Christina Fischer

Wein & Speisen - Leidenschaft mit System

kochbuch

Wein & Speisen - Leidenschaft mit System
Christina Fischer:
"Wein & Speisen - Leidenschaft mit System"
Erscheinungsjahr: 2009
208 Seiten
16 Rezepte
19,95 EURO
ISBN: 978-3-7716-4431-4

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Wein & Speisen - Leidenschaft mit System Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

„Welcher Wein passt zu welchem Essen“? Die Frage ist so alt wie die Erfindung des Korkenziehers. Die richtige Wein-Essen-Kombination war schon immer schwierig und obendrein ein äußerst subjektives Thema, das aufgrund der zahllosen Kombinationsmöglichkeiten von Lebensmitteln, Zubereitungsarten, Weinen und Reifegraden unmöglich eindeutig zu beantworten ist. Christina Fischer,  auch durch ihre Arbeit für VOX, arte und das ZDF Deutschlands bekannteste Sommelière, hat sich dennoch an das Thema herangetraut und jetzt ein Buch abgeliefert, das tatsächlich einige weise Antworten auf die Frage nach der richtigen Kombination von „Wein & Speisen“ findet.

 

 Unsere Essgewohnheiten haben sich in den letzten Jahrzehnten tiefgreifend verändert. Während man noch Anfang der Siebzigerjahre in deutschen „Gaststätten“ nahezu ausschließlich in Mehlsauce ertränktes Fleisch mit zerkochtem Gemüse und Salzkartoffeln serviert bekam, können wir heute aus einem nahezu unbegrenzten Angebot internationaler Gerichte und Lebensmittel auswählen.

 

Diese neue Esskultur und zusätzlich ein stark vergrößertes Angebot an neuen Weintypen fordern neue Einsichten in Sachen Weinregeln. Die alten Gesetze sind seit langem überholt und liefern längst keine befriedigenden Antworten mehr zu Sushi, Raukesalat oder Huhn a la Tikka Makhani. Regeln wie „Rotwein passt gut zu Käse“ halten sich zwar hartnäckig, doch sie stimmen in Zeiten des fortgeschrittenen „wine & food pairing“ (zu dem Thema hat auch Jerry Comfort für das US-Weingut Beringer eine sehr interessante Geschmacksschule entwickelt) einfach nicht mehr, z.B. weil man Rotwein heute meist viel jünger trinkt, als früher und die Tannine dieser jungen Weine in Verbindung mit vielen Käsesorten bitter oder metallisch schmecken. Christina Fischer empfiehlt deshalb viel lieber einen komplexen Weißwein zum Ziegenkäse, und damit hat sie Recht.

 

Christina Fischer, die in Köln auch die „Genusswerkstatt“ Fischers Weingenuss & Tafelfreuden betreibt, beginnt ihr Buch deshalb auch konsequenterweise mit den Veränderungen der Essgewohnheiten in Deutschland. Anschließend lernt der Leser ein wenig über die Kombinationsvorlieben verschiedener bekannter Köche und erfährt so beispielsweise, dass viele Experten lieber das richtige Essen zu einem bestimmten Wein wählen, als umgekehrt (Puh..., ich dachte bislang, das ginge nur mir so.). Im Grunde ist dies ja auch logisch, da es meist problemlos gelingt eine Zutat in einem Rezept durch eine andere zu ersetzen, die Geschmacksnoten eines Weines aber nun einmal unveränderlich fest stehen.

 

Weiter geht es im Buch mit den verschiedenen Geschmacksnuancen in Weinen und Lebensmitteln und den Wechselwirkungen dieser unterschiedlicher Armomen. Es folgt der systematische Hauptteil des Buches, der eigentliche Clou. Hierin werden Weine in verschiedene ,Grundtypen‘ aufgeteilt und Geschmackskategorien und Zubereitungsarten unterschiedlicher Lebensmittel diesen verschiedenen Weintypen zugeordnet. Beim Essen sieht Fischer die Sauce als die „wahre Seele des Gerichts.“ Säure, Schärfe, Süße, Karamellanteil, Geschmeidigkeit, Bitterkeit, Salzgehalt – hier entstehen die eigentlichen Wechselwirkungen mit Wein.  Am Ende entsteht aus diesen Ansätzen eine Tabelle, die gute Anhaltspunkte für die Auswahl des richtigen Tropfens bildet.

