Beat Koelliker

Die neue Hallwag Weinschule - In 13 Weinproben zum Weinkenner

kochbuch

Die neue Hallwag Weinschule - In 13 Weinproben zum Weinkenner
Beat Koelliker:
"Die neue Hallwag Weinschule - In 13 Weinproben zum Weinkenner"
Erscheinungsjahr: 2008
168 Seiten
Keine Rezepte
19,90 EURO
ISBN: 9783833812217

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Die neue Hallwag Weinschule - In 13 Weinproben zum Weinkenner Bewertung: 3 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Europas renommiertester Weinbuchverlag hat einen neuen Weinführer herausgebracht, der einem ganz neuen Ansatz folgt: 13 Weinproben sollen den Neuling zum Weinkenner machen. Ein solches Versprechen macht mich natürlich neugierig.

 

Das Motto „Learning by Tasting“ gefällt mir auf Anhieb. Es geht um die Schulung der Sinne in 13 Schritten mit 52 Weinen.

 

Eine 30-seitige Einführung mit den wichtigsten Weinfakten steigert die Vorfreude auf das bald folgende, sinnliche Erlebnis und gibt in aller Kürze Auskunft über die Grundlagen rund um Einkauf, Lagerung, Trinktemperatur und Gläser, bis zu den einzelnen Schritten des Verkostens. Dann ist es endlich soweit: der Praxisteil beginnt. Die Sinne sind gefragt!

 

Zunächst geht es darum die vier großen Weinfamilien kennenzulernen: , Weiß- Rotwein, Schaumwein und Süßwein. Jedem Wein ist dabei eine einzelne Seite gewidmet, die in je drei Teile gegliedert ist. Nach einer kurzen Beschreibung von Wein und der Region, gibt es Tipps zum Einkauf und Servieren des Weins. Unter der Überschrift „Genießen“ werden die typischen Geschmacksmerkmale des Weins beschrieben.

 

Es folgen Ratschläge für den Einkauf für die Schulungsflaschen, in denen der Autor leider nur pauschal auf den Fachhandel oder die Weinabteilung gut sortierter Supermärkte verweist. Und genau hier überkommen mich die ersten Zweifel, was die „Praxisnähe“ des Buches angeht.  Zu gut erinnere mich noch daran, wie schwer es mir fiel, einen Weinhändler zu finden, der meinen Geschmack teilt. Der schlichte Hinweis auf die Empfehlungen eines Weinhändlers genügt meines Erachtens jedenfalls nicht, um mit den richtigen Flaschen nach Hause zu gehen. Doch ich will nicht unken und mache mich mit gewisser Vorfreude an die Besorgung des „Schulungsmaterials“.

 

Wenn der Weinhändler die Augenbraue hebt

 

Als ich die Weine für meine 13 Weinproben kaufen will, zeigt sich schnell die nächste Schwäche des Buches: Der Weinhändler meines Vertrauens schenkte mir nur einen mitleidig-erstaunten Blick, als ich ihn nach einem „Soave“ fragte. Die beliebte Kneipenweinsorte aus einem Anbaugebiet, in dem vornehmlich die Allerweltstraube Garganega angebaut wird, hat er nicht im Programm. Es ist auch nicht unbedingt ein Gebiet mit dem sich ein angehender Weinkenner beschäftigen muss. Mit dem „Valpolicella classico superiore“ ergeht es mir genau so. Als mein Weinhändler die Augenbraue hebt und mich fragt: „Bist Du sicher?“ murmle ich eine rasche Entschuldigung und mache mich auf zu einem Supermarkt.

 

Natürlich hat er recht, aber ich will ja nun mal alles genau so machen, wie es im Buch steht. Im Supermarkt lege ich schnell und unauffällig Valpolicella und Soave in den Korb und eile zur Kasse. Immerhin habe ich auf diesem Wege neue Weinhändler und Supermärkte kennengelernt. Ich fürchte aber, dass der Autor hier das Sortiment für den angehenden Weinkenner etwas zu breit angelegt hat.

 

Ein paar Tage später nehme ich mir die Schaumweine vor und ich stolpere über Sätze wie „Auch in seiner einfachen Form ist Champagner immer vielschichtig: Komplexe Aromen verbinden sich mit dem Schmelz zu Finesse und Eleganz“. Eine Meinung, die ich in ihrer Pauschalität nicht unbedingt mit dem Autor teile. Abgesehen vom Schmelz, den ein Champagner nicht per se haben muss, versuche ich die Begriffe „Finesse“ oder „Eleganz“ eher selten zu benutzen. Wenn diese Worte zum Einsatz kommen, dann muss mich der Wein schon wirklich berührt haben – als Pauschalurteil für die Weine einer ganzen Region, finde ich sie nicht unbedingt angemessen – noch nicht einmal beim Champagner.

