Stuart Pigott
Der Engländer Stuart Pigott beschreibt kompetent wie kaum ein anderer das „Weinwunder Deutschland“. So lautet auch der Titel seines neuen und empfehlenswerten Buches. Der in Berlin lebende Pigott ist seit rund 20 Jahren der Chronist dieses Wunders. Pigott hatte den richtigen Riecher: Er erkannte schon frühzeitig den Wandel im deutschen Weinbau, der entschlossen seine Chance mit einer rigiden Qualitätsausrichtung suchte und nach und nach das Image des Liebfrauenmilch-Produzenten abstreifen konnte.
Stuart Pigott ist neugierig und oft da, wo sich die kleinen Wunder ereignen. Nicht zuletzt deshalb zählt er weltweit zu den besten und am meisten profilierten Weinjournalisten, zumindest der schreibenden Zunft. Pigott kann erfrischend unkompliziert sein: Er plädiert für einen unverkrampften Umgang mit Wein; zu viel Statusdenken und Etikettenschmeichlerei sind ihm ein Gräuel. „Diesen Blödsinn lehne ich konsequent ab“, schreibt Pigott. „Gute und großartige Weine gibt es auch für wenige Euro die Flasche, und die stehen bei mir im Mittelpunkt.“
Zum Jahreswechsel war der Mann mit der Vorliebe für großkarierte Sakkos auch im deutschen Fernsehen zu sehen, im Bayerischen Rundfunk präsentierte er die gleichnamige Serie „Weinwunder Deutschland“ in sechs Teilen. Im Fernsehen aber kann Pigott schnell zum Ärgernis werden. Vor allem die Episode „Mein Jahr als Jungwinzer“ leidet unter Pigotts Hang zur dramatischen Selbstinszenierung. Pigott erzählt, wie er in Franken einen Müller-Thurgau ausbaute. Pigott geriert sich dabei als sei er der erste Mensch, dem es gelungen ist, aus Trauben ein schmackhaftes Getränk namens Wein zu erzeugen. Er ist nicht der erste Journalist, der sich an einem Wein versucht hat. Er wird nicht der letzte bleiben.
Auf Papier aber zählt Pigott zu den Großen seines Fachs. Er ist am besten, wenn er die Geschichten von Winzern und Weinen erzählt und sich dabei nicht so wichtig nimmt. In „Weinwunder Deutschland“ werden die TV-Episoden zwar aufgegriffen, aber um zusätzliche Geschichten, Figuren und Gedanken erweitert. Pigott zeigt in unterhaltsamer Form, warum deutsche Weine dank Klima und Böden, kreativen Winzern und lebendigen Traditionen so einzigartig und vielfältig sein können. Pigott erklärt, wie Liebling Riesling wieder seine exponierte Stellung in der Weltweit zurückerobern konnte. Er stellt die Urheber der deutschen Weinrevolution vor – erstaunliche und manchmal skurrile Winzerpersönlichkeiten. Mit Pigott kann man noch weitgehend unbekannte und unterschätzte Weinlandschaften kennen lernen wie die Hessische Bergstraße.
Fazit: „Weinwunder Deutschland“ ist eine Reise quer durch dieses Land, es ist ein Buch, das man allen empfehlen kann, die ihr Wissen um den deutschen Wein erweitern möchten und Stuart Pigotts monumentales Werk „Wein spricht deutsch“ (2007) noch nicht kennen. Dort wird das deutsche Weinwunder so erschöpfend erklärt, dass kaum Fragen offen bleiben.
Rainer Schäfer, Jahrgang 1962,
lebt und arbeitet als Journalist in Hamburg und schreibt über das, was
er am meisten liebt: Fußball, Wein und Essen. Er pendelt zwischen
Fußballstadien, Weinanbaugebieten und Restaurants.
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