beim Gambero Rosso geändert, auch in dem auf Gastronomie spezialisierten Verlag wurde gestritten. Bis zur Ausgabe 2009 wurde der Weinführer gemeinsam herausgegeben von Slow Food und Gambero Rosso, der nun als alleiniger Herausgeber fungiert. Daniele Cernilli, der mächtigste Weintester Italiens, arbeitet nicht mehr für den Gambero. Cernilli gilt als Robert Parker Italiens, er bevorzugt mächtige Weine mit internationaler Stilistik. Die vielen autochthonen Rebsorten dagegen, die in Italien gedeihen, werden nach Ansicht vieler Winzer vernachlässigt. Anscheinend hat auch Alois Lageder die personellen Wechsel bei Italiens berühmtestem Weinführer zum Anlass genommen, zum ersten Mal seit 1997 seine Weine wieder zur Bewertung einzureichen. Etwas theatralisch schreibt der Gambero: „Der verlorene Sohn Alois Lageder, ein Hersteller mit internationalem Ruf in der Südtiroler Weinwelt, ist wieder zurückgekehrt. Endlich tauchen auf diesen Seiten wieder die fast legendären Weinnamen Chardonnay Löwengang oder Cabernet Sauvignon Cor Römigberg auf.“

 

 

Es ist mit allen Weinführern so: Liest man sie, ärgert und wundert man sich manchmal. Aber ohne sie geht es auch nicht. Die Bewertungen sind immer von der Subjektivität der Weinkritiker geprägt, wie sollte es auch anders sein? Verkostungsmaschinen wären keine erwünschte Alternative. Deshalb wird weiter diskutiert, gestritten und auch genossen.

 

 

Fazit: Der Gambero Rosso, dieses 1024 Seiten dicke Monstrum, mit dem man problemlos jeden Einbrecher in die Flucht schlagen könnte, liefert eine ungemeine Fülle an Informationen über die 21 Weinregionen Italiens. Viele Geheimtipps und die kurzweilig geschriebenen Kurzporträts der Winzerinnen und Winzer tragen dazu bei, dass man den Gambero trotz aller Glaubwürdigkeitsprobleme der Vergangenheit doch wieder in die Hand nimmt. Und sich viel länger darin vertieft als man sich vorgenommen hat.

 

 

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Rezensent

Rainer Schäfer, Jahrgang 1962,

lebt und arbeitet als Journalist in Hamburg und schreibt über das, was

er am meisten liebt: Fußball, Wein und Essen. Er pendelt zwischen

Fußballstadien, Weinanbaugebieten und Restaurants.

schaefer@kochmonster.de