 

Doch sei‘s geschenkt. Immerhin ist das Buch bei den Champagner-Einkaustipps mit veranschlagten 20 - 30 Euro halbwegs realistisch. Die Ratschläge für die meisten anderen Weine liegen in der Regel zwischen 7 und 12 Euro, und genau hier wird ein weiteres Problem des Buches deutlich: auch wenn diese Preisspanne weit über dem durchschnittlich in Deutschland bezahlten Literpreises für Wein von € 2,36/l (Daten stammen von 2006) liegt, wird man für diese Preise in der Regel immer noch keine wirklich großen Qualitäten bekommen. Stellt sich also die Frage: kann ich mit durchschnittlichen Weinen wirklich die ganze feine Typik erschmecken, die im Buch beschrieben wird? Ich bezweifle dies.

 

Ich halte hochwertige Weine für unerlässlich, wenn man ein Weinkenner werden will. Wie bei allen ernst gemeinten Hobbys ist die Qualität entscheidend. Ein angehender HiFi-Freak kauft sich ja auch keine Anlage beim Discounter, um Musik zu hören. An diesem Punkt sehe ich die größte Schwäche des Buches. Selbst bei 12 - 20 Euro für einen Bordeaux Cru Bourgeois gibt es keine Garantie dafür, dass ich dafür einen guten Wein bekomme, denn gerade im Bordelais haben sich viele Winzer lange auf dem „Mythos Bordeaux“ ausgeruht. Doch es geht ja genau darum, das zu erschmecken was gute Weine ausmacht.

 

Am Anfang war die Rebe – doch was genau macht einen guten Wein daraus?

 

Ich will das Problem am Beispiel „Pinotage“ erläutern. In diesem Fall weisen die Einkaufstipps lediglich darauf hin, dass es „beträchtliche Qualitätsunterschiede“ gibt. In der Weinbeschreibung heißt es: „Die Aromen des Pinotage sind vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, zu sehr weichen sie von den uns vertrauten Weinen ab.“

 

Nach meiner Erfahrung sind die meisten Pinotage in der Preiskategorie von 7-12 Euro tatsächlich eher ein Abschreckungsbeispiel. Viele schmecken intensiv nach „Gummischlauch“, „Graphit“ oder „Autowerkstattgeruch“, da sich beim Gärprozess Ester bilden, die ihm oft diese speziellen Aromen verleihen. So ein Wein verführt dann eher zum Abgewöhnen und zeichnet ein schlimmes Bild dieser südafrikanischen Traubensorte. Wenn ein Pinotage jedoch gut vinifiziert wird – was in der Regel bedeutet, dass er deutlich teurer ist – sind die oben beschrieben Aromen in der Regel nur in einer feinen Andeutung vertreten und machen den Wein zu einem ganz besonderen und sehr empfehlenswerten Genusserlebnis. Ich fürchte also, dieser Weinführer leistet dem Leser tatsächlich einen Bärendienst, wenn er ihm diese minderen Qualitäten empfiehlt. Das hehre Ziel, Interessierte in 13 Weinproben und 170 Seiten zum „Weinkenner“ zu machen ist so jedenfalls ganz sicher nicht zu schaffen.

 

Der andere Ansatz des Buches, die Sinne gemeinsam mit Freunden und Gleichgesinnten zu schulen, Wein erleben und darüber zu reden, ist sicher ein sehr guter. Spaß hat man auf jeden Fall dabei.

 

Day After: Gibt es ein Leben nach dem Weinseminar?

 

Ich fürchte nur, dass das Ziel ein „Weinkenner“ zu werden mit diesem Buch nicht wirklich erreicht werden kann. Zu oberflächlich die Beschreibungen, zu weit gefächert die Weine, zu wenig ausreichend die Qualitäten derselben. Selbst nach dem Studium des Standardwerkes „Das Oxford Weinlexikon von Jancis Robinson“, (im selben Verlag erschienen), in dem auf rund 870 Seiten 3400 Stichwörter dezidiert behandelt werden, und einer großen Menge in den letzten Jahren verkosteter Weine, werde ich diese komplexe Welt immer nur ansatzweise begreifen können. Der Weg zum Kenner ist lang, und ein einzelnes Buch kann bestenfalls einen ersten Impuls geben. Das weiß auch Beat Koelliker (bis 2001 Leiter des Hallwagverlags, inzwischen freier Autor) der mit diesem Buch einen guten Ansatz verfolgt, aber nicht konsequent genug durchzieht.

 

Ach ja übrigens, während ich dieses Buch durchlas erreichte mich zufällig eine Werbemail des Schweizer Internet-Weinhandels Chateaudirect – ausgerechnet exakt jenes Weinhandels, dessen Werbezettel auch dem Buch beiliegt und auf dem steht, dass der Autor zusammen mit dem Weinhandel eine Kiste mit zwölf Weinen zusammengestellt hat, die genau zu den ersten drei Weinproben des Buches passen. Eine hilfreiche Idee, wie ich fand. Nur komisch, dass der Autor des Buches zugleich auch der Präsident genau dieses Weinhandels ist... 

 

Mitarbeit: Frank Papenbroock

 

 

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Rezensent

Oliver Gieth

Oliver Gieth

Vor genau 20 Jahren begonnen als Produktionsfahrer. Arbeitet und lebt heute in Hamburg als freier Film-Editor.Liebt neben dem Kino nicht erst seit Charles Duchemin die kulinarischen Genüsse und besonders die hochwertigen Ergebnisse der Önologie.

 

 

ogieth@kochmonster.de
www.35film.de