 

Christina Fischer hat sich mit diesem Projekt eine ganze Menge zugemutet – und dabei gewonen. Während die meisten ihrer schreibenden Kollegen es in der Regel bei einfachen Weinweisheiten belassen („Bordeaux = Entrecôte“), geht sie weiter. Die Fernseh-Sommelière mit den lachenden Augen erklärt auf ihre unnachahmliche Art, warum manche Kombinationen besser sind als andere („Die intensiven Röstaromen des scharf angebratenen Fleisches lassen die bitteren Gerbstoffe geradezu dahinschmelzen...“), gibt Anregungen zum Experimentieren und beschreibt die Ergebnisse der von ihr verkosteten Kombinationen. Dabei schreckt sie auch vor etwas Lebensmittelchemie nicht zurück (,„Allylsenföl“, der Wirkstoff des Rettichs ist völlig inkompatibel mit Wein.‘).

  

In anderen Kapiteln werden schließlich noch drei verschiedene Weintypen in einer Art virtuellem Tasting zum Nachspielen daheim mit verschiedenen Gerichten kombiniert. Außerdem werden einige  Rezepte zum Nachkochen angeboten und zahlreiche Tipps für verschiedene Speisen, Saucen, Käsesorten, Schokoladen und sogar Mineralwässer gegeben. Eine Sammlung von ,Faustregeln‘ rundet das Ganze ab.

 

 Die Rezepte sind meist gut beschrieben, wenngleich ich mich frage, ob exotische Zutaten wie Mispeln und Jungzickleinschlegel wirklich zum Nachkochen einladen oder nicht doch etwas zu hoch gegriffen sind. Auf die klassische Gänsestopfleber zum Sauternes hätte sie jedenfalls vielleicht doch besser verzichtet. Ist sie doch in Deutschland schon seit langem wegen Tierquälerei verpönt.

 

 Weiteres Manko: Christina Fischer ist es nicht wirklich gelungen, dieses weite Thema übersichtlich zu gliedern. Das Buch wirkt stellenweise wie ein Sammelsurium aus dem reichen Erfahrungsschatz einer  Weinkennerin, dem die strukturierende Hand eines durchsetzungsfähigen Lektors ganz gut getan hätte. Immer wieder versucht die Autorin sich dem Thema aus einer etwas anderen Richtung zu nähren. Dabei mischen sich praktische Tipps („Mineralwasser mit mittlerem Kohlensäuregehalt kann gereifte Weine erfrischen“) mit Analysen oder seitenweise Kochrezepten. Der Ansatz ist gut, doch die letzte Konsequenz in der Umsetzung fehlt - leider.

 

Fazit: Alles in allem, ist dennoch ein respektables und anregendes Buch dabei herausgekommen, es ist modern, frisch, zeitgemäß und nicht zuletzt: lesenswert. Christina Fischer demonstriert überzeugend ihre unbestreitbare Kompetenz auf beiden Seiten ihres Berufs: dem Wein und dem Essen und teilt ihren umfangreichen Wissensschatz großzügig mit dem Leser. Sie hat ein richtig brauchbares  Buch für erfahrene Weintrinker und ambitionierte (Hobby-)Köche geschrieben. Für „Einsteiger“ ist dieses Buch, meiner Meinung nach, allerdings nicht gerade geeignet. 

 

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Rezensent

Frank Papenbroock

Frank Papenbroock

Werbe- und Dokumentarfilmer, Vater vierer Töchter, Wochenendkoch und Freizeitmaler. Er liebt Wein, seitdem er eine 1959er Maximin Grünhäuser Herrenberg Auslese getrunken hat - und das ist schon mehr als 20 Jahre her.


frankpapenbroock.com